Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Umgang mit Minderheiten in Deutschland ist stets ein verlässlicher Gradmesser für den Zustand unserer freiheitlichen Demokratie gewesen. Mit der heutigen Debatte zeigt die AfD einmal mehr, was sie von genau dieser liberalen Demokratie hält, nämlich nichts. Ihre Anträge – auch wenn Sie einen Teil davon zurückgezogen haben – sind eine klare Kampfansage an alle Transpersonen und alle homosexuellen Menschen. Dass man als trans- oder homosexuelle Frau oder trans- oder homosexueller Mann jetzt noch die AfD wählen kann, ist mir wirklich unbegreiflich. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich eins ganz deutlich sagen: Ich bin froh, dass wir in einem Land leben, in dem gesellschaftliche Vielfalt nicht mit Füßen getreten wird. Ob trans-, hetero-, homosexuell: Alle Menschen in Deutschland sollen ihren Lebensentwurf verwirklichen können. Für uns Freie Demokraten ist das ein wesentlicher Bestandteil unseres Leitbildes, unseres Freiheitsverständnisses. Zahlreiche Bürgerrechtsthemen haben wir deshalb als FDP in den letzten Koalitionsvertrag mit hineinverhandelt und auch umgesetzt. Da ist zum Beispiel die verschärfte Strafbarkeit von homo- und transfeindlicher Hasskriminalität, die der ehemalige Bundesjustizminister Marco Buschmann erreicht hat. Da ist aber auch das Selbstbestimmungsgesetz. Damit wird – das ist ganz klar – die Würde von transsexuellen Menschen geachtet. Und da sind wir ein ganzes Stück weitergekommen. Wir haben ja auch oft genug hier an dieser Stelle darüber gesprochen. Wir haben das sogenannte Diskretionsgebot abgeschafft. Da möchte ich ausdrücklich Innenministerin Faeser dafür danken, dass sie das sehr unbürokratisch gemacht hat. Und es ist uns gelungen, die Diskriminierung von homo- und bisexuellen Männern bei der Blutspende abzuschaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür habe ich alleine 17 Jahre kämpfen müssen. Außerdem haben wir den Nationalen Aktionsplan „Queer leben“ auf den Weg gebracht, der noch mit Leben gefüllt werden muss. Aber, meine Damen und Herren, es ist eben eine Querschnittsaufgabe, und darum war, ist und bleibt es richtig, eine Queer-Beauftragtenstelle zu haben. Das ist keine leichte Aufgabe für Sven Lehmann gewesen, und ich bedanke mich an dieser Stelle auch mal ganz ausdrücklich für die Arbeit, die er geleistet hat. Wir als Freie Demokraten – und das will ich auch ganz deutlich sagen – haben uns für die kommende Legislatur noch viel vorgenommen. Wir wollen neue Akzente setzen und weitere Projekte umsetzen. Als Freie Demokraten möchten wir die Gesundheitsversorgung der LSBTI-Gemeinschaft weiter verbessern. Wir wollen dafür kämpfen, dass der Artikel 3 im Grundgesetz um die sexuelle Identität erweitert wird. Zudem muss nach der Bundestagswahl die Reform des Abstammungsrechts kommen; das hat meine Kollegin eben schon gesagt. Das sind drei Punkte von dem, was man sehr konkret angehen muss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, rund 11 Prozent der Menschen in Deutschland definieren sich als Teil der LSBTI-Community. Jede zweite befragte Person gibt an, eine homosexuelle oder queere Person in der Familie, im Freundeskreis oder unter Kollegen zu kennen. Das sind mehr als je zuvor. Dennoch gibt es einen Teil der Bevölkerung, der keinerlei Bezug zu queerpolitischen Themen hat. Gerade diese Menschen müssen wir mehr mitnehmen, ihre Fragen beantworten und mit ihnen ins Gespräch kommen. Das schafft Verständnis und Akzeptanz. Wir brauchen eine Diskurskultur, bei der wir uns auch gegenseitig zuhören. Meine Damen und Herren, ich habe dreimal den Anlauf gemacht, meine letzte Rede hier zu halten. Es wird diesmal wirklich meine letzte Rede gewesen sein. Nach 30 Jahren in der Politik insgesamt und nach 17 Jahren im Hauptamt als Abgeordneter muss ich sagen: So einen Tag wie heute habe ich noch nie erlebt. Ich hoffe auch, dass er sich so schnell nicht wiederholen wird. Lassen Sie mich mit einem persönlichen Gedanken schließen. Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark und mit einer ungeheuren Geschwindigkeit verändert. Meiner Meinung nach hat sie vor allem enorm an Veränderbarkeit gewonnen. Es gibt mehr Politik, weil einfach auch mehr zu verändern ist. Es lässt sich auch alles ändern. Hierin liegen große Herausforderungen, aber vor allen Dingen auch große Chancen für das Politische an sich und insbesondere für den Liberalismus. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass sich viele junge Menschen entschließen, in die Politik zu gehen. Der heutige Tag war ein Beispiel dafür: Wir brauchen sie alle. Vielen Dank.