und in Kauf zu nehmen, dass Sie erstmals mit der AfD gemeinsame Sache machen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein bedeutender Tag im Parlament. Ich will für mich persönlich sagen: ein Tag, der aufwühlt. Wir haben heute Mittag an die schrecklichen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und des Naziregimes erinnert und der Opfer des Holocausts gedacht. Wir haben heute Nachmittag die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum brutalen und feigen Mord am zweijährigen Yannis in Aschaffenburg gehört – ein Mord, der uns alle erschüttert hat. Wenn ich in der aufgewühlten Situation eine Bitte an alle demokratischen Parteien formulieren darf: Wir sollten uns nicht gegenseitig unterstellen, dass uns diese Tat nicht bis heute aufwühlt, erschüttert und tief betroffen macht. Dieser Mord muss zu ernsthaften Konsequenzen führen. Es muss schnell aufgeklärt werden, wo und wieso Behörden versagt haben. Ich will aber für uns, für mich hier deutlich formulieren: Ich hätte mir gewünscht, dass die Debatte heute im Parlament ein Moment des Zusammenrückens wird. – Ehrlicherweise spricht die Reaktion von Union und AfD Bände. Viele Menschen in diesem Land wünschen sich, dass die demokratische Mitte zusammenhält. Viele Menschen in diesem Land wünschen sich Stabilität und eine starke demokratische Mitte, sie wünschen sich, dass die demokratischen Parteien zusammen Lösungen finden, auch wenn es herausfordernde Zeiten sind, auch wenn Wahlkampf ist. Das ist doch der Wunsch der Menschen in diesem Land: ein kraftvolles Signal, dass wir uns als demokratische Mitte nicht spalten lassen. Herr Merz, um es klar zu benennen: Es ist Ihre bewusste Entscheidung, heute, an diesem Tag, die demokratische Mitte hier im Parlament zu spalten Das, was Sie heute und am Freitag vorhaben, ist eine tektonische Veränderung des Miteinanders hier im Parlament. Das ist eine massive Veränderung der politischen Landschaft. Sie persönlich, Herr Merz, tragen dafür Verantwortung, was heute und am Freitag passiert. Ich sage Ihnen: Sie begehen einen historischen Fehler. Sie brechen mit der Politik von Helmut Kohl und Angela Merkel. Ich sage Ihnen auch: Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, ist kein Zeichen von Stärke. Das ist Schwäche. Stärke wäre gewesen, ernsthaft nach einem demokratischen Miteinander zu suchen, Mehrheiten zu suchen, Erklärungen und Kompromisse zu finden hier im Parlament. Aber – um mit allen Legenden aufzuräumen, die ich in den letzten Tagen hören musste – die Union hat die Gespräche abgebrochen. Die Union ist vom Tisch aufgestanden. Die Union hat Entscheidungen blockiert. Die Union hat nicht die Kraft gehabt, hier gemeinsame Kompromisse zu finden. Und – das will ich sagen – das gilt auch für die Anträge heute und den Gesetzentwurf am Freitag: kein Anruf, kein Versuch, etwas zusammen hinzubekommen. Es gab eine Pressekonferenz mit starken Worten und eine E-Mail, aber keinen Versuch. Stattdessen das Signal an die AfD: Notfalls machen wir es mit euch. – Das ist nicht konservativ. Das ist nicht bürgerlich. Das ist unanständig, Herr Merz, was Sie hier in diesen Tagen aufführen. Es gab zwischen den Fraktionen der Mitte die Absprache, dass nur noch Anträge durch dieses Parlament gehen, die in der demokratischen Mitte hier im Parlament eine Mehrheit haben. Sie brechen hier Wort, und Sie stoßen die Tür zur AfD auf. Und, Herr Merz: Wer in diesem Land soll Ihnen künftig eigentlich noch glauben, wenn