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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar dafür, dass wir den fraktionsübergreifenden Antrag noch vor der Bundestagswahl hier im Plenum besprechen und dann auch beschließen werden; denn er ist mehr als eine politische Notwendigkeit. Er ist Ausdruck unserer Verantwortung gegenüber den Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land.
Judenhass ist eine Realität in Deutschland und in der Welt, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch heute. Im vorletzten Jahr hatten 30 Prozent aller vom BKA erfassten Straftaten im Bereich Hasskriminalität einen antisemitischen Hintergrund. Diese Realität anzusprechen, ist Teil unserer Verantwortung, gerade in dieser Woche, in der wir der Befreiung des Vernichtungslagers in Auschwitz vor 80 Jahren und der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Unsere Verantwortung darf sich aber nicht in Gedenken, in Besorgnis, in warmen Worten erschöpfen. Sie muss sich in unseren Handlungen widerspiegeln, und zwar jeden Tag und auch dann, wenn es ungemütlich wird, auch dann, wenn wir Widerspruch erfahren.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gleichzeitig möchte ich sagen: Man braucht nicht diese historische Verantwortung zu spüren, um sich gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch dann zu stellen, wenn es Jüdinnen und Juden sind. Man kann auch einfach kein Arschloch sein, würde ich sagen, oder – um es mit den Worten von Marcel Reif, die er an dieser Stelle vor einem Jahr gesagt hat, ein bisschen schöner auszudrücken – ein Mensch sein.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Unser Antrag widmet sich den Bildungseinrichtungen: Schulen und Hochschulen in Deutschland. Ich möchte betonen: Es gibt an Universitäten nicht mehr Antisemiten als an anderen Stellen in der Gesellschaft; aber Universitäten wurden in Deutschland und international in besonderer Weise als Schauplätze für Judenhass missbraucht. Sie erinnern sich zum Beispiel an den Vandalismus und die Feindmarkierung an der Humboldt-Universität oder an die Protestcamps, die in Hamburg nicht zufällig auf der Moorweide stattfanden, an dem Ort, der ab 1941 Sammelpunkt für Deportationen von Juden war.
Schulen und Hochschulen sind als Räume des Lernens, des Forschens, der Wissenschaft Orte der Freiheit. Sie müssen allen Menschen offenstehen und von Jüdinnen und Juden ohne Angst, ohne Diskriminierung besucht werden können. Dieser Antrag ist ein klares Bekenntnis gegen Judenhass und eine Kampfansage an die Personen, die mit ihren Aktivitäten versuchen, systematisch ein Klima der Unsicherheit und Angst an Schulen und Hochschulen zu erzeugen, und eine antisemitische Deutungshoheit über den Nahostkonflikt etablieren wollen. Wir dürfen ihnen Campus und Schulhof nicht überlassen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Daniela Ludwig [CDU/CSU] und Marlene Schönberger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
An dieser Stelle möchte ich all denjenigen danken, die sich in ihrem Alltag als Lehrerin, Schüler, Studierende, Dozent oder Hochschulleitung Judenhass und Israelfeindlichkeit entgegenstellen. Wir wollen mit diesem Antrag den Verantwortungsträgerinnen und -trägern an Schulen und Hochschulen beim konsequenten Vorgehen gegen Antisemitismus den Rücken stärken.
Der Antrag widmet sich auch der Forschung. Die Bundesregierung muss die Antisemitismusforschung in der Breite stärken, aber auch den Fokus auf die Forschung zu gegenwärtigem und heutigem Antisemitismus, der sich von dem der Vergangenheit unterscheidet, und auf jüdische Gegenwartsforschung richten. Wir bekennen uns auch klar zum wissenschaftlichen Austausch mit Israel und stellen uns gegen den Boykott von israelischer Wissenschaft,
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und zwar nicht nur, aber auch, weil wir eine sehr vielfältige und fruchtbare Wissenschaftskooperation mit der einzigen Demokratie im Nahen Osten pflegen und es hanebüchen wäre, diese aufzukündigen. Angesichts der globalen Herausforderungen brauchen wir mehr Zusammenarbeit in der Wissenschaft und nicht weniger.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, wir adressieren auch die Schulen in Deutschland. Mich hat erschreckt, als Lehrkräfte mir berichteten, den Nahostkonflikt sprächen sie gar nicht mehr an, das Thema sei zu heikel im Klassenzimmer. Die Schule ist der Ort, wo viele Kinder und Jugendliche demokratische Werte lernen. Für manche ist sie der einzige Ort, an dem sie mit gegensätzlichen Meinungen konfrontiert werden. Wo, wenn nicht in der Schule, müssen Lehrkräfte zumindest den Versuch wagen, Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken zu bringen, Respekt zu lernen und zu leben? Sie müssen sich jeder Form von Menschenfeindlichkeit, sie müssen sich Judenhass entschieden entgegenstellen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dabei brauchen sie Rückendeckung aus dem Bundestag, von den Schulbehörden in den Ländern. Sie brauchen ein Studium, das sie auf diese Situation vorbereitet, bedarfsgerechte Weiterbildung und hochwertige Unterrichtsmaterialien. Wir dürfen sie dabei nicht alleinlassen.
Ein letzter Punkt, ein Anliegen, das mir sehr wichtig ist: In dieser Woche wurde unter anderem in Hamburg angekündigt, dass Schülerinnen und Schüler in ihrer Schulzeit eine Gedenkstätte besuchen sollen. Das ist richtig. Es reicht aber nicht, Jüdinnen und Juden in Schwarz-Weiß-Bildern als Opfer der Shoah im Geschichtsbuch kennenzulernen. Jüdisches Leben gehört zu Deutschland, und zwar heute. Deswegen wollen wir Schülerinnen und Schülern ermöglichen, jüdischem Leben zu begegnen: über Initiativen wie „Meet a Jew“, den Austausch mit Rapper Ben Salomo oder den Besuch einer Synagoge in Hamburg, hoffentlich bald auch wieder in der Bornplatzsynagoge, deren parlamentarischen Freundeskreis wir diese Woche gegründet haben.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Maja Wallstein [SPD])
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Abschließend möchte ich mich bei Daniela Ludwig, bei Marlene Schönberger und Oliver Kaczmarek für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei diesem Antrag bedanken. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder. – Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Michael Kaufmann, AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)