Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, in Langenenslingen. Das einzige brauchbare Verkehrsmittel dort ist das Auto. Wir fahren Auto, wenn der Liter Benzin 1,60 Euro kostet, und wir fahren Auto, wenn der Liter Benzin 2,30 Euro kostet; denn wir kommen nur so von A nach B. Aber wenn das Benzin 2,30 Euro kostet, kommen einige von uns nicht nur von A nach B; einige von uns kommen dann auch in Schwierigkeiten, weil vieles gerade teurer wird. Die Gasrechnung für eine durchschnittliche Familie in einem unsanierten Haus wird dieses Jahr voraussichtlich um 2 000 Euro steigen. Die Familien, die hier ihre finanziellen Grenzen überschreiten, leben nicht nur in Langenenslingen. Sie leben überall in unserem eigentlich reichen Land. Was sagen wir diesen Familien? Wir können es machen, wie CDU und CSU heute vorschlagen: Wir können versuchen, der neuen Bundesregierung alle Schuld in die Schuhe zu schieben, und wir können diverse Sofortmaßnahmen aufzählen, mit denen wir angeblich jahrzehntealte Probleme lösen. Und wir können zornig, wie Herr Lange, die Tatsachen verdrehen. Oder wir sagen diesen Familien die Wahrheit. Wir sagen ihnen: Wir stecken gerade in mehreren tiefen Krisen. Diese Krisen sind so tief, dass wir Zeit brauchen werden, sie zu lösen. Bis dahin werden wir versuchen, die schlimmsten Risiken von allen fernzuhalten. Aber es wird hart, besonders für die, die wenig Geld haben. Die Krise ist nämlich nicht, dass unser Benzin 2,30 Euro kostet. Die Krise ist, dass fünf Mineralölkonzerne gerade den Benzinpreis künstlich hochhalten. Auch der Staat hat seinen Anteil am Preis über Steuern und Abgaben, natürlich. Aber wenn wir diesen Anteil senken, erhöhen wir damit vor allem die Gewinne für diese fünf Mineralölkonzerne, und 83 Millionen Deutsche bezahlen dann weiter Wucherpreise an der Tankstelle. Die Krise ist nicht, dass die Gasrechnungen dieses Jahr hoch werden. Die Krise ist, dass wir ein Viertel unserer Energie aus Erdgas gewinnen und dass die Hälfte dieses Erdgases aus Russland kommt und wir diese Mengen nicht ganz aus anderen Quellen werden ersetzen können. Die Krise ist auch nicht, dass die Strompreise steigen. Die Krise ist, dass wir eine für uns schlechte Art gewählt haben, Strom zu gewinnen und zu verteilen. Denn wir produzieren Treibhausgase, die unseren Planeten zerstören, und wir zahlen meist großen Energiekonzernen irgendwo in Deutschland viel Geld, anstatt unseren Strom mit erneuerbaren Energien vor unseren Haustüren zu gewinnen, wo wir die Preise stärker selbst kontrollieren können. Die Krise sind nicht die steigenden Kosten. Steigende Kosten sind Symptome. Für viele sind diese Symptome schmerzhaft. Darum finde ich es richtig, dass die Bundesregierung diese Symptome bekämpft: mit einem noch mal höheren Heizkostenzuschuss, dadurch, dass wir die EEG-Umlage abschaffen, durch ein Gasspeichergesetz und mit vielem mehr. Trotzdem müssen wir einiges grundsätzlich verändern, und das wird Zeit kosten. Liebe Unionsfraktion, Sie hatten 16 Jahre Zeit, Sie hatten 16 Jahre lang das Kanzleramt, um Deutschland zu verändern. Das ist mehr als die Hälfte meines Lebens. So zu tun, als sei Ihnen die Erleuchtung, wie das jetzt doch geht, ausgerechnet in der Opposition gekommen, ist unehrlich. Und es ist nicht nur unehrlich, den Eindruck zu erwecken, wir könnten einige der größten Herausforderungen unserer Zeit jetzt schnell mit einigen Maßnahmen lösen, sondern sogar gefährlich. Rechts von Ihnen sitzen nur noch die, die sich von Enttäuschung, Wut und Hass ernähren. Füttern Sie sie nicht! Helfen Sie lieber uns, die Probleme an der Wurzel zu packen. Der Schlüssel sind anständige Löhne und erneuerbare Energien überall. Haben Sie vielen Dank.