Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Seit der Tat von Aschaffenburg ist unser Land tief geschockt und in tiefer Trauer. Man kann sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen; das sage ich auch als Mutter eines zweijährigen Kindes. Deshalb möchte ich erst mal den Familien mein herzliches Beileid aussprechen: der Familie des Jungen, der ermordet worden ist, und der Familie des heldenhaften Mannes, der versucht hat, die Kinder zu schützen. Dabei gilt es auch zu erwähnen, dass der Junge, der ermordet worden ist, marokkanische Wurzeln hatte und dass das verletzte Mädchen syrische hat. Wenn wir an die Eltern und an die Familien denken, dann müssen wir doch auch daran denken, wie sie sich bei dieser Debatte, die wir hier jetzt führen, fühlen müssen. Wir reden über Migration als Problem, und gleichzeitig haben Kinder mit Migrationshintergrund gerade diesen Angriff erlebt bzw. wurden ermordet. Das dürfen wir nicht in einen Topf werfen. Das wird den Opfern nicht gerecht, das wird den Angehörigen nicht gerecht, das wird der Schwere dieser Tat nicht gerecht. Das spaltet unser Land, und das instrumentalisiert auch diese schreckliche Tat. Das dürfen wir nicht zulassen. Und ich bin sehr froh, dass die Zivilgesellschaft und die Kirchen sich hier so klar positioniert haben. Als Richterin und als sozialdemokratische Abgeordnete sage ich aber auch ganz, ganz klar: Es gilt, Straftaten zu verhindern. Es gilt, richtig aufzuklären. Es gilt, konsequent hart zu bestrafen. Es gilt, Recht durchzusetzen. Regeln, die bestehen, müssen angewendet werden. Jegliche Vollzugsfehler müssen aufgeklärt werden. Und ja, da, wo es Lücken im Strafrecht gibt, müssen sie auch geschlossen werden. – Wir sind dazu bereit. Wir sind dazu auch gesprächsbereit. Aber wir können nicht mit neuen Vorschlägen reagieren, die gegen Recht verstoßen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen uns selbst an unser Recht halten. Wir müssen uns an das Europarecht halten. Der Fünf-Punkte-Plan der Union tut das eben nicht. Und wenn Sie, Herr Dobrindt, sagen, es sei kein Tabubruch, das Richtige zu tun: Es ist eben nicht das Richtige, wenn man mit den eigenen Vorschlägen gegen Europarecht, gegen das Grundgesetz, gegen höherrangiges Recht verstößt. Und es ist auch nicht das Richtige, etwas mit denjenigen beschließen zu wollen, die immer wieder gegen diese Regeln, gegen das Grundgesetz und gegen die Würde des Menschen eintreten, auftreten und hetzen. Es wurde mehrfach in der Debatte gesagt: Die fünf Punkte können nicht umgesetzt werden, und sie würden auch nicht mehr Sicherheit schaffen. Wir können nicht an den Grenzen zurückweisen. Es gibt dafür ein europäisches System, ein geordnetes Verfahren. – Ja, das muss reformiert werden. Das machen wir auch mit GEAS. Aber wir müssen dann doch das Recht ändern und nicht gegen das Recht verstoßen. Und Sie, Herr Merz, als Vorsitzender der CDU, als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, als einer, der in seinen Ämtern in den Fußstapfen von Konrad Adenauer und von Helmut Kohl steht, zwei großen Europäern, können doch nicht die Sicherheit in Europa und den Zusammenhalt in Europa durch Ihr Handeln so gefährden. Denn wenn wir uns nicht mehr an europäisches Recht halten, dann tun es alle anderen auch nicht mehr, und dann gefährdet das auch die Sicherheit unseres Landes. Das ist auch als CDU-Vorsitzender nicht richtig. Die Europäische Union hat uns Sicherheit und Einigkeit gebracht. Das ist an keinem Tag so deutlich wie am heutigen, nach der Gedenkstunde, die wir eben hatten. Nach dem Gedenken an die Shoah. An welchem Tag ist es deutlicher, dass Demokraten für Recht und Rechtsstaatlichkeit eintreten müssen? An welchem Tag ist es deutlicher, dass Demokraten bereit sein müssen, mit Demokraten Kompromisse einzugehen, statt zu sagen: „Es ist das oder nichts anderes“? An welchem Tag ist es deutlicher, dass Demokraten mit Demokraten stimmen müssen, weil sie sonst diejenigen, die unsere Demokratie kaputtmachen, normalisieren? Wir streiten für einen gut ausgestatteten Rechtsstaat. Wir wollen ihn stärken. Wir wollen bessere Regeln schaffen. Aber wir wollen das auf der Grundlage des Rechts und des Rechtsstaates, wie wir ihn haben. Vielen Dank.