Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Es handelt sich bei Telegram doch längst nicht mehr um einen reinen Messengerdienst für Individualkommunikation. Telegram nutzen heute weltweit mehr als eine halbe Milliarde Menschen. Es gibt offene und geheime Telegram-Gruppen, in denen man in Text, Ton und Bild kommuniziert. Es können Telegram-Kanäle mit unbegrenzter Abonnentenzahl angelegt werden. Telegram, das sind soziale Netzwerke auf einer digitalen Plattform. Aber auch auf digitalen Plattformen gelten unsere Menschen- und Grundrechte. Sie kennen keine Trennung von Online- und Offlinewelt. Sie müssen sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt angewendet werden. Natürlich, auch auf Telegram gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung. Es wird auch nicht durch dumme Meinungen verwirkt. Auch systemkritische und für manche gefährliche Meinungen sind auszuhalten. Aber selbst die Freiheit von Meinungen findet ihre Grenzen an dem Punkt, wo die menschliche Würde und andere Gesetze verletzt werden. Nebenbei: Für uns Demokratinnen und Demokraten ist Faschismus keine Meinung. Auch Gewaltfantasien sind keine Meinung. Man muss es ganz klar sagen: Nicht alles, was man von sich gibt, ist eine Meinung, deren Äußerung durch das Grundgesetz geschützt ist. Wer Hetze, Hass und Gewaltaufrufe oder bewusste Falschinformationen verbreitet, mag sich vielleicht selbst im Gebrauch seiner Meinungsfreiheit sehen. Aber tatsächlich ist es deren Missbrauch. In manchen Telegram-Kanälen wird offen zu Hass und Gewalt aufgerufen bis hin zu Mord und Staatsumsturz. Zu finden sind auch Gewaltaufrufe gegen Politiker/-innen und Wissenschaftler/-innen genauso wie Anleitungen zum Waffenbau. Alles kriminelle Taten, gegen die sich eine Demokratie wehren muss! Hier zeigen sich der ambivalente Charakter von Telegram und unser Dilemma: Hier, in der Demokratie, kann eine Plattform wie Telegram das gesellschaftliche System schwächen. In Diktaturen und Autokratien bedeuten sie oft den einzigen Weg einer freien Kommunikation der Zivilbevölkerung ohne Überwachung und Repression. Gerade heute, in Bezug auf die Ukraine und Russland, ist es notwendig, einen Dissidentenkanal für Demokratieförderer sicherzustellen. In autoritären Staaten ist Telegram deshalb ein wichtiger Kanal für Menschen, die für eine solche freiheitliche Demokratie unter Gefahr für Leib und Leben und deshalb anonym und im geschützten Raum kämpfen müssen. Wie lässt sich also Meinungsfreiheit sichern, Hetze aber unterbinden? Wie lassen sich Kommunikationsfreiheit auf der einen Seite und klare Regelungen gegen Desinformation, Drohungen und Aufruf zu Straftaten auf der anderen Seite gleichzeitig umsetzen? Das ist eine komplexe Frage, die man abwägen, differenziert betrachten und beantworten muss. Diese Schritte sucht man bei der AfD vergebens. Der einzig richtige Weg geht schlicht und einfach über unsere Grundrechte. Genauso, wie wir es analog seit Inkrafttreten des Grundgesetzes tun, dürfen auch die digitalen Plattformen kein rechtsfreier Raum bleiben. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Deutschland und viel mehr der Digital Services Act in der Europäischen Union müssen uns alle nötigen rechtlichen Instrumente an die Hand geben, damit auch Telegram nicht im rechtsfreien Raum bleibt. Wir müssen der auf Social Media stattfindenden Radikalisierung und Enthemmung offensiv begegnen, zugleich aber bei der Kontrolle Maß halten. Wir wollen die Gefahr für unsere Demokratie abwenden. Wir wollen nicht die Menschen bestrafen, die Telegram als eine ganz normale Kommunikationsplattform nutzen. Wie die Behörden habe auch ich den Verdachtsfall: Warum stellt die AfD heute einen solchen Antrag? Ihr Ruf nach Demokratie, Freiheit und Menschenrechten soll darüber hinwegtäuschen, dass die Einschränkung von Telegram-Diensten den Nährboden für diejenigen Bewegungen entziehen würde, die die AfD als ihre Überlebensgarantie und Vorfeldorganisationen dringend braucht. Aber unsere Demokratie braucht sie nicht. Unsere Demokratie ist wehrhaft. Sie basiert auf starken Grundrechten, die wir auch im digitalen Raum durchsetzen müssen. Vielen Dank.