Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten! Die AfD hat gerade mal wieder unter Beweis gestellt, dass ihr das Leben behinderter Menschen, ehrlich gesagt, sonst wo vorbeigeht. Sie haben hier keinen einzigen Satz zu diesem Antrag und zum Thema beigetragen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat mit der inklusiven Beschäftigung behinderter Menschen rein gar nichts zu tun. Es tut mir einfach leid, dass Sie hier so die Redezeit verschwenden. Der Unterschied zwischen Ihnen und der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel ist – das möchte ich an der Stelle auch noch mal sagen –, dass sie bei diesem Thema zumindest den Hauch eines Verständnisses gehabt hat. Sie hat sich nämlich mit dem Statement verabschiedet – da war ich sehr überrascht, dass sie das nach all den vielen Jahren dann doch endlich mal tut als eine Frau, die auf dem Gelände einer Behinderteneinrichtung in der DDR aufgewachsen ist –, dass man diese Einrichtung aufzulösen hat und dass man solchen Kindern von Anfang an die Möglichkeit geben muss, mit allen anderen Kindern zusammen inklusiv beschult zu werden. Menschen, die in Werkstätten arbeiten, hätten ein Anrecht auf einen anständigen Lohn und die Möglichkeit zum Zugang zu einem inklusiven Arbeitsmarkt. Das war also reiner Bullshit, was Sie hier beigetragen haben. Der Union möchte ich sagen, dass man an manchen Stellen wirklich deutlich merkt, dass es gut ist, wenn in einem Land nicht immer die Gleichen am Ruder sitzen. Nach 16 Jahren war es, ehrlich gesagt, wirklich an der Zeit, dass die Unionsfraktion jetzt mal auf der Oppositionsbank sitzt. Ich möchte Ihnen sagen – das meine ich überhaupt nicht böse –: Zu einer guten Demokratie gehört es, dass mal frische Luft reingelassen wird. Das merkt man ein bisschen auch an Ihrem Antrag. Außerdem finde ich es total gut, wenn in einem Parlament möglichst viele Menschen sitzen, die einen Hauch Ahnung davon haben, was es bedeutet, an einer inklusiven Gesellschaft zu arbeiten: nämlich Lebensqualität und Fortschritt für alle Menschen. Ich glaube, dass mit Hubert Hüppe, der in der ersten Reihe sitzt, jemand wieder neu im Bundestag ist, der eine Vorstellung davon hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Hubert Hüppe an diesem Antrag auf jeden Fall mitgearbeitet hat. Er ist nicht perfekt, aber er ist nicht schlecht. Da ist einiges abgeschrieben – von uns und vielleicht auch von anderen, da bin ich mir nicht so sicher –, aber es ist auf jeden Fall eine gute Grundlage, auf der man diskutieren kann. Andererseits muss ich Ihnen sagen, dass mir, bildlich gesprochen, echt die Tränen kommen, wenn ich darüber nachdenke, was wir in den vergangenen Jahren alles hätten gemeinsam zustande bringen können, wenn wir uns in diesem Hohen Haus zusammengetan hätten, um Ernst zu machen mit der vollen und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, wenn wir unsere Kraft darauf gerichtet hätten, Strukturen zu schaffen, die tatsächlich für alle zugänglich sind und die auch funktionieren. Stattdessen – ich zitiere –: So steht es geschrieben auf der Website unseres ehemaligen Behindertenbeauftragten Hubert Hüppe. Und er hat recht mit dem, was er sagt. Nur, leider hat das, was er sagt, mit der Politik der Union bisher überhaupt nichts zu tun gehabt. Wie oft habe ich mir anhören müssen, dass Förderschulen, Werkstätten und Heime schon gut seien für die Behinderten. Die Menschen wollten in Werkstätten arbeiten, weil sie den Schutzraum bräuchten und sich dort wohlfühlten. Aber die Realität ist oftmals eine andere. Ich möchte mal aus einem Interview mit Frau – nennen wir sie – Schmitz zitieren, die heute – das möchte ich vorwegschicken – bei einem Unternehmen fest angestellt ist. Sie hatte keinen Schulabschluss, ist irgendwann, wie sie sagt, in einer massiven Despression gelandet und deshalb nicht mehr vor die Tür gegangen. Frau Schmitz hat Glück gehabt: Über ein Praktikum bekam sie die Gelegenheit, ins – formal formuliert – betreute Arbeiten, in einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz einzusteigen. Sie sagt – ich zitiere –: Frau Schmitz hat es geschafft, weil sie das Glück hatte, Unterstützung auf ihrem individuellen Weg zu bekommen. Viele andere Menschen haben dieses Glück nicht. Glück darf aber keine Kategorie sein, wenn es darum geht, geltendes Recht in Anspruch zu nehmen. Und hier liegt eine Kernaufgabe für die kommenden Jahre: Wir müssen es schaffen, den Bürokratiedschungel zu lichten. Wir brauchen einen Servicestaat und keinen Kafka-Staat. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen als Demokraten innerhalb dieses Parlamentes und ernsthaft an einer inklusiven Gesellschaft arbeiten! Ich bedanke mich.