- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle finden Nachhaltigkeit gut. Aber kaum jemand kann genau sagen, was das eigentlich ist; denn „Nachhaltigkeit“ ist ein abstrakter Begriff, so wie „Weltfrieden“, „Rechtsstaat“ und „Freiheit“ gewinnt er erst an Konturen, wenn man eine konkrete Situation vor Augen hat. Die meisten Menschen verstehen Nachhaltigkeit als einen schonenden Umgang mit den endlichen Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, um sie länger nutzen zu können. Aus diesem Gedanken heraus erfanden Bauern vor bald tausend Jahren die Dreifelderwirtschaft, und dieser Gedanke ist die Basis unserer heutigen, immer umfassenderen Kreislaufwirtschaft.
Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung beschränkt sich aber nicht bloß auf Recycling. Mit ihr sollen die viel weiter gehenden Ziele der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung erreicht werden. Die 17 Ziele umfassen Punkte wie das Ende von Armut und Hunger, gute Bildung für alle, die Gleichstellung der Geschlechter, aber auch bezahlbare Energie und dauerhaftes Wirtschaftswachstum bei guten Arbeitsbedingungen, um nur ein paar wenige zu nennen.
Das sind dicke Bretter, die gebohrt werden müssen. Im Beirat für nachhaltige Entwicklung haben wir dazu vielfältige Fachgespräche geführt. Die Erkenntnis daraus: Die Umsetzung dieser großen Ziele erfordert im Alltag eine Vielzahl kleinerer Veränderungen – zu viele, um sie von oben vorgeben zu können. Wir werden die Nachhaltigkeitsziele nur durch die Eigeninitiative von Bürgerinnen und Bürgern, von Unternehmen und Vereinen erreichen, aber nicht durch staatliche Bevormundung.
Beifall bei der FDP)
Denn der Staat meint es zwar oft gut, macht es aber schlecht. Zum Beispiel beim Plastikmüll: Verbote von Plastiktüten und Strohhalmen führen zu schlechteren Ersatzprodukten aus Pappe. Das Problem mit dem Plastik nimmt ab – dafür steigt der Wasserverbrauch und die Waldrodungen nehmen zu. Gewonnen ist wenig. Genauso ist es, wenn einem beim Trinken aus PET-Flaschen der Deckel ständig im Gesicht hängt.
Zuruf des Abg. Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
So erzeugen Sie keinen Wandel, so erzeugen Sie nur Widerstand.
Anstatt eine Lösung staatlich vorzuschreiben, sollten wir nur Ziele vorgeben und die Lösungen den Erfindern und der Wirtschaft überlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kerstin Vieregge [CDU/CSU])
In einem Punkt, liebe Kollegen der Union, spricht Ihr Antrag etwas völlig Richtiges aus.
In allen!)
Die Nachhaltigkeitsstrategie folgt nicht dem „One and done“-Prinzip, sie muss stetig weiterentwickelt und überprüft werden – weil sich unsere Welt stetig weiterentwickelt. Deshalb hat der Nachhaltigkeitsbeirat auch angesichts der derzeit laufenden Aktualisierung gefordert, die Strategie zu Beginn einer jeden Wahlperiode zu überprüfen und notwendige Änderungen vorzunehmen.
Ihren anderen Forderungen kann ich aber nicht zustimmen; die lassen nämlich nur einen Schluss zu: Sie denken, der Bundestag hätte zu wenig zu tun. Sie wollen allen Ernstes einführen, dass der Bundestag mehrmals im Jahr ganze Wochen ausschließlich über Nachhaltigkeit debattiert.
Beifall der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]
Ja!)
Sollen dafür dann die Beratungen zur inneren Sicherheit, zur Verbesserung der Bildung und zur Transformation unserer Wirtschaft hinten runterfallen? Oder soll das Thema Nachhaltigkeit obendrauf kommen? Wir haben doch nicht den Bundestag verkleinert, damit Sie ihn unter dem Vorwand der Nachhaltigkeit wieder aufblähen.
Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch Ihre Herangehensweise ist schlichtweg falsch. Die Nachhaltigkeitsstrategie ist eine Strategie der Bundesregierung; der Hinweis steckt im Titel. Noch gilt in diesem Land die Gewaltenteilung. Deshalb darf das Parlament nicht darüber entscheiden, welche Pläne Kanzleramt und Ministerien für ihre Arbeit aufstellen. Wir kommen erst ins Spiel, wenn daraus Gesetze werden.
Aber um Ihnen zu Weihnachten einen Ölzweig zu reichen, verrate ich Ihnen, wie Sie es richtig machen: Der nächste Bundestag kann ein Nachhaltigkeitsgesetz schaffen und der Bundesregierung damit konkrete Ziele für alle relevanten Nachhaltigkeitsaspekte vorschreiben, die die Regierung bei ihrem Treiben beachten muss. Die Strategie zur Zielerreichung entwirft die Regierung, aber der Bundestag überprüft regelmäßig, ob die gesetzlichen Vorgaben erzielt werden. Das ist nämlich die Aufgabe des Parlaments: Gesetze machen und die Regierung kontrollieren. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass die Nachhaltigkeit ein Teil der Gesetzgebungs-DNA unseres Landes wird und nicht bloß als eine lästige Aufgabe nebenherläuft.
Vielen Dank.
Beifall bei der FDP)
Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat Johannes Wagner das Wort.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)