Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir beraten heute den Entwurf zur Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes. Allein der Name lässt schon auf einen Riesenberg an Bürokratie schließen. Grundsätzlich ist die Idee, Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Transparenz über die Haltungsbedingungen von Tieren zu bieten, ein berechtigtes Anliegen. Bei diesem Gesetzentwurf geht es um die Erweiterung der bereits existierenden staatlichen Haltungskennzeichnung, die nun insbesondere auf frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch in der Außer-Haus-Verpflegung wie eben in Restaurants, Kantinen und Imbissen ausgeweitet werden soll. Hier aber liegt das Problem. Ich möchte einmal den Blick auf die Gastronomie lenken. Schauen Sie sich mal im ländlichen Raum um! Dort kämpfen alteingesessene Gasthäuser ums nackte Überleben, und Ihnen fällt immer noch irgendetwas ein, das es den Unternehmerinnen und Unternehmern noch schwerer macht. Seit Jahren steht unsere Gastronomie unter Druck. Erst die Coronapandemie mit dem Wegbleiben von Gästen, dann die explodierenden Energiekosten, der Fachkräftemangel – Bedienungen, Köche, die abgewandert sind und nicht wiedergekommen sind –, die Belastung durch die Inflation. Hinzu kommt das gebrochene Versprechen von Olaf Scholz, die Reduzierung der Mehrwertsteuer in der Bediengastronomie beizubehalten. Allein seit 2019 haben wir über 25 000 gastronomische Betriebe verloren, und die Zahlen steigen weiter. Anstatt diesen Betrieben unter die Arme zu greifen, planen Sie ein weiteres Bürokratiepaket, das vor allem kleinere und mittlere Betriebe schwer treffen wird. Respekt und Unterstützung für die Branche sehen anders aus. Die FDP scheint völlig verdrängt und vergessen zu haben, dass sie an diesem Bürokratiewahnsinn nicht unbeteiligt gewesen ist. Gedächtnisschwund scheint in der Ampel ansteckend gewesen zu sein. Ihre Vorschläge sind in der Praxis nur mit extremem Aufwand umsetzbar. Gastronomen beziehen ihr Fleisch oft von verschiedenen Lieferanten und auch aus unterschiedlichen Haltungsformen, abhängig immer von der Verfügbarkeit und vom Preis. Rezepturen, Speisepläne ändern sich regelmäßig. Jede dieser Änderungen würde den Druck neuer Speisekarten, neuer Beschriftungen, Onlineanpassungen erfordern. – Natürlich. – Das ist schlicht praxisfern. Unsere dringlichste Aufgabe ist es aber, endlich Bürokratie abzubauen und nicht zu vermehren. In Ihrem Gesetzentwurf steht zu dieser Erweiterung von Bürokratie: Welch ein Hohn! Ich erinnere mal daran: Die Periode endet in Kürze. Ein weiterer Punkt, der schlichtweg auch nicht akzeptabel ist: die freiwillige Teilnahme an der Tierhaltungskennzeichnung für ausländische Produzenten. Was bedeutet denn das konkret? Die deutsche Fleischproduktion ist verpflichtet, die Haltungsform zu kennzeichnen. Die ausländische Fleischproduktion unterliegt dieser Verpflichtung nicht. Kauft also ein gastronomischer Betrieb Fleisch ein, kann er wählen: deutsche Ware, deren Haltungsform er kennzeichnen muss, oder ausländische Ware, die er einfach so weiterverarbeiten und anbieten kann. Was glauben Sie eigentlich, was passieren wird? Immer mehr Gastronomen und Unternehmen werden auf Importware ausweichen, die diesen Kennzeichnungspflichten nicht unterliegt. Das ist ein absolut fatales Signal an unsere deutschen Landwirte, die mit den höchsten Standards für das Tierwohl arbeiten und unter einem enormen wirtschaftlichen Druck stehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen fairen Wettbewerb, und „fair“ bedeutet, dass gleiche Anforderungen für alle gelten, egal ob es sich um inländische oder ausländische Produzenten handelt. Alles andere führt zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung zulasten der heimischen Landwirtschaft. Zu glauben, dass ausländische Produzenten heiß darauf sind, ihre Produkte nach deutschem Gesetz zu labeln, ist Wunschdenken. Es ist wichtig, Tierwohl und Verbraucherinteressen voranzubringen, aber nicht auf Kosten der wirtschaftlichen Existenz unserer Betriebe. Das gilt im Übrigen sowohl für die produzierenden landwirtschaftlichen Betriebe als auch für die weiterverarbeitenden Betriebe. Statt bürokratischer verpflichtender Kennzeichnung in der Außer-Haus-Verpflegung brauchen wir pragmatische Lösungen. Es muss die richtige Balance zwischen Verbraucherinteressen und wirtschaftlicher Realität gefunden werden. Mit diesem Gesetz gelingt es jedenfalls nicht. Lassen Sie uns bitte gemeinsam nach Wegen suchen, Wirtschaft und Verbraucherinteressen in Einklang zu bringen, ohne dabei Existenzen zu gefährden. Ich danke Ihnen fürs Zuhören. Nur noch mal ganz kurz: Eigentlich hatte ich mich in der letzten Sitzungswoche bereits verabschiedet; aber nun hat die mir sehr nahestehende Agrar AG mir noch mal die Möglichkeit gegeben, auch in diesem Bereich meine Abschiedsrede zu halten. Dafür danke ich heute der gesamten Agrar AG, die mich nach meinem Nachrücken im Januar wieder mit offenen Armen aufgenommen und immer toll eingebunden hat. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen und danke allen meinen Kolleginnen und Kollegen in der AG, den Mitarbeitern im AG-Büro und im Ausschussbüro. Ich möchte den Dank auch auf die übrigen Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses ausweiten, auch wenn wir oft unterschiedlicher Meinung waren und das sicherlich auch bleiben werden. Trotzdem habe ich mich in den Reihen der Agrarier immer sehr wohlgefühlt. Wir werden sicherlich noch einige Gespräche auf der Grünen Woche führen können. Allen, die in der kommenden Legislaturperiode den Agrarbereich beackern, möchte ich zurufen: Setzt euch für die deutsche Produktion ein! Sucht pragmatische und vor allem verlässliche Lösungen, damit unsere landwirtschaftlichen Betriebe auch in Zukunft ihr wirtschaftliches Auskommen haben werden! Strengt euch an! Ich wünsche allen ein gesegnetes Weihnachtsfest.