Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Attentate in Mannheim, in Solingen, in Magdeburg, in Aschaffenburg anschaut, dann ist das Entsetzen, das alle empfinden, das eine, und dass wir darüber nachdenken, was wir tun können, das andere. Was die Opfer überhaupt nicht verdient haben, ist, dass wir jenseits der Trauer, die wir mit ihnen empfinden, die Opfer, die sie in ihren Familien zu beklagen haben, auch noch dadurch verhöhnen, dass wir sie für politische Debatten instrumentalisieren. Das ist das Letzte, was diese Menschen wollen und brauchen. Das geschieht schamlos. Und wenn die Sprache, wie bei Herrn Curio, auch noch aus dem Wörterbuch des Unmenschen kommt, kann ich nur sagen: Das ist das Allerletzte. Die Lehre, die wir aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen haben, hieß: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, Artikel 1 des Grundgesetzes. Das heißt übersetzt: Die Würde aller Menschen ist unantastbar. Natürlich müssen wir uns fragen, was man tun kann. Wir haben zum Beispiel das Gemeinsame Europäische Asylsystem hinbekommen. Das war schwer genug. Und wir haben andere Dinge gemacht. Aber die, die immer so genau wissen, was zu tun ist, um solche Taten zu verhindern, müssen sich mal fragen lassen, ob sie die Maßnahmen denn wirklich verhindert hätten. Woher wissen Sie das denn? Ich fürchte, manche der Taten wird man auch nicht verhindern können. Aber einen Punkt machen wir vielleicht falsch: Wenn wir ein bisschen weniger Pauschalverdächtigungen aussprechen würden, wenn die, die hier arbeiten, die hier leben, die sich integrieren und sich an Recht und Gesetz halten, eine faire Chance bekommen würden und wir uns um die wenigen kümmern, die Gewalttäter sind, die nicht hierbleiben können, wäre schon vieles gewonnen. Pauschale Diffamierung ist falsch. Und Antworten, die dem Recht nicht entsprechen, sind übrigens auch falsch. Was offenbart es eigentlich für eine Haltung, wenn eine demokratische Partei sagt: „Mich kümmert es nicht, ob das europäische Recht und das Grundgesetz verletzt werden oder ob es sich um einen nationalstaatlichen Alleingang handelt“? Ich will noch etwas zu dem Dammbruch sagen. Ich weiß nicht, was mich mehr erschreckt: dass Herr Merz und die Führung der FDP hier gemeinsam mit Frau Wagenknecht und ihrer Truppe und den Rechtsradikalen eine Mehrheit suchen oder dass man so tut, als wüsste man gar nicht, was man da tut. Ich habe hier kurz vor Weihnachten zitiert, was die Leute der AfD sagen. Ich will das heute nicht wiederholen. Ich will ein Zitat anführen. Mit einer Partei, von der ein führendes Mitglied sagt: „Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer in Deutschland, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde“ – Zitat AfD –, macht man keine gemeinsame Sache – nirgendwo, aus keinem Grund und niemals! Und ich muss Ihnen ehrlich sagen: Man kann hier einen Antrag stellen und kann nicht verhindern, dass die AfD zustimmt; das ist wahr. Aber man bringt keinen Antrag ein, von dem man weiß, dass er nur durch Zustimmung von Rechtsradikalen eine Mehrheit finden kann. Das ist ein Dammbruch! Das ist ein Dammbruch! Wir Sozialdemokraten lassen uns angesichts unserer Geschichte von Ihnen nicht drohen und sagen: Entweder ihr macht mit, was wir richtig finden, oder wir suchen die Mehrheit mit Rechtsradikalen. – Wir lassen uns nicht erpressen, nicht von Konservativen, nicht von Liberalen, nicht von Populisten. Wenn wir wirklich wollen, dass die Parteien der Mitte konsensfähig bleiben und wir Probleme lösen, dann muss klar sein: Zwischen uns herrscht Wettbewerb. Aber das sind Demokratiefeinde, die da rechts sitzen. Mit denen macht man keine gemeinsame Sache, und man verharmlost das nicht auch noch hier in diesem Hause, meine sehr verehrten Damen und Herren. Man macht keine gemeinsame Sache mit Leuten, die „Remigration“ sagen und Massendeportationen meinen, und das an einem Tag, an dem wir hier der Opfer des Holocausts gedenken. Das ist doch eine Schande und unterläuft einem nicht einfach so. Das machen Sie mit unserer Sozialdemokratie nicht! Wir kennen die Demokratiefeinde. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen: Erst werden die einen benachteiligt und pauschal verdächtigt, dann kommen die anderen. Irgendwann ist der Letzte dran. Erst sind es Menschen mit Behinderungen, dann sind es Menschen, die anders aussehen. Unser Problem in Deutschland ist doch nicht die Vielfalt, sondern die Einfalt. Davon haben wir zu viel. Von der Vielfalt haben wir zu wenig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich sage Ihnen: Wahlkampf ist, wenn man meint, aus wahltaktischen Gründen mit Rechtsradikalen paktieren zu müssen. Das ist Wahlkampf. Das muss ich Ihnen sagen. Wir wollten mit Ihnen über die Sache reden. Kriminalität und insbesondere Gewaltkriminalität sind zu verurteilen. Gewalt darf nie akzeptiert werden, egal von wem sie ausgeht, egal gegen wen sie sich richtet und egal wie sie begründet wird. Es gilt aber auch anzuerkennen, dass ein Viertel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat. Das sind rechtschaffende Leute, die in Krankenhäusern arbeiten, die uns helfen und die es nicht verdient haben, hier von Ihnen beschimpft und diskriminiert zu werden. Nein, das machen Sie mit uns nicht! Und tun Sie nicht so, als hätten Sie nicht begriffen, was hier stattgefunden hat. Frau Merkel, Herr Friedman, der aus der CDU ausgetreten ist, oder die Kirchen, die Ihnen mahnende Worte gesagt haben, sind doch nicht doof. Kehren Sie um und überlegen Sie, was das mit dem ersten Buchstaben Ihres Parteinamens zu tun hat. Frau Präsidentin, ich weiß nicht, ob ich das darf; aber ich nehme es mir jetzt einfach mal heraus, weil ich gehört habe, dass Sie heute zum letzten Mal amtieren. Frau Präsidentin, Ich wollte Ihnen sagen: Ich finde, Sie haben Ihr Amt in den letzten Jahren fabelhaft und mit großer Würde wahrgenommen. Sie haben dafür den Dank des Hauses verdient. Da von Ihrer Fraktion heute niemand mehr spricht, darf ich als Sozialdemokrat sagen: Sie haben das immer souverän getan. Ich bedanke mich herzlich. Wir sollten dafür sorgen, dass diese Leute hier rechts aus den Parlamenten verschwinden, und nicht dazu beitragen, dass sie noch gestärkt werden.