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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 1 Million Menschen werden uns bis 2030 im öffentlichen Dienst fehlen. Wenn wir uns also fragen, warum wir diesen Staat digitalisieren, ist das schon mal eine Antwort: weil unser Staat sonst nicht mehr in der Lage ist, das zu tun, was er tun muss. Aber es geht nicht darum, etwas nur aus Angst vor zukünftigen Entwicklungen zu tun, sondern es geht auch um die Chancen. Viele, die hier sitzen, sind nach Estland gepilgert oder nach Finnland, und in den Ländern fragt man sich schon: Warum kommen die immer alle her und erzählen dann davon? Und warum ändert sich dann vielleicht nicht so viel? – Aber wer in Estland war, konnte sehen: Wenn man dort ein Kind bekommt, dann wird es im Krankenhaus praktisch automatisch angemeldet, und drei Jahre später bekommt man eine SMS: „Hier ist dein Kitaplatz. Willst du ihn annehmen oder nicht?“. Das ist etwas, das ich auch in Deutschland möchte. Deswegen ist es mir sehr wichtig, dass das mit der Verwaltungsdigitalisierung funktioniert.
Es ist mir auch wichtig, wenn wir hier im Bundestag über Dinge wie die Kindergrundsicherung diskutieren, dass wir versuchen, es für Familien, die nicht so viel Geld haben, die sich durch einen Dschungel von Anträgen schlängeln müssen, einfacher zu machen. Wie oft scheitern wir an den technischen Möglichkeiten, weil wir sie eben nicht haben. Auch dafür ist Verwaltungsdigitalisierung wichtig: Wir wollen aus diesen Hunderten von Anträgen einen Weg zum Amt machen, und den wollen wir am Ende auch noch beseitigen, sodass eben alles vom Handy aus funktioniert.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diejenigen, die die Verwaltung in Deutschland am meisten nutzen, sind die Unternehmen. Wer Unternehmen entlasten will, wer will, dass es schneller geht, dass es einfacher geht, der braucht auch einen digitaleren Staat.
Jetzt habe ich vieles gesagt, das einigermaßen unstrittig ist. Das Problem, das zum Streit führen kann, ist, dass wir uns digitalpolitisch – jedenfalls nach außen hin – so oft mit Behauptungen beschäftigen, mit den großen Sprüchen, dass jetzt hier die große Zukunftsvision kommt. Dann ist die Frage, was am Ende eigentlich dabei herauskommt. Und so traurig es ist, das festzustellen, aber hier ist die FDP mal auf Platz eins. Wir kennen diese Schwarz-Weiß-Plakate, wir kennen die hochtrabenden Sprüche: „Digital first“, und zwar schnell, „Disruption“ und diese Dinge, die Christian Lindner eben sagt. Aber wenn wir dann in die Praxis schauen: Als wir hier über Glasfaser, über schnelles Internet gesprochen haben, war es die FDP, die sich nicht für schnelles Internet in jedem Dorf eingesetzt hat, sondern für die Konzerninteressen unserer Telekommunikationskonzerne, für die es gerne auch mal ein bisschen langsamer gehen kann, weil sie dann mit den alten Kupferkabeln weiter Geld verdienen können.
Erzähl mir doch mal, wieso der Glasfaserausbau so schnell vorangekommen ist die letzten Jahre! Es ist nicht sonderlich hell, was du da von dir gibst!)
Das ist das Schwierige an diesen großen Sprüchen.
Heute diskutieren wir einen Antrag von der CDU/CSU, die auch gern sagt, dass alles schnell gehen soll. Aber Friedrich Merz, der CDU-Vorsitzende, hat auch gesagt, er macht mit uns keine Grundgesetzänderung. Das klingt ohnehin schon mal etwas dogmatisch und der Sache nicht dienlich; aber wir müssen hier im Konkreten das Grundgesetz eben ändern, damit wir in der Verwaltungsdigitalisierung vorwärtskommen. Wer Disruption möchte, wer möchte, dass dieses System, das offensichtlich nicht funktioniert, besser wird, muss ans Grundgesetz. Und wenn dann eine CDU sagt: „Das machen wir partout nicht, weil wir nicht wollen, dass andere Parteien das irgendwie als Erfolg verkaufen“, dann kann man nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, hier irgendwie zur Geschwindigkeit beizutragen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Kommen Sie auch mal zum Antrag?
Man könnte jetzt meinen, wenn die CDU irgendwie doch mal wieder regieren würde, dann ginge es schneller. Das will ich doch stark in Zweifel ziehen.
