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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns hier mit vielen Dingen: Wir machen Gesetze. Wir reden sehr viel, zwei Wochen im Jahr, über den Bundeshaushalt. Es heißt sogar, das Haushaltsrecht sei das Königsrecht des Parlaments.
Ich halte das für falsch. Das Königsrecht des Parlaments ist nicht der Haushalt, sondern das Königsrecht des höchsten gewählten deutschen Verfassungsorgans ist es, ein Bild davon zu entwickeln, wie dieses Land in Zukunft aussehen soll, wie wir leben sollen. Es ist ja nicht so, dass die Wählerinnen und Wähler uns für Haushaltszahlen oder Gesetze wählen, sondern sie wählen uns, weil sie eine Vorstellung von einem besseren Leben haben, weil sie unsere Vorstellung davon wissen wollen, wie ihre Arbeit aussehen soll, welche Gesundheitsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden oder wie der soziale Ausgleich gelingen kann. Deswegen müssen wir an dieser Stelle eigentlich viel mehr über Ziele reden und weniger über kleinteilige Maßnahmen. Vielleicht ist das auch das Problem, warum wir in der Politik so träge und umständlich geworden sind: weil wir zu viel über kleinteilige Maßnahmen und zu wenig über Ziele reden.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Es gibt einen Politikbereich, in dem es ganz viele Ziele gibt, und das ist die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Da werden Ziele festgelegt für nahezu alle Lebensbereiche, die die Bürgerinnen und Bürger betreffen: von der Gesundheit über soziale Gerechtigkeit, Bildung, wirtschaftliche Solidität bis hin zu einer guten Umwelt. Das wird anhand der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen organisiert. Und es gibt ungefähr 80 Kennzahlen, an denen die Fortschritte auch gemessen werden. Das ist eigentlich ein ganz tolles Instrument.
Die schlechte Nachricht ist: Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie interessiert fast niemanden. Eine weitere schlechte Nachricht: Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie ist ein Instrument der Regierung, nicht des Bundestages – finden Sie den Fehler!
Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir sind das höchste deutsche Verfassungsorgan, wir sind direkt gewählt, aber die Bundesregierung legt mit den Nachhaltigkeitszielen fest, wie wir leben wollen, wie wir leben sollen, und legt dafür auch die Kennzahlen fest. Ich glaube, das ist nicht gut. Das ist deswegen nicht gut, weil wir uns damit für das Thema Nachhaltigkeit eine große Bühne nehmen. Denn der Deutsche Bundestag ist die Bühne, wo die wichtigen Debatten geführt werden sollen. Zuständig ist noch nicht mal ein Ausschuss, sondern der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung – der Vorsitzende, Herr Kleebank, sitzt hier –, der bei allem Bemühen der Ausschussmitarbeiter und der Abgeordneten, die in diesem Beirat sitzen, ein Schattendasein fristet. Und es ist auch so, dass wir nur ganz wenig Raum haben, hier im Deutschen Bundestag wirklich über Nachhaltigkeit zu reden, heute Abend wieder um 19.32 Uhr.
Deswegen haben wir einen Antrag gestellt, dass sich das ändert. Wir wollen die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie in den Deutschen Bundestag holen,
Beifall bei der CDU/CSU)
wir wollen darüber mitbestimmen. Und wir wollen das auch in die Wahlkreise hineintragen. Ich glaube, es interessiert die Menschen ungemein, ob die Politik wirklich daran interessiert ist, dass sie eine längere Lebenserwartung haben, dass Bildung besser stattfindet oder auch Armut in diesem Land bekämpft wird. Das gehört hierhin. Ich glaube auch, dass der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung ein gutes Instrument sein kann, um, wenn er schon kein Ausschuss ist, so doch eine ungefähr artverwandte Ausschussarbeit zu gestalten, um das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele zu überwachen, zu kontrollieren und die Strategie gegebenenfalls anzupassen.
Ich glaube, dass es auch sehr wichtig wäre, zu machen, was wir in der letzten Legislaturperiode zumindest mit den Sozialdemokraten mal vereinbart hatten: dass wir nicht nur eine Stunde bzw. 39 Minuten über das Thema diskutieren, sondern in einer Nachhaltigkeitswoche.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben 17 SDGs, Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, und ganz viele Kennzahlen darunter. Dafür nehmen wir uns eine Stunde Zeit. Und für den Haushalt – für den wir, wie gesagt, nicht gewählt werden –, da nehmen wir uns zwei Wochen Zeit. Das ist irgendwie nicht richtig.
Wenn Sie mir noch eine Schlussbemerkung gestatten, Frau Präsidentin: Wir haben ja eine große Unzufriedenheit mit der Demokratie, wie sie momentan läuft. Wir machen das fest am Handeln der Regierung oder am Handeln der Menschen in der Verwaltung. Aber wir müssen auch mal auf uns schauen.
Wir müssen schauen, was wir verändern können und wie wir andere Dinge organisieren können, wie wir das Parlament besser machen können.
Sie kommen zum Ende, bitte.
Dieser Antrag ist da ein guter Anfang. Deswegen würde ich mich freuen, wenn er in der nächsten Legislaturperiode auch verabschiedet wird.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Sarah Ryglewski für die Bundesregierung.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)