Es geht um neue Geschäftsmodelle und darum, zum Beispiel Tierhaltung tatsächlich fitzumachen für die Zukunft. Ich habe noch gar nichts gesagt. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mal bei unserer Debatte über die Tierhaltungskennzeichnung in der Außer-Haus-Verpflegung mit einer Einordnung, mit ein bisschen Kontext anfangen und nicht gleich in irgendein Detail gehen. Denn bei der Behandlung der Frage, ob wir das wollen oder nicht wollen, bei der Behandlung der Frage, wer sich dagegen wehrt oder wer es unterstützt, muss doch zuerst geklärt werden: Was sind eigentlich die heutigen Bedingungen von Landwirtschaft, von Tierhalterinnen und Tierhaltern? Ich glaube, es ist nötig, dass wir das zunächst in den Fokus rücken. Gucken wir uns mal die Bedingungen an: der Klimawandel, die Klimakrise; mal zu viel Wasser, mal zu wenig Wasser; beides zum falschen Zeitpunkt. Die Artenvielfalt lässt nach, der Druck des globalen Marktes wirkt sich aus auf die Preise. Es gibt nicht einfach Export von Schweinefleisch; stattdessen baut China selber Schweinehochhäuser. Wir haben Abhängigkeiten von Betriebsmitteln, zum Beispiel bei Futter- und Düngemittelimporten. Wir haben es mit den Auswirkungen von Landgrabbing zu tun, zum Beispiel in Afrika. Wir haben einen veränderten Konsum – die Menschen essen weniger Fleisch und mehr pflanzenreiche Lebensmittel –, und wir haben eine massive geopolitische Veränderung durch den Krieg gegen die Ukraine, durch den Einfluss von Russland und China in Afrika. Deshalb wären wir eigentlich gut beraten, bezüglich der Landwirtschaft nicht zu sagen: Wir halten an der Politik der 70er-, 80er-Jahre fest, sondern wir machen Landwirtschaftspolitik für 2024/25. – Das ist unsere Aufgabe. Wir haben einen großen Export von tierischen Erzeugnissen und eine Selbstversorgung von 20 Prozent bei Obst und Gemüse. Ich würde sagen: Wir stehen an einer Wegscheide. Wir haben die verantwortliche Aufgabe, jungen Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten wollen, zu sagen, wie ihre Perspektive ist. – Diese Perspektive umfasst weit mehr als bürokratische Entlastung – weit mehr. Es geht schon gar nicht um bürokratische Entlastung, die sozusagen als Deckmäntelchen daherkommt und in Wahrheit eigentlich nur Umwelt- und Klimaschutz vernichten will. Es geht, meine Damen und Herren, um neue Geschäftsmodelle in der Landwirtschaft. Das können Proteine der Zukunft sein, also ganz neue Dinge, bei denen wir nicht sagen können: Wir lassen es einfach zu, dass alle Rohstoffe aus anderen Ländern kommen oder dass wir die benötigten Produkte erfinden, während die Rohstoffe dafür aber aus Singapur eingeführt werden. – Nein, die Rohstoffe können und müssen auch mitten aus Deutschland und mitten aus Europa kommen. Dafür zu sorgen, das ist unsere Aufgabe. Ich würde mir in dieser Debatte wünschen, dass das nicht mit lauter Behauptungen über andere oder mit Schwarzer-Peter-Spielen, wie „Die müssen …“ oder „Die tragen die Verantwortung und die Schuld“, endet. Lassen Sie uns vielmehr statt Schuldzuweisungen einfach mal gemeinsam nach Lösungen suchen, und zwar nach Lösungen, die auch noch in zehn Jahren funktionieren. Ich will allen sagen: Bei Landwirtschaft geht es nicht um etwas nach dem Motto „Wenn man nicht selber Landwirtin ist, sollen sich die anderen drum kümmern“. Nein, bei der Landwirtschaft geht es um Gemeinwohlinteressen: Es geht um unser Klima, um die Artenvielfalt, und es geht, noch existenzieller, um unsere Ernährungssicherung. Deshalb haben wir doch alle ein Interesse daran, dass die Betriebe schwarze Zahlen schreiben. Deshalb sollten wir nicht emotionalisiert und ideologisiert handeln, sondern wirklich gucken: Was macht fit für die Zukunft? Transparenz zum Beispiel. Die Menschen essen nämlich weniger Fleisch, und diejenigen, die noch Tierhaltung betreiben, sollen am Markt in einem fairen Wettbewerb erkennbar sein. Wir sollten öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ausgeben. Es geht um eine zusätzliche Einkommensquelle und um Fairness in den Wertschöpfungsketten. Wir haben ja nach den Demos die Debatte geführt über das AgrarOLkG