Sie sagen, ich soll hier zu dem Antrag sprechen. Darin geht es darum, dass wir uns europaweit digital ausweisen können mit einer digitalen Brieftasche. Das ist natürlich richtig. Die Idee ist aber überhaupt nicht neu. Ein CSU-Minister hat es, wie wir gehört haben, schon versucht. Da sollte es dann plötzlich über Nacht sehr schnell gehen, kurz vor der Wahl, um einen Erfolg – große Ankündigung, große Sprüche – einfahren zu können. Das hat kolossal nicht funktioniert. Schon nach ein paar Tagen war das Ding gehackt, war wieder raus. So funktioniert es eben nicht. Diese großen Sprüche sind nicht nur große Sprüche, die sich dann als Nichts entpuppen, sondern sie schaden auch, wenn wir hier versuchen, das ernsthaft auf die Kette zu bringen.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
In dem Sinn ist der Antrag schon mal ein Fortschritt. Er ist sehr technisch, sehr kleinteilig, und es steht wenig Falsches drin. Es steht auch wenig Hilfreiches drin, weil es im Grunde um das geht, was wir gerade tun. Aber ich tue mich schwer mit der Überschrift. Wir haben hier also im Grunde einen sehr guten Antrag, an dem man sehr gut zeigen kann, was alles falsch läuft. Die Überschrift lautet „Digitale Zeitenwende für Deutschland mit der Umsetzung der eIDAS-2.0-Verordnung einleiten“. Zuerst mal: Es muss doch nicht alles eine „Zeitenwende“ sein, wo man was verändert. Olaf Scholz hat den Begriff geprägt, als es um die geopolitische Neusortierung der Welt ging, als es um Krieg und Frieden ging. Vielleicht brauchen wir das nicht bei jeder EU-Richtlinie, die uns hier ins Haus flattert. Natürlich ist das eine Maßnahme, die große Veränderungen herbeiführt. Aber wenn wir hier wieder mit den großen Begriffen kommen und die Kleinarbeit vernachlässigen, dann kommen wir nicht dahin, dass in Deutschland irgendwas besser wird.
Es ist einfach ein Problem, dass wir in der Digitalpolitik, wenn irgendein Trend kommt, gerne gleich über „Blockchain“ sprechen, auch wenn das überhaupt nicht hilft.
Zuruf der Abg. Franziska Hoppermann [CDU/CSU])
Plötzlich muss alles KI sein. Christian Lindner lässt es sich nicht nehmen, hier über Bitcoins zu sprechen, auch wenn das nichts zur Sache tut.
Das ist doch aber etwas ganz anderes! Das ist doch total irrsinnig!)
Im Antrag geht es um digitale Identitäten. Mit unserem Personalausweis können wir uns schon heute digital identifizieren. Es war ein Fehler der vergangenen Jahre, dass es uns nicht gelungen ist, die Menschen darüber zu informieren, dass es das gibt, dass es wirklich läuft und dass es einfach geht. Auch da haben sich Vorgängerregierungen verzettelt, weil man es plötzlich noch mal anders und noch mal toller haben wollte. Und am Ende hat nichts funktioniert.
Verwaltungsdigitalisierung funktioniert nicht über Nacht. Wir haben in dieser Wahlperiode das fundamentale Gesetz, das OZG, geändert. Das zeitigt auch nicht von heute auf morgen Erfolge, aber die werden wir in den nächsten Jahren sehen, auch wenn dann eventuell andere versuchen werden, sich die Erfolge auf die Fahne zu schreiben.
Wir haben jetzt Staatsverträge für die Registermodernisierung. Wir haben jetzt höhere Nutzerzahlen für die eID, für die Onlineidentifizierung. Das sind Erfolge, die sich sehen lassen können.
Am Ende will ich nicht, dass wir diese technischen Fragen hier diskutieren.
Im Ausschuss wollten Sie es auch nicht diskutieren!)
Die müssen an anderer Stelle umgesetzt werden. Bei der Umsetzung sind wir schlecht. Wir wollen, dass es eine Digitalisierungsagentur gibt, die sich um die Umsetzung kümmert. Da haben wir Probleme. Dann können wir die großen Fragen, wie unser Staat sein soll, hier diskutieren, und da gehen die Meinungen offensichtlich noch auseinander.
Haben Sie vielen Dank und schöne Weihnachten.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dr. Markus Reichel für die Unionsfraktion ist der nächste Redner.
Beifall bei der CDU/CSU)