- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Wehrbeauftragte, schön, dass Sie mit Ihrer Anwesenheit unsere Arbeit wertschätzen! Liebe Gäste! Liebes Team! Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, Chinas Dominanz und die zweite Amtszeit von Donald Trump sind keine bloßen Schlagzeilen, die man so nebenbei im Vorbeigehen liest, die wir so zur Kenntnis nehmen, nein, diese Schlagzeilen formen unsere Welt jeden Tag neu.
Die Zeitenwende fordert uns heraus, alte Gewissheiten zu hinterfragen und unsere globale Verantwortung neu zu denken. Diese Zeitenwende erleben wir aus meiner Sicht nicht nur international, sondern seit Mittwoch auch hier im Bundestag. Gewisse Gewissheiten sind nicht mehr die gemeinsame Grundlage, scheint es, und das macht mich wirklich sehr traurig.
Beifall der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ein Einsatz in der Dimension von Afghanistan ist heute kaum noch vorstellbar. Trotzdem betreffen uns Konflikte in Nahost, Eurasien und auf dem afrikanischen Kontinent ganz unmittelbar. Deshalb ist Wegsehen überhaupt keine Option, weder aus moralischer noch aus sicherheitspolitischer Verantwortung. Die Frage ist nicht, ob Deutschland Verantwortung übernimmt, sondern das Wie. Auslandseinsätze sind mehr als nur militärische Unterstützung. Es geht um die Menschen in den Einsatzländern, es geht um Mütter, die sauberes Wasser für ihre Kinder brauchen, um Mädchen, die zur Schule gehen wollen, um Familien, die Schutz suchen, und um eine Zukunft, die Hoffnung verspricht.
Bei meinem letzten Besuch beim Jägerbataillon 292 in Donaueschingen in meinem wunderschönen Wahlkreis fragte mich ein Soldat: War unser Einsatz umsonst? – Das kann ich ganz klar beantworten: Nein. Das deutsche Engagement in Afghanistan war nicht umsonst. Wir haben viel erreicht – für Bildung, Gesundheitsversorgung und den Schutz von Frauen und Minderheiten.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Doch wir müssen uns ehrlich fragen, warum wir vieles nicht langfristig haben sichern können, und das haben wir uns in der Enquete-Kommission zur Aufgabe gemacht. Nicht nur die Gespräche mit Soldatinnen und Soldaten, sondern auch der Austausch mit zivilen Einsatzkräften zeigt: Der Einsatz hat Spuren hinterlassen, körperlich und seelisch. Mein tiefster Dank gilt allen, die unter großen persönlichen Opfern für unsere Sicherheit eingestanden haben. Ihre Erwartungen an die Aufarbeitung waren hoch, und der Zwischenbericht der Enquete-Kommission hat gezeigt, dass wir sie ernst nehmen; er wurde für seine ehrliche Aufarbeitung gelobt.
Dabei gilt den elf Sachverständigen der Kommission ein ganz besonderer Dank. Ganz besonders möchte ich im Namen meiner SPD-Fraktion Frau Professor Ursula Schröder, Herrn Professor Hajo Gießmann und André Wüstner danken. Sie drei haben wie alle anderen Sachverständigen auch als das Team Wissenschaft die verteidigungspolitische Perspektive auf höchstem Niveau vertreten.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Philip Krämer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ihr Einsatz über zweieinhalb Jahre war das Rückgrat unserer Arbeit. Ohne sie wäre das alles überhaupt nicht möglich gewesen. Dafür von Herzen ein riesengroßes Dankeschön!
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Zusammenarbeit in unserer Kommission hat gezeigt: Wenn es um internationale Sicherheit geht, sind die Gemeinsamkeiten unter den demokratischen Fraktionen groß. Ja, wir haben kontrovers diskutiert, doch am Ende haben wir uns auf einen gemeinsamen Bericht geeinigt. Das macht mich zuversichtlich, dass die Hauptempfehlung der Kommission vielleicht gelingen kann: Unser internationales Engagement muss besser abgestimmt und koordiniert werden. Wir müssen Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und Verteidigung stärker verzahnen, von der politischen Strategie bis zur Umsetzung.
Beifall des Abg. Knut Gerschau [FDP])
Was wir nicht brauchen, sind Ministerien, die nebeneinanderher arbeiten. Aber das hat sich nach Afghanistan deutlich geändert.
Aber auch für unsere zukünftigen Einsätze gilt: vernetzt denken, zusammen handeln. Ich betone es noch einmal: Was wir brauchen, ist eine klare, gemeinsame Strategie. Dazu gehört auch eine mit unseren Partnern abgestimmte Strategie, eine Exitstrategie, wenn sich ein Scheitern des Einsatzes abzeichnet. Denn eins ist klar: Ein unkoordinierter Rückzug schadet nicht nur unseren internationalen Beziehungen, sondern vor allem den Menschen vor Ort.
Aber gleichzeitig müssen wir uns auch der Realität stellen, dass wir auch auf unbequeme Partner treffen werden. Diesen Ländern dann den Rücken zuzukehren, hieße aber, die Augen vor dem Leid der Menschen dort zu verschließen und das Feld den Mächten zu überlassen, die nicht unbedingt unsere Werte teilen.
Damit künftige Einsätze besser laufen, sollten drei Dinge beachtet werden:
Erstens: der Wissensaustausch zwischen Politik, Wissenschaft und Einsatzkräften und vor allem den Praktikern, die über einen immensen Schatz an Wissen verfügen, das wir nur abrufen brauchen. Auch das lokale Wissen muss in unsere Strategien fundiert eingebunden werden.
Zweitens: eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung. Internationale Krisenarbeit umfasst Diplomatie, EZ, wirtschaftliche Partnerschaften, Sicherheitspolitik und vor allem humanitäre Hilfe. Das müssen wir strategisch besser verzahnen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Drittens: die Abstimmung mit unseren internationalen Partnern. Nur gemeinsam können wir Krisen rechtzeitig erkennen und ihnen vorbeugen. Das ist gerade jetzt wichtig, wo sich viele Länder stärker ihren inneren Angelegenheiten zuwenden und die Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit verringern.
Ich bin der aktuellen Bundesregierung dankbar, dass es allen jetzt schon gelungen ist, verzahnter und vernetzter zu denken. Sie haben integrierte Sicherheit gelebt. Dafür danke ich der Entwicklungsministerin, der Außenministerin und unserem Verteidigungsminister.
Beifall bei der SPD sowie des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In diesen Abschlussbericht ist viel Zeit, Arbeit und Schweiß geflossen. Viele schlaflose Nächste, Telefonate, ausgebrannte Fraktionsreferentinnen und referenten, extrem geforderte Mitarbeitende des Kommissionssekretariats, manchmal wegen uns Abgeordneten verzweifelnde Sachverständige und ganz fleißige Teammitglieder aller Abgeordneten haben dazu beigetragen, dass wir diese 72 Empfehlungen haben formulieren können.
Ich hoffe sehr, dass diese Empfehlungen nicht irgendwo in einer Ablage verschwinden. Das sind wir nämlich unseren Soldatinnen und Soldaten, unseren Polizeikräften, unseren zivilen Einsatzkräften und ihren Angehörigen schuldig. Vielen Dank für Ihren Einsatz! Es war mir eine Ehre, als Obfrau dieser Enquete-Kommission gearbeitet haben zu dürfen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Peter Beyer [CDU/CSU] und Knut Gerschau [FDP])