und diverse andere Dinge. Die Landwirte haben die meisten Probleme, weil sie mit ihrer Arbeit ganz am Anfang des Produktionsprozesses stehen, und sie brauchen unsere Unterstützung. Ich will noch etwas mitteilen: Was ich nie verstehen werde, ist, dass der Bauernverband Fairness fordert, aber beim AgrarOLkG die Bauern nicht unterstützt. Das muss anders werden. Also, lassen Sie uns das doch angehen. Ein Drittel der gesamten Schweinefleischproduktion in Deutschland wird in Restaurants gegessen. Deshalb sage ich: Ich verstehe ja, dass die DEHOGA zumindest kurzfristig ihre scheinbaren Interessen vertritt. Aber das ist nicht identisch mit den Interessen der Landwirte. Die Landwirte und die Tierhalter haben ein Interesse an einer verpflichtenden Kennzeichnung, damit die, die in den Laden gehen, wissen: Wie wurde das Tier gehalten, wo wurde es gehalten, und wofür gebe ich mein Geld aus? Es ist ihr Recht, das zu wissen, und es ist Voraussetzung dafür, dass das, was angeboten wird, dann auch gekauft wird. Das setzt Informationen voraus, weil man sonst kein mündiger Bürger ist. Ich würde mir wünschen, dass wir nicht nur etwas versprechen – zum Beispiel verspricht ja eine Fraktion hier im Haus, dass die Agrardieselentscheidung zurückgenommen wird –, sondern dass wir auch sagen, wie wir es finanzieren wollen. Es reicht nicht, etwas zu versprechen. Unser Ziel muss doch sein: ein bezahlbares Leben, faire Preise. Und: Die Landwirtschaft wird fit für die Zukunft, und das nicht nur morgen, sondern auch in zehn Jahren. Deshalb bitte ich alle, nicht immer zu sagen, „ZKL – toll; Strohschneider-Dialoge – toll; Strategiedialog – toll“, um danach aber in jedem Detail alles zu bekämpfen. Nein, ich fordere von uns allen – von Ihnen allen, von den Abgeordneten der nächsten Legislaturperiode – Mut und Courage, Zukunft zu organisieren, statt nur am Erreichten festzuhalten. Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Abschluss noch zwei, drei Worte sagen zu meiner Zeit hier, weil das wohl meine letzte Rede ist. Ich danke allen, mit denen ich hier zusammengearbeitet habe. Ich habe auch parteiübergreifend freundschaftliche Verhältnisse entwickelt, weil es darauf ankommt, dass jemand ernsthaft an den Dingen arbeitet. Das war meine Messlatte. Deshalb danke ich allen, vom Stenografischen Dienst über die Saaldiener, allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Ihnen allen. Ich habe noch zwei Bitten. Die eine Bitte ist die, dass wir uns Wahlen nicht manipulieren lassen. Meine Bitte gerade heute Mittag ist: Lassen wir nicht zu, dass Elon Musk mit 200 Millionen Followern und Algorithmen im Rücken – eigentlich ein Staatsbeauftragter des zukünftigen US-Präsidenten – in Großbritannien und auch in Deutschland demnächst Wahlen manipuliert. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Wir haben gesehen, was in Rumänien passiert ist. – Kurioserweise funktioniert in diesem Saal eins immer: Die, die ich meine, wissen immer, wer angesprochen ist. Meine zweite Bitte: Versuchen Sie alle, versuchen wir alle, auch noch in der nächsten Sitzungswoche im Reden einen Ton vorzulegen, der unserer Vorbildfunktion gerecht wird. Ich meine: hart in der Sache; sich nicht lustig machen. – Ja, da lachen Sie auch. Bitte. – Ich weiß, dass ich hart in der Sache bin. Aber suchen Sie mal eine Äußerung, mit der ich jemanden persönlich runtergemacht habe. Die werden Sie nicht finden. Dementsprechend, finde ich, ist unser Anspruch, und ich meine damit durchaus alle, meine Damen und Herren. Dieses Land ist einer Zersetzung, auch digital, ausgesetzt. Vor Jahren hat sich jemand lustig gemacht über mich, als ich „Zersetzung“ sagte; heute benutzt er das Wort ebenfalls. Dieser Zersetzung kommen wir mit vielen Maßnahmen bei, auch mit einer aktiven Zivilgesellschaft. Aber eines darf auch nicht fehlen: dass der Deutsche Bundestag demokratische Institutionen und Prozesse ernst nimmt, sich selber ernst nimmt und zeigt, wie Respekt, Würde und Anstand aussehen. Wenn wir das nicht schaffen, schafft es das ganze Land nicht. Ansonsten: Danke, dass ich mit Ihnen zusammen Verantwortung tragen durfte.