Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tat von Aschaffenburg war grausam und abscheulich. Unser tiefstes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Betroffenen. Aber nur wenige Stunden nach der Tat sprachen Sie, Herr Scholz, von Terror, ohne die Hintergründe zu kennen. Warum betreiben Sie das Geschäft der AfD, statt in dieser schweren Situation zu versuchen, den Menschen ihre Ängste zu nehmen? Und warum schwingen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, immer Reden gegen Rechtsextremismus, aber lassen sich genau von diesen Rechtsextremisten hier im Bundestag treiben? In den letzten Jahren haben Sie eine Asylrechtsverschärfung nach der nächsten durchgewunken. Der Höhepunkt ist jetzt GEAS. Damit können selbst Kinder an den EU-Außengrenzen in Haftlager gesperrt werden. Bezahlkarte, Leistungskürzung, Schikane: Denken Sie wirklich, gegen die AfD hilft AfD-Politik? Die steht aktuell bei 20 Prozent. Da müssen doch selbst Sie begreifen, dass Ihre Taktik gescheitert ist. Aber gut, Sie wetteifern ja gerade vor allem darum, wer am Ende Friedrich Merz dann doch zum Kanzler wählen darf. Herr Merz plakatiert gerade überall im Land: „Recht und Ordnung wieder durchsetzen“. Recht! Gleichzeitig schmeißen Sie uns hier Anträge vor die Füße, die gegen EU-Recht, gegen die Verfassung, gegen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte oder die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Das ist Ihre Politik! Ihre Vorschläge sind nicht nur rechtlich hochproblematisch und menschlich wirklich erbärmlich; sie sind schlicht auch nicht umsetzbar. Das sage ich gar nicht mal als Linke; das sagt die Gewerkschaft der Polizei selbst. Die ganzen Behörden brauchen nicht noch mehr Befugnisse, sie brauchen eine bessere Vernetzung und Ausstattung. Darüber müssen wir doch reden. Keiner Ihrer 27 Punkte spricht von Prävention. Doch nur so können weitere Taten wirklich verhindert werden. Es braucht dringend eine bessere psychosoziale Betreuung für alle Menschen in diesem Land und mehr Integrationsangebote für Geflüchtete, vor allem auch durch Arbeit. Das fordern Migrationsforscher/-innen, Juristinnen und Juristen und Sicherheitsexpertinnen und -experten. Die beklagen nämlich, dass in der Politik die ganze Zeit Scheindebatten geführt werden, die am Kern des Problems vorbeigehen. Warum hören Sie denen nicht mal zu? Ihre Vorschläge werden nämlich rein gar nichts an der Sicherheitslage in Deutschland verändern – außer für Migrantinnen und Migranten; für die wird es immer unsicherer. Die haben Angst vor der Stimmung im Land, vor zunehmenden Angriffen. Und genau diese Menschen wollen Sie jetzt zu Menschen zweiter Klasse machen und drohen ihnen mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft. Sie wollen nach Afghanistan und Syrien abschieben. Warum wollen Sie die junge Mutter bestrafen, die vor den Taliban fliehen musste, warum die Familie aus Syrien, die vor Assads Folterschergen flüchtete? Herr Merz, auch wenn Sie jetzt nicht da sind, frage ich mich: Wohin treiben Sie die Union, und wo, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, die Sie hier alle frenetisch applaudiert haben, ist der Aufstand der Anständigen in Ihren Reihen? Denkt irgendjemand von Ihnen noch an Walter Lübcke? Sagt Ihnen der Name noch was? Für die Hoffnung auf ein paar Prozentpunkte mehr planen Sie, Herr Merz, einen Pakt mit der AfD. Sie alle setzen den Hammer an die gesellschaftliche Brandmauer. Aber eins sage ich Ihnen: Die werden Sie nicht zu Fall bringen – ich komme zum Schluss –; denn die Brandmauer in diesem Land, das sind wir: wir alle, die sich nicht am Montag hinstellen und sagen, dass Auschwitz nie wieder sein darf, nur um zwei Tage später denen die Hand zu reichen, die die Erben dieser Ideologie sind; wir alle, die immer wieder aufstehen und laut und deutlich sagen: „Menschenrechte sind unteilbar“; – – und wir alle, die diese Demokratie verteidigen werden gegen die AfD und im Notfall auch gegen Sie.