Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier ist sie nun, meine letzte Rede in diesem Parlament, in dem ich einige Sternstunden erleben durfte, darunter den Redebeitrag von Karl Gorath am 27. Januar 2023, gesprochen von Jannik Schümann. Karl Gorath wurde mehrfach nach § 175 Strafgesetzbuch verurteilt – wegen seiner sexuellen Orientierung; er war schwul. Erst im Jahr 2017 wurde er rehabilitiert. Die Gewissheit, dass diese Bundesrepublik, in der wir leben, Garant ist für Freiheit, für Gleichheit, für Menschenwürde, hat mich als Bundestagsabgeordnete immer getragen. Menschen haben ein Recht auf Selbstbestimmung – auch wenn Sie hier reinrufen; das haben sie –, und ich finde, daran müssen wir arbeiten. Das ist unsere Verantwortung. Deshalb wünsche ich mir auch eine Änderung von Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz, sodass alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, in diesem Land geschützt werden. Nun zur Modernisierung des Abstammungsrechts. Familien in diesem Land sind längst vielfältig. Es gibt nicht nur Mama und Papa, es gibt auch Papa und Papa, Mama und Mama, und die Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern – auf beide Eltern. Wir machen in unserem Rechtsstaat lesbische Mütter zu Stiefmüttern, die ihre eigenen Kinder adoptieren müssen. Haben Sie sich mal überlegt, was in dieser Phase eigentlich passiert, wenn was passiert, auch mit den Kindern? Ja, die Kinder haben ein Recht. „Familie“ heißt es in unserer modernen Gesellschaft, wenn Menschen füreinander und miteinander Verantwortung übernehmen. Das ist der Familienbegriff und nichts anderes. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Reform muss ich wohl meinen nachfolgenden Generationen hier in diesem Haus überlassen. Deshalb erlauben Sie mir an dieser Stelle meinen persönlichen Dank an meine Familie, an meine Eltern, an meinen Mann, an meine Kinder, die heute zuschauen und es dadurch vielleicht auch ein bisschen zu einer Sternstunde für mich machen. Denn insbesondere meine Kinder mussten durch diesen Job sehr oft und sehr viel auf mich verzichten. Aber sie wussten immer: Ich bin für sie da, wenn sie mich brauchen. Ich habe meinen Job als Politikerin hier in diesem Parlament auch deshalb gemacht, um für die Menschen da zu sein, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, die uns brauchen, um für sie einzustehen, um ihre Rechte zu verteidigen. Mein innerer Kompass war immer geprägt durch einen Gerechtigkeitsbegriff, und meine Arbeit war der Einsatz für die Chancen jeden Kindes, für Freiheit und Demokratie. Und irgendwann in meinem Einsatz habe ich festgestellt: Meine Kinder sind mit eingestiegen. Darauf bin ich sehr, sehr stolz. Meine Mutter und ich sind 1979 in dieses Land eingewandert. Sie hat hart gearbeitet, sie hat Steuern bezahlt, sie hat Sozialabgaben bezahlt. Sie hat dieses Land mit aufgebaut. Ich trage meinen bayerischen Verfassungsorden, den ich hier heute übrigens das erste Mal seit der Verleihung trage, mit einem gewissen Stolz, weil ich das auch meinem fränkischen Vater zu verdanken habe. Meine Kinder – wie jedes Kind in diesem Land übrigens – sollten zuversichtlich und hoffnungsfroh in die Zukunft gucken können. Sie und ihre Freunde – Frau Präsidentin, bitte erlauben Sie mir das – fragen mich, wohin wir denn gehen, wenn wir deportiert werden. Sie haben das Wort „Remigration“ in ihren Wortschatz aufgenommen. Aber ich weiß – und das kann ich Ihnen hinterlassen –: Die Geschichte wird sich nicht wiederholen. Wir sind wach, und wir sind wehrhaft. Und deshalb werde ich auch immer ein politischer Mensch bleiben. Politik findet nicht nur in den Parlamenten statt, sie findet auch im Ehrenamt statt, sie findet auch in der Zivilgesellschaft und im Privaten statt. Denjenigen, die in dieses Haus reinkommen, sage ich: Sie haben die Verantwortung. Ihr Auftrag ist es, die Demokratie zu verteidigen. Ihr Auftrag ist es, diese Gesellschaft der vielen gemeinsam zu verteidigen, in einem Land, das wir lieben dürfen. Vielen Dank.