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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich jüdische Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg oder Studierende auf dem Campus nicht sicher fühlen, ist das unerträglich. Wie jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss Antisemitismus überall tatkräftig zurückgedrängt werden. Wir brauchen in unseren Bildungseinrichtungen wieder mehr Miteinander und Respekt. Alle Schulen und Hochschulen müssen Safe Spaces sein, in denen jede und jeder ohne Angst frei und sicher verschieden sein kann.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Das Grundgesetz gilt für alle und schützt alle, die hierzulande leben. Darin steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Darin steht nicht: „nur die Würde des Mannes, der Heterosexuellen oder Christen“. Wer die Würde jedes Menschen gleichermaßen achtet, ist im besten Sinne Verfassungsschützer. Das ist keine Wokeness, sondern Anstand, und die Achtung fundamentaler Menschenrechte hat unsere Republik und unsere Demokratie stark gemacht.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
In dieser Debatte werden Meinungs-, Versammlungs- und Wissenschaftsfreiheit oft vermischt. Doch keines dieser Grundrechte ist ein Freifahrtschein für antisemitische oder andere extremistische Parolen. Viele Hochschulleitungen zeigen: Proteste und Besetzungen lassen sich im Dialog und mit Diplomatie friedlich beenden. Sie machen von ihrem Hausrecht Gebrauch, unterbinden antisemitische Hetze, stellen den Lehrbetrieb für alle Studierenden wieder her. Studien zeigen: Universitäten sind von Antisemitismus nicht schlimmer betroffen als andere Institutionen und Räume, und Studierende sind seltener antisemitisch als andere gesellschaftliche Gruppen. In unserer polarisierten Gegenwart brauchen wir diese Differenziertheit und weniger Reflexhaftigkeit.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Protest gehört zu einer lebendigen Demokratie, nicht aber organisierte Verrohung oder Radikalisierung. Anstatt Hochschulen als Kampfzonen zu instrumentalisieren, sollten wir sie in ihrer Diskursrolle stärken. Wo, wenn nicht an den Hochschulen, können freies Denken und wissensbasierte, lebendige Streitkultur gelebt werden? Kontroversen sollten konstruktive Lösungen aber nicht vernebeln. Denn so viele, auch hier im Saal, sind sich ja einig: Der Schlüssel zur Bekämpfung von Antisemitismus ist Bildung, Bildung, Bildung. Weil vier von zehn unter 30-jährigen Deutschen nicht wissen, dass im Holocaust 6 Millionen Jüdinnen und Juden ermordet wurden, fordern wir eine Offensive für politische und historische Bildung.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP])
Auch die Forschungslücken in Bezug auf gegenwärtige jüdische Lebenswirklichkeiten sind zu groß. Darum halten wir ein Institut zur jüdischen Gegenwartsforschung für erforderlich.
Unser fraktionsübergreifender Antrag hätte heute einfach nur ein wohltuendes Signal senden können für die Fähigkeit zur Zusammenarbeit unter Demokratinnen und Demokraten. Aber dieser Tag markiert leider auch – auch für mich als Parlamentarier – eine schäbige Zäsur: erst unsere Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus, dann aber ein CDU/CSU-Antrag gegen Geflüchtete, der dank der rechtsextremistischen AfD eine schwarz-braun-gelbe Mehrheit gewann.
Jetzt übertreiben Sie aber ein bisschen! Aber geschenkt! Letzte Rede!)
Und jetzt? Ich frage Sie als Union und jeden einzelnen Ihrer Fraktion sehr ernsthaft: Besteht das gemeinsame Wertefundament unseres Rechtsstaates weiter? Stehen die demokratische Mitte und Mehrheit weiter hinter Minderheiten?
Als Angehöriger einer Minderheit beschäftigt mich das. Viele Menschen in unserem Land haben in diesen Tagen Angst – Angst, dass sie bei einem weiteren Rechtsruck als nicht mehr zugehörig erklärt werden. Viele Gewissheiten bekommen Risse; aber unser Land ist noch nicht gekippt. Kehren Sie daher um! Die Brandmauer lässt sich wieder aufbauen,
Nee! Da liegen Sie völlig daneben!)
und die demokratischen Kräfte können und müssen kompromissfähig bleiben. Mit Neofaschisten paktiert man nicht.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der Linken
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem nächsten Bundestag werde ich auf eigenen Wunsch nicht mehr angehören.
Das ist schon mal eine gute Idee!
Weitere Gegenrufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Fünfmal als MdB gewählt worden zu sein – –
Der beste Teil der Rede bis jetzt!)
– Einfach ignorieren, aber auch nicht als Mehrheitsbringer aufwerten! Mit Neofaschisten paktiert man nicht.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Für mich war es eine große Ehre und ein Privileg, fünfmal gewählt worden zu sein
in die Herzkammer der Demokratie. 20 Jahre mitgestalten zu können, war eine große Ehre. In den letzten drei Jahren als Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gewirkt zu haben, war eine besondere Freude. Wir haben im Ausschuss zusammen viel geschafft – für Chancen für alle, für gleichwertige berufliche und akademische Bildung, starke Forschung, mehr Innovationsfreude und internationale Wissenschaftsfreiheit. In dieser Wahlperiode haben wir öffentlicher, transparenter und dynamischer getagt und haben vielfältigere Expertise zurate gezogen. Doppelminister Cem Özdemir zeigt gerade, mit wie viel Leidenschaft und Achtung vor Wissenschaftsfreiheit das wunderbare BMBF geführt werden kann.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich bedanke mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern meiner Heimatstadt Essen und meines Wahlkreises 120, bei den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und aller demokratischen Fraktionen, bei meinem großartigen MdB-Team, bei meinem Ausschusssekretariat, bei der Bundestagsverwaltung, den Parlamentsdiensten, letztlich bei allen, die dafür Sorge tragen, dass wir hier unseren Job ordentlich machen können. Und ein besonderer Dank geht an meine Familie und Freunde, für die ich jetzt endlich wieder mehr Zeit habe.
Mich freut, mit Fair Play und Teamwork vieles erreicht zu haben, was unser Land gerechter, innovativer und menschlicher macht. Besonders stolz bin ich auf das Startchancen-Programm, unsere BAföG-Reform und die Ehe für alle.
Gleiche Chancen, gleiche Rechte, gleiche Würde – nur das ist fair. Mit diesem meinem Credo als Arbeiterkind aus dem Ruhrpott verabschiede ich mich bei Ihnen und euch. Hören Sie weiter auf die Wissenschaft, wägen Sie klug ab, bleiben Sie neugierig und mutige Verfassungsschützer/-innen. Danke für die Zusammenarbeit! Und passen Sie bitte gut auf unsere parlamentarische Demokratie auf.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der Linken sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Gehring.
Die Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich)
– Ich sehe schon, dass meine Bitten ungehört verhallen.
Nächste Rednerin ist Daniela Ludwig, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)