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Hochgeschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Schön, dass Sie da sind bei dieser Debatte, die schon ohne das, was am heutigen Tag passiert ist, schwer genug ist.
Vor zwei Tagen jährte sich der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal – 80 Jahre, in denen unser Land die Chance hatte, es besser zu machen, 80 Jahre, um zu lernen aus diesem schrecklichen Zivilisationsbruch, den die Vernichtungslager, den Auschwitz, den die Shoah bedeuteten. 80 Jahre später gibt es nicht mehr viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Nun ist es fast an uns und den kommenden Generationen, die Lehren aus der Shoah und dem Zweiten Weltkrieg zu tragen.
Mein Blick auf die heutige Welt, den heutigen Tag, er lässt mich zweifeln, ob wir genug tun, um diese Lehren zu tragen. Ein Hitlergruß, der als merkwürdige Geste bezeichnet wird, antisemitische Gewalttaten an Hochschulen, eine rechtsextreme Jugendkultur, die in meinem Wahlkreis Cottbus – Spree-Neiße viele Pausenhöfe dominiert, Lehrerinnen und Lehrer, die rechtsextreme Umtriebe monieren und dann um ihr Leben und das ihrer Familien fürchten müssen, Bundestagsabgeordnete der extremen Rechten, die die Gräuel der Nazizeit verharmlosen, und Konservative, die fallen – das sind nur kleine Auszüge dessen, was in unserem Land 80 Jahre danach los ist.
Frank-Walter Steinmeier hat 2020 bei einem Besuch in Yad Vashem als erster deutscher Bundespräsident zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gesprochen. Er hat einen Wunsch formuliert, eine Sehnsucht, die ich teile. Er wünschte sich, dass er hätte sagen können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. – Er kann es nicht. Es kann angesichts dessen, was heute in Deutschland passiert, keiner von uns. Das beunruhigt mich zutiefst, und es macht mich noch entschlossener, zu sagen: „Nie wieder!“, und diesem „Nie wieder!“ auch Taten folgen zu lassen. Es gehört zu unser aller Verantwortung, jüdisches Leben zu schützen. Es gehört zu unser aller Verantwortung, entschlossen Antisemitismus entgegenzutreten. Damit meine ich übrigens das Entgegentreten nicht nur hier im Plenarsaal, sondern überall in unserer Gesellschaft.
In diesem Haus gibt es eine große Einigkeit, dass es, um die Lehren aus der Geschichte tragen zu können, immer noch politischer Handlungen und großer Aufmerksamkeit bedarf. Für diese große Aufmerksamkeit und Handlungen brauchen wir vor allem Orte, an denen die Lehren aus der Geschichte unterrichtet und weitergegeben werden: Schulen, Hochschulen und außerschulische Bildungseinrichtungen. Diese Orte und die Menschen, die in ihnen lehren und den Dialog suchen, brauchen unsere volle Unterstützung.
Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marlene Schönberger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe an dieser Stelle schon einmal gesagt, was es konkret braucht, und ich bin dankbar dafür, dass sich vieles davon in diesem fraktionsübergreifenden Antrag wiederfindet. Wir müssen allgemeinbildende Schulen, Berufsschulen und Volkshochschulen mit ihren Unterschieden gleichermaßen im Blick haben. Demokratie muss in den Schulen gelebt werden. Geben wir Schülerinnen und Schülern eine Stimme! Das hilft gegen Radikalisierungstendenzen.
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es gilt, den Dialog mit Expertinnen und Experten, aber auch Betroffenen fortzusetzen und Maßnahmen gegen Antisemitismus zu intensivieren. Antisemitismus ist ein Gift, das es vielleicht immer geben wird. Aber wir können und müssen hier alle den Rücken gerade machen und mit den demokratischen Mehrheiten hier im Parlament und in unserem Land dafür sorgen, dass er nie wieder überhandnimmt und wir eines Tages sagen können: Wir Deutschen, wir haben für immer aus unserer Geschichte gelernt.
Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marlene Schönberger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank, Frau Kollegin Wallstein. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Ria Schröder, FDP-Fraktion.
Beifall bei der FDP)