Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Lindholz, ich habe mich bei der Lektüre des Antrages und auch als ich Ihnen zugehört habe, gefragt: Muss das sein? Ist die Lage nicht ernst genug? Sie waren ja auch lange Innenausschussvorsitzende. Da könnten Sie den Leuten schon erklären, wie die Zuständigkeiten im Föderalismus so gestaltet sind. Ich käme nicht auf die Idee, zu sagen, es sei die Schuld von Hendrik Wüst, dass die Kriminalitätslage in Nordrhein-Westfalen so desaströs ist. Also, solche Zuschreibungen sind falsch. Sie wissen in Wahrheit besser, wie die Kriminalitätsrate zustande kommt. Da müssen Sie den Leuten jetzt wirklich nicht die Unwahrheit erzählen. Das ist, finde ich, unwürdig an dieser Stelle. Ich bin ja immer geneigt, die Unionsanträge tatsächlich mit Wohlwollen zu lesen. Ich will zunächst einmal etwas zur Lage sagen, wie sie sich mir tatsächlich darstellt. Durch die Krisen und Konflikte insgesamt, durch die Kriege – die Mechanismen sind bekannt – haben wir es natürlich mit einem Anstieg der politisch motivierten Kriminalität zu tun. Wir verzeichnen einen Anstieg der Hasskriminalität, insbesondere einen Anstieg im Bereich des Antisemitismus. Wir haben es mit vermehrten Straftaten gegenüber Amts- und Mandatsträgern zu tun; wir haben das hier häufig diskutiert. Die Themen „Cyberspionage“ und „Cybersabotage“ habe ich gerade nicht gehört. Desinformation ist ein Riesenthema. Cybercrime: Bitkom schätzt über 200 Milliarden Euro Schäden jedes Jahr. Das haben wir zu besprechen. der dieses Thema sozusagen mit Mythen unterlegt hat, der es nicht vorangetrieben hat. Die Grünen können sich nicht recht entscheiden. In Nordrhein-Westfalen sind sie dafür, hier nicht. Bei uns ist die Position eindeutig – so auch die Beschlusslage der Fraktion –, was das angeht: Wir wollen das, und wir wollen auch mehr Kinderschutz. Wir sehen bei Kindern und Jugendlichen im Bereich der Gewaltkriminalität eine allgemeine Entwicklung, die uns beunruhigen sollte und auf die auch das BKA hingewiesen hat. Wir sehen bei Eingängen im Bereich der, wie ich immer noch sagen würde, pandemischen sexualisierten Gewalt gegenüber Kindern und bei der Verbreitung der entsprechenden Darstellungen einen riesengroßen Anstieg. Wenn man noch Hass und Hetze dazunimmt, sind beim BKA in den nächsten Jahren bis zu 500 000 Eingänge zu erwarten. Insofern haben wir es mit vielen ernsten Problemen zu tun, ohne dass manche in der Statistik überhaupt auftauchen. Ich darf noch an das drittgrößte Verbrechen erinnern: Das ist die Umweltkriminalität. Dazu steht kaum etwas in der Statistik. Diese Kriminalität entzieht uns aber die Lebensgrundlagen. Ich darf an Produkt- und Markenpiraterie erinnern; dazu haben wir nichts zu gehört. Circa 60 000 Arbeitsplätze gehen jedes Jahr dadurch verloren. Hinzu kommt ein Gesamtvolumen der Geldwäsche von etwa 100 Milliarden Euro jährlich. Es gibt also viel zu besprechen. Daran darf es überhaupt keinen Zweifel geben. Ihr Antrag liefert ein paar Wahrheiten. Andere Aussagen darin sind ziemlich unsinnig. Ich gehe nur auf ein paar ein, da für mehr die Zeit nicht reicht. Sie schreiben etwas von Schutz für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, in der Nachbarschaft. Sie wissen aber genau, dass dafür die Länder verantwortlich sind. Die Bundespolizei wollen Sie dafür wahrscheinlich nicht eingesetzt wissen, das BKA auch nicht und den Verfassungsschutz ebenfalls nicht. Deswegen müssten Sie erklären, was Sie damit meinen. Dann haben Sie gerade noch mal gesagt, Sie möchten gerne Bodycams und Taser. Soviel ich weiß, verfügt die Bundespolizei seit mehreren Jahren über Bodycams, und die aktuellste Taser-Variante ist gerade