Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie auch mir eine Vorbemerkung zu der Gedenkstunde, die wir heute über die Mittagszeit hatten, und eine Erinnerung an die Rede von Roman Schwarzman, die uns ja alle sehr bewegt hat. Ich will es einfach an die Adresse dieser Fraktion hier rechts sagen und an Ihre, Herr Gauland: Das war Ihr Fliegenschiss, von dem Sie vor Jahr und Tag gesprochen haben. Meine Damen und Herren, vier Tage vor dem letzten Weihnachtsfest rast ein seit Jahren behördenbekannter Mann aus Saudi-Arabien mit einem geliehenen Auto durch einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg und tötet dabei sechs Menschen. Über 300 werden zum Teil schwer verletzt. Viele von den verletzten Kindern, Heranwachsenden, Männern und Frauen jeden Alters werden nie wieder ein uneingeschränkt normales Leben führen können. Und heute vor einer Woche werden ein kleines Kind aus einer Kindergartengruppe und ein zufällig anwesender Mann, der den Kindern helfen wollte, von einem ebenfalls behördenbekannten Afghanen erstochen. Ein weiteres Kind und ein weiterer Mann, der gleichfalls zu Hilfe geeilt war, erleiden durch den Angreifer schwere Verletzungen. Wir haben auch hier im Deutschen Bundestag den Opfern und ihren Angehörigen unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme ausgedrückt. Ich will es sehr deutlich sagen: Wenn unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme wirklich ernst gemeint sein sollen, wenn Mitgefühl und Anteilnahme nach solchen Anschlägen nicht immer mehr zum politischen Ritual verkommen sollen, dann müssen spätestens nach Magdeburg und nach Aschaffenburg jetzt endlich wirksame Entscheidungen gegen den Zustrom illegaler Flüchtlinge nach Deutschland und gegen den illegalen Aufenthalt der Flüchtlinge in Deutschland getroffen werden. Wir haben in Deutschland ein massives Problem mit der Ausländerkriminalität, vor allem unter den Asylbewerbern. Dieser Hinweis auf die Asylbewerber ist mir besonders wichtig, meine Damen und Herren. Denn wir haben zugleich eine große Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland zum Teil seit Jahrzehnten leben, in zweiter, dritter und vierter Generation. Diese Menschen sind Teil unseres Landes. Es sind Menschen, die Deutsche sind, die mit uns leben und arbeiten, die Familien haben und ohne die unser Land einfach nicht bestehen könnte. Es sind Menschen, die einen Anspruch darauf haben, dass sie nicht in einem Atemzug mit den straffälligen Asylbewerbern genannt werden. Es sind Menschen, die sich zum Teil sogar für eine sehr viel härtere Asyl- und Einwanderungspolitik einsetzen, weil sie vielleicht noch klarer sehen, welche Probleme wir in unserem Land haben, weil sie selbst mittlerweile zur Zielscheibe des Hasses und der Gewalt werden, eines Hasses und einer Gewalt, die vor allem aus rechtsradikalen Kreisen geschürt wird, die mit der AfD auch hier im Deutschen Bundestag mittlerweile ihren Platz eingenommen haben. Herr Bundeskanzler, Sie geben heute nun bereits zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit eine Regierungserklärung ab zu den tödlichen Angriffen der letzten Monate. Sie haben, wie wir das von Ihnen kennen, in großen Worten gelobt, was Sie alles in den letzten Jahren getan haben, und haben die ungelösten Probleme ganz überwiegend bei einem Vollzugsdefizit der Länderbehörden gesehen. Herr Bundeskanzler, der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat heute Morgen letztmalig – nicht zum ersten Mal, aber heute Morgen erneut – im Innenausschuss des Deutschen Bundestages eine Überlastungsanzeige abgegeben, von einem Amt, dem Sie in Ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 10 Prozent der Mittel kürzen wollten. Glauben Sie im Ernst, dass wir ein Vollzugsdefizit haben, und alles andere, was Sie bis jetzt gemacht haben, ist in Ordnung? Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen. Sie haben mit den Ministerpräsidenten mehrfach getagt, intensiv beraten, einvernehmliche Vorschläge gemacht. Darunter war die Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte für die Asylbewerber. Diese Verabredung steht bis zum heutigen Tag nicht im Asylbewerberleistungsgesetz. Einige Länder haben sie für sich eingeführt, zum Beispiel der von Ihnen hier so kritisierte Freistaat Bayern. In Bayern organisieren die Grünen den systematischen Missbrauch dieser Karte, indem sie Warengutscheine einkaufen lassen und diese Warengutscheine in den Kreisgeschäftsstellen der Grünen gegen Bargeld eintauschen, meine Damen und Herren. Das ist der Erfolg Ihrer Politik mit den Ministerpräsidenten in Deutschland. Sie beklagen, dass die Länder Ihnen bisher die Zustimmung für ein Sicherheitspaket im letzten Jahr nicht gegeben haben. Herr Bundeskanzler, dieses Sicherheitspaket kam schon ohnehin abgespeckt aus dem Deutschen Bundestag heraus, weil Sie in Ihren eigenen Fraktionen nicht durchsetzen konnten, was Sie vorher im Kabinett beschlossen haben. Jetzt haben Sie im Bundesrat noch nicht einmal den Vermittlungsausschuss angerufen, weil Sie befürchten, dass ein verbessertes Ergebnis aus dem Vermittlungsausschuss erneut die Zustimmung Ihrer Fraktionen, vor allen Dingen der Sozialdemokraten und der Grünen, nicht finden wird. Herr Bundeskanzler, es ist zu einfach – um nicht zu sagen: sehr billig –, hier den Vollzug bei den Behörden als das eigentliche Problem anzusehen. Nun unterstellen Sie mir, ich machte hier rechtswidrige Vorschläge. Das ist ein ernstzunehmender Vorwurf, und ich nehme diesen Vorwurf ernst. Bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich Ihnen aber auch noch einen Satz sagen. Hier zu beklagen, dass die Rechtslage so sei, wie sie ist, ist doch nicht die Aufgabe des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind doch nicht der oberste Notar dieser Republik, Sie sind der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Und wenn die Gesetze nicht ausreichend sind, dann müssen Sie Vorschläge machen, die Gesetze zu ändern, und doch nicht erklären, was alles mit den bestehenden Gesetzen angeblich nicht geht. Unser wichtigster Vorschlag, mein wichtigster Vorschlag ist, jetzt endlich Grenzkontrollen dauerhaft durchzuführen und Zurückweisungen zu ermöglichen. Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag ist, nachdem die gesamte europäische Einwanderungs- und Asylpolitik dysfunktional geworden ist – und sie ist dysfunktional –, ein Vorschlag, der schon nach einfachem europäischen Recht zulässig ist. Ich stelle Ihnen mal die Frage: Was machen Dänemark, Schweden, Finnland, Italien, die Niederlande, viele andere Länder in der Europäischen Union denn anders, als ich es hier vorschlage? Diese Länder sind in derselben Europäischen Union wie wir. Nun zur Inanspruchnahme des Artikels 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Professor Hans-Jürgen Papier, und mehrere ehemalige Richter des deutschen Bundesverfassungsgerichtes sagen Ihnen: Die Anwendung dieses Artikels ist nicht nur möglich, sie ist geboten. Dieser Artikel eröffnet dem nationalen Recht den Vorrang bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Und jetzt will ich Sie einmal fragen: Was muss eigentlich in Deutschland noch passieren? Wie viele Menschen müssen noch ermordet werden? Wie viele Kinder müssen noch Opfer solcher Gewalttaten werden, bevor Sie auch der Meinung sind, dass es sich hier um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt? Was muss eigentlich noch geschehen? Im Übrigen: Ihr Hinweis auf das deutsche Asylrecht trifft mittlerweile nur noch auf weniger als 3 Prozent der Asylbewerber zu. Zu Ihrer Erinnerung: Im Jahr 1993 ist das Grundgesetz – einvernehmlich zwischen den Sozialdemokraten und meiner Fraktion – geändert worden, und zwar mit einer Bestimmung genau in Artikel 16a Absatz 2 des Grundgesetzes, der seitdem ausdrücklich regelt, dass diejenigen, die aus einem Mitgliedsland der Europäischen Union kommen oder aus einem Land, in dem die Europäische Menschenrechtskonvention gilt, keinen Anspruch haben, das deutsche Grundrecht auf Asyl in Anspruch zu nehmen. Das trifft für alle zu, die auf dem Landweg nach Deutschland kommen, für ausnahmslos alle, meine Damen und Herren. Wo liegt in dem, was ich Ihnen hier vorschlage, der Verstoß gegen das deutsche Grundrecht auf Asyl? Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige wenige Bemerkungen zu unserem Gesetzentwurf machen, der hier am Freitag zur Abstimmung stehen wird. Dieser Gesetzentwurf wird seit September im Deutschen Bundestag beraten. Das ist nichts, was wir Ihnen plötzlich und über Nacht vorgelegt haben. Es ist ein Gesetzentwurf, den wir nach den Anschlägen in Solingen in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Sie haben diesen Gesetzentwurf mit Ihrer damals noch bestehenden Mehrheit am Tag des Auseinanderbrechens der Koalition, am 6. November 2024, im Innenausschuss mehrheitlich abgelehnt. Jetzt will ich Ihnen kurz sagen, was in diesem Gesetzentwurf steht, der am Freitag dieser Woche in zweiter und dritter Lesung zur Abstimmung steht. Es stehen drei Punkte darin: erstens die Wiederaufnahme des Begriffs „Begrenzung“ als Zweck des Aufenthaltsgesetzes; zweitens die Beendigung des Familiennachzuges nur für diejenigen, denen subsidiär Schutz gewährt wird, also für diejenigen, die kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, und drittens eine Erweiterung der Kompetenzen der Bundespolizei, damit diese mit eigenen Zuständigkeiten für aufenthaltsbeendende Maßnahmen sorgen kann. Jetzt stelle ich Ihnen mal die Frage: Was ist daran europarechtswidrig? Was ist daran verfassungswidrig? Und was hält Sie davon ab, diesen drei Vorschlägen am Freitag hier im Deutschen Bundestag zuzustimmen? Was hält Sie davon ab? Wenn Sie diesen Vorschlägen nicht zustimmen, meine Damen und Herren – Sozialdemokraten, Grüne, FDP –, dann dokumentieren Sie am Freitag endgültig, dass Sie eine Änderung des Zustroms in die Bundesrepublik Deutschland in Wahrheit nicht wollen. Das ist dann das Ergebnis, das wir am Freitag von Ihnen bekommen. Und jetzt erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, dass ich zum Abschluss noch etwas sehr Persönliches sage. Ich habe das, was ich Ihnen jetzt sage, nach meiner Erinnerung in den über 18 Jahren, die ich diesem Parlament angehöre, von dieser Stelle aus noch nie getan; aber ich sage es Ihnen heute: Ich kann es spätestens nach dem furchtbaren Anschlag in Magdeburg und den tödlichen Messerangriffen in Aschaffenburg persönlich, aber auch als Vorsitzender dieser Bundestagsfraktion mit meinem Gewissen einfach nicht mehr vereinbaren. – Vielen Dank für diese Zurufe. Wenn bei dem Wort „Gewissen“ solche Reaktionen Ihrerseits erfolgen, dann weiß man, was das Wort „Respekt“ in Ihrer Fraktion und in Ihrer Partei wirklich bedeutet. Ich wiederhole: Ich kann es mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, dass angeblich formale Absprachen mit Ihnen, der SPD und den Grünen, nach dem Auseinanderbrechen der Ampelregierung dazu führen sollen, dass wir hier im Deutschen Bundestag nur die Entscheidungen zur Abstimmung bringen dürfen, die vorher Ihre Zustimmung gefunden haben. Nein, meine Damen und Herren, ich sage Ihnen genau das aus genau diesem Grund: Wir sind es den Menschen in unserem Land und nicht zuletzt den Opfern der Gewalttaten der letzten Monate einfach schuldig, jetzt wirklich jeden Versuch zu unternehmen, die illegale Migration zu begrenzen, die ausreisepflichtigen Asylbewerber in Gewahrsam zu nehmen und endlich abzuschieben, meine Damen und Herren. Wir sind es den Menschen schuldig. Ich bedauere, Herr Bundeskanzler, dass alle Versuche, mit Ihrer Koalition hier zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, in den letzten drei Jahren gescheitert sind. Es