Sie sich hart von der AfD abgrenzen? Wer soll Ihnen noch glauben? Wollen Sie wirklich als der CDU-Vorsitzende in die Geschichtsbücher eingehen, der in der deutschen Nachkriegsgeschichte der erste ist, der die Türen zur AfD aufstößt, zu einer Partei, in der Höcke, Weidel, Krah und andere Rechtsextreme das Sagen haben? Mit denen wollen Sie ab heute Politik machen? Herr Merz, stoppen Sie diesen Weg. Es ist nicht zu spät. Und dann: Zur Sache muss man ja auch sagen, Sie legen hier Vorschläge auf den Tisch, die rechtswidrig sind – gegen das Grundgesetz, gegen das Europarecht, gegen das Völkerrecht. Was ist denn unsere Freiheit, unsere Demokratie wert, wenn wir uns nicht an diese Grundsätze halten? Sie sind bereit, mit Ihren Anträgen zentrale Grundsätze unseres Landes über den Haufen zu werfen, um vielleicht ein paar Prozentpunkte mehr bei der Bundestagswahl zu bekommen. Das sind doch Grundsätze, die wir seit 1949 hier zusammen hochhalten. Und ich frage Sie: Ist es das wirklich wert? Und diese Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, richte ich an alle in der Union. Ich kenne viele von Ihnen aus den letzten Jahren und aus der Zusammenarbeit. Ich kenne viele, und ich schätze viele. Und ich weiß, da sind ordentliche Konservative, die nichts gemein haben wollen mit den Rechtsextremen hier im Parlament. Aber Sie sagen kein Wort. Sie sitzen da und schweigen und nehmen das alles hin. Und gucken Sie doch, wer sich alles äußert. Die Kirchen, die Gewerkschaften, die Zivilgesellschaft. Unternehmerinnen und Unternehmer sagen: Hört auf, mit dem Feuer zu spielen. – Daniel Günther hat heute im Parlament in Schleswig-Holstein dafür geworben, dass es eine Mehrheit, ein Bündnis der Demokratinnen und Demokraten gibt, dass nicht mit der AfD zusammengearbeitet wird. Das ist doch die Wahrheit. Hören Sie auf diese Leute, die an Sie als Bundestagsfraktion appellieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine verständliche Wut über die brutalen Morde und die Gewalttaten. Wir brauchen konsequente Antworten; ich bin da klar. Wir haben Vorschläge auf den Tisch gelegt. Ich sage hier aber auch in aller Deutlichkeit: Diese Wut darf nicht zur Enthemmung und zur Radikalisierung führen. Es geht um Recht und Ordnung, und ich hoffe, wir sind uns da einig. Wir haben in der Migrationspolitik vieles verändert. Die Zahlen gehen runter. Die Rückführungen werden mehr. Wir haben die Kontrollen an den Grenzen. Und ich bin hier auch sehr klar: Die nächste Regierung muss weitere Schritte gehen. Es mag ja so sein, dass „Ausländer raus!“ oder „Keine Ausländer mehr rein!“ gerade wieder salonfähig in Deutschland wird und einige, die hier sitzen, versuchen, damit Wahlen zu gewinnen. Aber für die SPD sage ich als Vorsitzender sehr klar: Wir werden die Probleme dieses Landes lösen. Aber Feindseligkeiten gegenüber Menschen, die in dieses Land gekommen sind, die ihre neue Heimat hier gefunden haben, die unsere neuen Nachbarn, unsere Freunde, unsere Arbeitskollegen, unsere Kumpels im Fußballverein geworden sind, werden wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht zulassen. Ein letzter Satz. Auch diese Menschen gucken heute auf das, was hier im Parlament passiert, ob es den Tabubruch gibt und erstmals mit einer ausländerfeindlichen Partei Mehrheiten gefunden werden. Dieser Weg ist falsch. Und ich fordere die Union auf: Kehren Sie um! Lassen Sie ab von diesem Weg! Herr Merz, ein persönlicher Hinweis: Bedenken Sie das Ende! Vielen Dank.