in Erprobung. Wissen Sie das denn gar nicht? Oder warum fordern Sie das? Warum fordern Sie jetzt auch noch Blaulicht auf den Streifenwagen? Das gibt es übrigens auch schon. Dann haben Sie etwas zum Staatsbürgerschaftsrecht und zu Ausweisungen gesagt. Auch da habe ich nur die Wiedergabe der aktuellen Rechtslage erkannt. Ein Punkt nervt mich tatsächlich sehr – ich habe das schon bei den Diskussionen zum Hinweisgeberschutz verfolgt –: Ich verstehe nicht, dass Sie nicht auch die Abschaffung der Wehrbeauftragten fordern. Das Instrument des Polizeibeauftragten des Bundes ist nämlich eins zu eins dazu, quasi genau das Gleiche. Wenn man sich mit Uli Grötsch unterhält, dann merkt man, dass er ein hohes Vertrauen bei seinen Besuchen vor Ort genießt. Das sollten Sie nicht so schlechtmachen. Genauso nervt mich als Polizeigewerkschafter die Debatte über die Kennzeichnungspflicht. Da bringen Sie vermeintlich Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gegeneinander auf. Erklären Sie mal einem Kriminalbeamten, einer Staatsanwältin, einer Richterin oder einem Richter, die es vor Gericht mit der Organisierten Kriminalität, der Mafia, der Rockerkriminalität oder mit Mörderinnen und Mördern aufnehmen, dass es in Ordnung ist, dass sie mit Vornamen, Nachnamen oder mit Gesicht in der Presse auftauchen, wohingegen im Vergleich dazu anonyme Kennzeichnungen von Polizistinnen und Polizisten ein Problem sein sollen. Das müssen Sie mir wirklich erklären. Ich habe das bisher noch nicht verstanden. Da hetzen Sie sozusagen einzelne Leute gegeneinander auf. In Wahrheit ist es ja auch ein Wahlkampfauftaktantrag, den Sie hier gestellt haben. Deswegen will ich am Ende noch einmal die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich machen und sagen, was ich mir so vorstelle. Wir haben als einzige Fraktion aus guten Gründen eine Arbeitsgruppe Kriminalpolitik gegründet, weil wir versuchen, die Dinge übergreifend anzugehen. Dafür gibt es viele Motive. Wir brauchen periodische Sicherheitsberichte, um substanziierter diskutieren zu können. Wir brauchen eine Bundesakademie – dafür ist uns in dieser Legislaturperiode leider die Zeit davongelaufen –, damit wir endlich wissen, wie Prävention funktioniert und an welchen Stellen sie eben nicht funktioniert. Ich habe auch nichts zu praxistauglicheren Strafverfahren gehört. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den Ländern saufen ab. In Allgemeinen Abteilungen gibt es 300, 400 offene Vorgänge. Dazu hätte ich gern etwas gehört. Wir brauchen einen besseren Opferschutz in der StPO. Wir müssen in der Europäischen Union dafür sorgen, dass bestimmte Algorithmen verboten werden, damit wir in den Bereichen „Hasskriminalität“ und „Radikalisierung“ echte Fortschritte erzielen. Wir müssen die europäischen Agenturen weiterentwickeln. Gute Vorschläge für Europol gibt es. Frontex und die Europäische Staatsanwaltschaft müssen weiter gestärkt werden. Zeitgemäße Befugnisse kriegen Sie auch mit mir. Ich streite seit vielen Jahren für die IP-Adressen-Speicherung; Sie wissen, wo dies geregelt ist. – Ich sitze nicht in der falschen Fraktion, sondern ich fordere das Gleiche wie Sie, Herr Krings. Aber das müssen jetzt sozusagen die anderen hören. Ich will die Unterschiede deutlich machen. Wir hatten hier einen Blockade-Justizminister Buschmann, Ich will als letzten Punkt noch sagen: An die 100 Milliarden Euro müssen wir ebenfalls ran. Auch darüber sollten wir im Wahlkampf streiten; das ist doch gar kein Problem. Also lassen Sie uns hier deutlich machen, welche unterschiedlichen Positionen es gibt. Dann können die Bürgerinnen und Bürger am 23. Februar eine Entscheidung treffen. Vielen herzlichen Dank.