liegt in dieser Woche daher letztmalig in dieser Wahlperiode allein bei Ihnen, den Sozialdemokraten und den Grünen, ob es für unsere Vorschläge in der Mitte des Deutschen Bundestages noch eine parlamentarische Mehrheit gibt oder nicht. Es ist Ihre Entscheidung, meine Damen und Herren. Wir haben – das sollte klar werden – mit der AfD im Deutschen Bundestag keine Mehrheit. Wir haben sie nicht. Es müssen schon andere dazukommen. Es kann sein, dass die AfD hier im Deutschen Bundestag am Freitag erstmalig die Mehrheit für ein notwendiges Gesetz ermöglicht. Die Bilder, die wir gegebenenfalls von jubelnden und feixenden AfD-Abgeordneten sehen werden, werden unerträglich sein, und der Gedanke daran bereitet mir schon jetzt größtes Unbehagen. Aber, meine Damen und Herren, vor die Wahl gestellt, weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land bedroht, verletzt und ermordet werden, vor die Wahl gestellt, der rot-grünen Minderheit hier im Deutschen Bundestag weiterhin die Deutungs- und Entscheidungshoheit in der Asyl- und Einwanderungspolitik zu überlassen oder jetzt aufrechten Ganges das zu tun, was unabweisbar in der Sache notwendig ist, vor diese Wahl gestellt, entscheide ich mich und entscheiden wir uns für diesen letztgenannten Weg. Ohne Zweifel, meine Damen und Herren: Die Demokratie ist in Gefahr, wenn Radikale an die Macht kommen. Deshalb werden wir und deshalb werde ich alles tun, um genau das zu verhindern. Die Vermutungen und die Spekulationen, die Sie, Herr Bundeskanzler, hier angestellt haben – Sie kennen mich gut genug –, sind niederträchtig, und sie sind infam. Ich werde alles tun, um zu verhindern, dass es zu dem kommt, was Sie hier gerade gesagt haben. Ich füge einen zweiten Satz hinzu, meine Damen und Herren: Die Demokratie gerät auch in Gefahr, wenn eine gesellschaftliche und politische Minderheit – und Sie, SPD und Grüne, sind eine kleiner werdende gesellschaftliche und politische Minderheit – die Radikalen als Werkzeug benutzt, um den Willen der Mehrheit der Bevölkerung dauerhaft zu ignorieren. Deshalb lassen wir uns von Ihnen, von SPD und Grünen, nicht mehr sagen, was wir zu tun und was wir nicht zu tun haben. Auch Sie haben am Freitag die Wahl. Sie können Ihre Entscheidung treffen. Und möglicherweise wird jetzt auch ohne Sie und in der Sache trotzdem richtig entschieden. Um es deutlich zu sagen: Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen. Sie bleibt richtig. Ziehen Sie von den Grünen und der SPD daraus nicht die falschen Rückschlüsse, auch wenn Sie jetzt in bewährter Weise versuchen werden, in diesem Wahlkampf – und es geht ja schon los – gegen mich persönlich auszuteilen. Ich kann das gut aushalten. Selbst aus der Mitte dieser Bundesregierung wird zum wiederholten Mal von einem Ihrer Ressortminister, Herr Bundeskanzler, die Nazikeule gegen mich geschwungen. Beim ersten Mal habe ich die Entschuldigung angenommen, beim zweiten Mal nicht mehr. An dieser Stelle ist jede Konversation beendet, Herr Lauterbach, um Ihnen das hier sehr klar und sehr deutlich zu sagen. Ich werde mich von diesen Angriffen nicht beirren lassen, und ich werde allen Versuchen, die Sie da unternehmen, entschieden widersprechen. Damit weiß ich mich einig mit der großen Mehrheit der Bevölkerung, übrigens auch mit der Mehrheit der sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler. Stellen Sie sich eigentlich mal die Frage, warum Sie bei der Bundestagswahl im Jahr 2025 im Ruhrgebiet und in Nordhessen Wahlkreise an die AfD verlieren werden? Stellen Sie sich hin wieder mal die Frage, warum das so ist, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten? Egal was Sie tun, ich will es nur noch einmal sagen: Ich werde nach der Bundestagswahl alles dafür tun, dass wir nie wieder in eine solche Lage kommen, wie wir sie heute zu meinem allergrößten Bedauern hier im Deutschen Bundestag diskutieren müssen. Ich danke Ihnen.