- Bundestagsanalysen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der Wirtschaftswarntag: Heute haben uns 50 Unternehmensverbände davor gewarnt, dass der wirtschaftliche Zustand dieses Landes im Moment katastrophal ist. Das ist ein riesiges Problem, und das ist etwas, das wir hier sehr, sehr ernst nehmen müssen; denn von der Wirtschaft hängt in diesem Land vieles, wenn nicht alles ab. Zumindest ist ohne ein Wirtschaftswachstum, ohne eine funktionierende Wirtschaft in diesem Land kein Vorankommen möglich. Und deswegen lohnt es sich, darüber zu diskutieren, darüber zu streiten, was die richtige Lösung dafür ist, damit wir mit diesem Land endlich wieder nach vorne kommen.
Beifall bei der FDP)
Was tun wir hier viel zu oft? Wir reden über Details von Wirtschaftspolitik, die in ihren Strukturen vielleicht wichtig sind, was aber die großen Fragen dieses Landes nicht beantwortet. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir jetzt darüber sprechen. Es ist aber vor allem wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes dahin gehend eine Richtungsentscheidung treffen können, zu einer echten Wirtschaftswende zu kommen und dafür zu sorgen, dass die strukturellen Probleme endlich aufgegriffen und gelöst werden.
Zuruf des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
Zum einen braucht es sicherlich eine Debatte darüber, was der Kern des Problems ist. Der Kern des Problems ist – das hat sich in den letzten Jahren gezeigt –, dass der Deal, den es mal zwischen Wirtschaft und Politik, zwischen Staat und Unternehmen gab, geplatzt ist. Wir hatten den Deal: Es gibt günstiges Gas aus Russland, es gibt Wirtschaftswachstum in China, es gibt Sicherheit exportiert aus den USA. All das gibt es heute nicht mehr. Gleichzeitig hatten wir hohe Unternehmensteuern und starkes Wirtschaftswachstum. Wenn der Deal auf der einen Seite, nämlich politisch, aufgelöst wurde, ist doch klar, dass es in der Wirtschaft nicht weitergeht. Und deswegen brauchen wir ein neues Versprechen.
Beifall bei der FDP)
Dabei gibt es jetzt zwei Sichtweisen, wie man die Wirtschaft wieder nach vorne bringen kann. Es gibt die Sichtweise – ihr entspricht der Geist des Jahreswirtschaftsberichts, der hier morgen diskutiert werden wird –, dass der Staat eigentlich gar kein großes Standortproblem hat, sondern vor allen Dingen mehr Geld ausgeben muss.
Nein, der Staat hat ein Politikproblem!)
Der große Diskurspunkt, der dabei immer wieder gesetzt wird, ist, dass der Staat am besten wüsste, was ihn durch Einzelsubventionen, durch Verbote, durch Einzelsteuerung der Wirtschaft jetzt wirklich und endlich wieder nach vorne bringen würde. Als ob das jemals funktioniert hätte, meine Damen und Herren!
Beifall bei der FDP)
Diese Idee hat weder hier noch in irgendeinem anderen Staat jemals funktioniert.
Wir müssen die Debatte endlich auf die andere Seite dieses Lagers bringen, und das ist die Seite derjenigen, die sagen: Der Staat schafft nur den Rahmen. Der Staat trifft aber nicht die wirtschaftliche Entscheidung des einzelnen Unternehmens. Das kann der Staat gar nicht.
Beifall bei der FDP)
Der Staat weiß nicht, welche Technologie die bessere ist. Der Staat kann das auch gar nicht wissen. Und deswegen sollten wir uns darauf konzentrieren, endlich wieder den Standort Deutschland nach vorne zu bringen.
Ich gebe mal ein Beispiel, weil wir hier in diesem Bundestag, wo wir viel miteinander ringen, viel darüber diskutieren, was das Richtige, was das Falsche ist, oft bei den kleinen Lösungen bleiben. Natürlich gehören zum Standort Deutschland günstige Energie, niedrige Steuern, gute Arbeitskräfte, gute Ausbildung, gute Infrastruktur. Aber es geht eben auch um Vertrauen darauf, dass Bürgerinnen und Bürger, dass vor allen Dingen aber auch Unternehmen endlich wieder selbst Verantwortung für sich übernehmen können.
Was ist das größte Misstrauensvotum, das wir einer Unternehmerin, einem Unternehmer geben können? Die Bürokratie! Das ist das Nachfragen zu Einzelzahlen, zu Fakten, zu Berichten. Das ist das, was Unternehmen in Deutschland lähmt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir es schaffen, ob wir je die Kraft haben, nicht nur über einzelne Details zu sprechen, sondern endlich mal darüber zu sprechen, wie wir an die Wurzel des Problems herankommen, wie wir dazu kommen, Bürokratie radikal abzubauen.
Beifall bei der FDP)
Warum schaffen wir denn nicht mal ein bürokratiefreies Jahr? Warum sagen wir nicht mal: „Es gibt ein Jahr lang – bis auf Steuererklärungen – keine Berichte“? Und dann schauen wir uns mal ganz genau an, was von der Bürokratie eigentlich notwendig ist. Dann schauen wir uns mal ganz genau an: Welche Berichte kann man sinnvoll zusammenfassen? Welche muss man überhaupt einbringen? Und warum geben wir den Behörden nicht endlich mal die Chance, sich komplett zu digitalisieren?
Wir sollten eine einheitliche Plattform schaffen, auf der dann das zusammenläuft, was heute jede Unternehmerin, jeden Unternehmer – vom Bäcker bis zum Großkonzern – quält, nämlich diese ganzen Berichte, das ganze Misstrauen, das wir ihnen entgegenbringen, weil wir nicht glauben, dass Kühlketten anständig funktionieren oder Lieferketten sinnvoll aufgestellt sind. Das ist doch das Problem, um dessen Lösung wir ringen. Damit verbunden sind die radikalen Lösungen, die dieses Land endlich braucht. Es braucht nicht das kleinliche Schrauben an einzelnen Maßnahmen; vielmehr geht es darum, wirklich mal zu überlegen, an welcher Stelle wir ansetzen können.
Beifall bei der FDP)
Weil dies voraussichtlich – zumindest für eine Zeit, egal wie die Wahl ausgeht – meine letzte Rede in diesem Bundestag sein wird: Ich glaube, dass wir uns in diesen Reihen manchmal zu sehr auf das Klein-Klein
Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und ein bisschen zu wenig auf die großen Linien fokussieren. Manchmal ringen wir ein bisschen zu wenig darum, was man in den Diskussionen wirklich nach vorne bringen kann, und ganz oft streiten wir zu viel über Details. Ich glaube, wir haben eine Verantwortung, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes das Gefühl zu vermitteln, dass die großen Probleme hier angegangen werden.
Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich hoffe, das wird in den nächsten Jahren passieren, auch wenn Sie, Frau Künast, ganz viel reinschreien.
Vielen Dank.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist Sebastian Roloff für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)