Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute hier im Hohen Hause der Opfer des Holocaust gedacht. Wir haben am Montag – viele waren mit dabei – im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz am Gedenken teilgenommen. Der Name „Auschwitz“ steht dabei für die Verantwortung, die jeder von uns hat, nämlich dafür zu sorgen, dass sich so etwas niemals wiederholt. Wir müssen aber leider feststellen: Für „Wehret den Anfängen!“ ist es schon zu spät. Antisemitismus, Antiziganismus und Menschenfeindlichkeit in jeder Form zeigen sich mittlerweile wieder in absoluter Schamlosigkeit. Nie war in der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit so viel Schutz für jüdische Gemeinden notwendig wie heute, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist eine Schande für unser Land. Und ich komme auch nicht umhin, an dieser Stelle zu sagen, dass ich hier mit einigermaßen Unbehagen stehe, nachdem wir gemeinsam hier die Gedenkstunde abgehalten haben und uns jetzt, zu diesem Zeitpunkt, in dieser Debatte über dieses Thema und mit diesen Ausführungen befinden. Denn diese Debatte hat ja bereits einen gesellschaftlichen Eindruck erzeugt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen und wir können gemeinsam verhindern, dass die Feinde der Demokratie noch mehr Sitze in diesem Parlament erlangen. Und wir können und wir müssen auch verhindern, dass die Feinde der Demokratie Macht in unserem Staat bekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit „wir“ meine ich die vernünftige, demokratische Mitte in diesem Land. Und darin besteht, wie ich finde, das Hauptrisiko des politischen Harakiris, das wir gerade hier erleben. Denn die Union spaltet exakt diese politische Mitte, und das, wie wir hören müssen, zum Jubel von rechts außen. Das kann keine kluge Politik für Deutschland sein. Und ich fürchte, es wird sich rächen. Ich fürchte, es wird sich nicht nur für die Union rechnen – – rächen, sondern es wird sich für alle Demokraten in Deutschland rächen. Es wird sich für unsere Gesellschaft rächen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dabei wäre es anders möglich. Es wäre auch mit Blick auf meine Kolleginnen und Kollegen in der Ministerpräsidentenkonferenz anders möglich. Wir haben schon oft unter Beweis gestellt – auch bei unterschiedlichen Meinungen, die wir hatten –, dass es im Kreise der Regierungschefs – der CDU, der SPD, der CSU, der Grünen und vor Kurzem noch der Linkspartei – möglich war, gemeinsam weitreichende Beschlüsse, auch zur Migrationspolitik, zu fassen. Im Kreise der SPD-Ministerpräsidenten haben wir auch in einem Brief noch einmal deutlich gemacht, dass die ausgestreckte Hand der Vergangenheit auch in Zukunft ausgestreckt bleibt. Wir sind dazu bereit, im Kreise der demokratischen Mitte nach Mehrheiten zu suchen und das zu tun, was unser Arbeiten in der Politik ausmacht, nämlich auf Kompromisse einzugehen, ohne dass man auf die Falschen setzt, um sich Mehrheiten in diesem Land zu beschaffen. Nach der furchtbaren Tat von Solingen hat die Bundesregierung ein Sicherheitspaket auf den Weg gebracht. Und niemand bestreitet, dass das sinnvolle Maßnahmen sind; trotzdem wurden sie von der Union im Bundesrat blockiert: nicht nur das Sicherheitspaket, auch andere, ich nenne die Stichworte „GEAS-Reform“, „Begrenzung der irregulären Migration“, „Bundespolizeigesetz“. Gerade nach der weiteren abscheulichen Tat in Aschaffenburg ist mir deshalb wichtig, zu sagen: Es gab und es gibt die Möglichkeit, durch tatsächlich entscheidungsreife Gesetzentwürfe substanzielle Verbesserungen mit Stimmen der gesellschaftlichen Mitte auf den Weg zu bringen. Die Union hat das nicht gewollt. Sie will es nicht. Stattdessen setzt sie auf die Gefahr von Stimmen aus der AfD, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich stelle mir darüber hinaus die Frage, in Richtung Union blickend: Wie wollen Sie eigentlich in Ihrer Partei, in den Ländern, in den Kommunen noch die Brandmauer halten, wenn Sie sie höchstselbst hier im Bundestag niedergerissen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren? Insofern geht es bei den Abstimmungen am heutigen Tag und auch bei dem, was am Freitag ansteht, nicht nur um einen Tabubruch in diesem Hause, sondern es ist, wie ich fürchte, auch ein Dammbruch zulasten der gesamten Demokratie in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mindestens genauso schwer wiegt dabei, dass mit den Forderungen, die im Raum stehen und diskutiert worden sind, Erwartungen geschürt werden, die niemand in der Lage ist zu erfüllen – auch nicht Herr Merz, auch nicht die Union –, weil sie eben gegen die Verfassung verstoßen. Sie haben eben nicht Vorschläge vorgelegt, wie das Recht geändert werden kann, damit dieser Verstoß nicht zum Tragen kommt. Ich sage es bezogen auf einen Punkt, der politisch zu bewerten ist: Ausgerechnet im 40. Jahr des Schengener Abkommens wollen Sie die Grenzen schließen. Die Schlagbäume sollen runtergehen. Sie werden damit quasi mit einem Federstreich die Europapartei CDU zur Geschichte machen. Will man sich wirklich von diesen Grundwerten, auch den Grundwerten Ihrer Partei, an dieser Stelle auf diesem Weg verabschieden, meine sehr verehrten Damen und Herren? Und es ist gefragt worden: Was sagt Europa dazu? Ich kann es Ihnen sagen. Ich habe mit dem Luxemburger Premierminister zusammengesessen – Ihr Parteifreund –, und er hat sehr, sehr, sehr geschimpft auf das, was jetzt schon stattfindet; und das, was geplant ist, würde er mit eigenen Worten entsprechend belegen; Sie können es gern in der Presse nachlesen. Zehntausende Pendler sind unterwegs, nicht nur im Saarland und der Großregion, auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei uns ist ein Riesenanteil des Einzelhandels davon abhängig, dass die Französinnen und Franzosen ungehindert zu uns kommen können. Ihre Grenzschließungspläne sind eine Gefahr für unsere Wirtschaft und die Arbeitsplätze der Saarländerinnen und Saarländer und noch deutlich darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen an einem historischen Scheideweg. Wie tief unsere Gesellschaft von den Vorgängen hier getroffen ist, das zeigt der Appell der Kirchen, der evangelischen und der katholischen. Er zeigt, dass es hier eben nicht um ein übliches, im Wahlkampf gelegentlich auch mal so stattfindendes Parteiengezänk geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern um eine sehr, sehr grundsätzliche Frage unserer Gesellschaft. Hören wir den beispiellosen Ruf der Kirchen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen dafür sorgen, dass wir unserer historischen Verantwortung gerecht werden. Rechts darf niemals die Macht in unserem Land erhalten. In diesem Sinne: Herzlichen Dank und Glück auf!