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Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Bürger! Es ist keine zwei Wochen her, da kam ausgerechnet Minister Habeck auf die Idee, die Deutschen sollten länger arbeiten – dürfen; ganz freiwillig natürlich. Jetzt wissen wir inzwischen, dass das neuerdings mit der Freiwilligkeit nicht ganz so ehrlich ist, nicht nur, wenn es um Windräder und Autos geht.
Da war Minister Lindner wenigstens ehrlich. Er, das heißt sein sogenannter Wirtschaftsberater Herr Feld, warf schon einmal die Zahl 70 in den Raum.
Das war dann schon nicht mehr freiwillig. Begründung hier: Dies sei nötig, damit das Rentensystem nach 2029 stabil bleibt – und das bei einem Rentensystem, das die OECD gerade zum schlechtesten aller Industriestaaten gekürt hat.
Nirgendwo sonst in den Industriestaaten sind die Sozialbeiträge so hoch wie bei uns und das Rentenniveau so niedrig. Nirgendwo dürfen die Menschen dafür dann auch noch so lange arbeiten. Das Verhältnis von Bruttorente zum Bruttolohn beträgt in Deutschland gerade einmal 41,5 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich sind es 74 Prozent, in den Niederlanden 69,7 Prozent. Das heißt, unsere Regierung erwartet von unseren Arbeitnehmern, dass sie für immer weniger Leistungen immer länger arbeiten sollen und dabei noch über ihre Steuergelder die Renten anderer Länder mitfinanzieren.
„Die gesetzliche Rentenversicherung, ein Kernstück des deutschen Sozialstaates, treibt in die Krise, wenn nicht eine grundlegende Reform vorgenommen wird.“ Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung aus dem Jahr 1998. Er ist also 24 Jahre alt und, wie wir eben gehört haben, immer noch aktuell.
Seit damals wurde viel am System herumgeschraubt, meist auf kurze Sicht, manchmal mit gegenläufigen Intentionen, immer aber aus politischen und wahltaktischen Gründen. Genau das passiert im Übrigen gerade mit dem Mindestlohn und der Tarifautonomie, die aktuell durch staatliche Planwirtschaft abgelöst werden.
Was solche Eingriffe für den Arbeitsmarkt bedeuten, können wir heute noch gar nicht absehen; was Derartiges bei der Rente angerichtet hat, schon: Im Ergebnis haben wir heute ein dysfunktionales Rentensystem voller Fehlsteuerungen und Fehlanreize, weit abgeschlagen im internationalen Vergleich, auf Kosten unserer Beitragszahler und Rentner.
Insofern teile ich Ihre Besorgnis voll und ganz, Kollege Birkwald, dass es hier zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in unser umlagefinanziertes System kommen kann. Das müssen wir verhindern. Nur, wenn das so ist, wieso ist das Erste, was Sie in dieser Legislaturperiode auf den Tisch legen, ein Gesetzentwurf, der mit hundertprozentiger Sicherheit zur Erhöhung der Beiträge führen muss? Da passt doch etwas nicht zusammen,
Beifall bei der AfD)
zumal Sie selbst zugeben – ich zitiere aus Ihrem Antrag –:
Das Ausmaß der zusätzlichen Anhebung des Beitragssatzes kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht exakt beziffert werden …
Das wäre aber doch hilfreich, meinen Sie nicht?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Ansatz für eine Rentenreform, das ist politischer Aktionismus.
Beifall bei der AfD)
Gerade weil das deutsche Rentensystem im internationalen Vergleich so schlecht dasteht und gerade weil wir dringend etwas für die gesetzliche Rente tun müssen, kann es doch keine Lösung sein, stattdessen Renten- und Beitragszahler noch zusätzlich zu belasten. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass es durchaus noch Luft gibt bei der Steuerfinanzierung. Oder wie wäre es – nur einmal als Beispiel –, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie wir das Rentensystem vom Wust der versicherungsfremden Leistung entlasten? Das alles sind Ideen, die mir weit sinnvoller erscheinen als die willkürlich geforderte Erhöhung der Mindestrücklage auf gerade einmal 0,4 Monatsausgaben, was, nebenbei bemerkt, auch viel zu kurz gesprungen ist.
Insofern ist dieser Gesetzentwurf ein Vorschlag aus der Abteilung „Wir haben auch mal wieder was zum Thema Rente gesagt“. Das ist zwar mehr, als der Ampelregierung bisher dazu eingefallen ist, das macht die Sache aber auch nicht besser.
Beifall bei der AfD)
Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Anja Schulz, und das ist ihre erste Rede.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)