- Bundestagsanalysen
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Hochgeschätzte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten!
Liebe Frau Rüffer!)
Es ist etwas ziemlich Besonderes, wenn man im Hohen Haus für alle Fraktionen und auch für die Gruppe der Linken sprechen darf. In einer Zeit, wo das Ampel-Aus ein paar Wochen alt ist, zeigen wir jetzt schon zum dritten Mal in diesem Reigen von Sammelübersichten, die nur so an einem vorbeiziehen, dass wir als Hohes Haus, als Parlament hier zu einstimmigen Ergebnissen kommen können, und das im Sinne der Menschen, die uns als Petitionsausschuss jeden Tag so zahlreich mit ihren Sorgen und Nöten betrauen und darauf hoffen, dass wir Lösungen für sie finden. Darauf, glaube ich, können wir alle gemeinsam stolz sein.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der Linken)
Ich glaube, das ist wirklich einen Applaus wert.
Nun möchte ich gerne erläutern, worum es hier geht. Wir als Petitionsausschuss haben gemeinsam mit einem sehr hohen Votum beschlossen, der Bundesregierung eine Petition zur Erwägung zu überweisen, die darauf abzielt, dass es zukünftig eine bessere Diagnostik, eine stärkere Sensibilisierung und den Ausbau der Prävention für die Fetale Alkoholspektrumstörung geben soll. Was ist das? Diese Erkrankung betrifft sehr viele Menschen. Kinder von Personen, die in der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben, können in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sein, ihre Organe können fehlgebildet sein, sie können körperliche Beeinträchtigungen haben. Das hört sich erst mal abstrakt an; aber diese Kinder und späteren Erwachsenen sowie deren Eltern haben ihr Leben lang damit zu tun.
Ich möchte aus einer Anhörung, die hier im Deutschen Bundestag stattgefunden hat, zitieren:
„Sie kommen mit einem Loch im Herzen auf die Welt, mit Fehlbildungen oder Skoliose. Manche der Neugeborenen krümmen sich schreiend über Wochen hinweg, sind untergewichtig, bindungsgestört oder apathisch. Als heranwachsende Kinder gelten die meisten von ihnen als faul, frech, unerzogen oder delinquent. Die ‚Schlimmstenʼ unter ihnen prügeln, schreien, quälen, lügen, stehlen, missachten Regeln und rennen davon. Die Schule ist für sie ein Ort des Grauens, sie fühlen sich als Versager, werden gemobbt und verstoßen, sind oft genug Opfer sexualisierter Übergriffe. Es folgen Kita- und Schulverweise, Hilfeplangespräche, Androhungen der Heimunterbringung. Das alles zumeist ohne Sinn und Verstand, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es wird lieber geglaubt, dass die Kinder einen schlechten Charakter haben, sich keine Mühe geben wollen und es den Eltern an Erziehungskompetenz mangelt. Weder die Kinderärzte, Psychiater und Therapeuten, noch die Pädagogen, Erzieher und Sozialarbeiter erkennen oder wollen wahrhaben, um was es sich bei all diesen Kinder tatsächlich handelt: um vorgeburtliche Schädigungen, vor allem Hirnschädigungen, irreversibel hervorgerufen durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft.“
Sie können sich vorstellen, wie schwierig es für diese Familien ist, ein menschenwürdiges Leben zu gestalten. Schätzungen gehen von mindestens 10 000 entsprechenden Geburten pro Jahr aus. Pessimistische Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass es bis zu 100 000 sein können. Es sind mindestens 850 000 Menschen, die mit diesem Syndrom in Deutschland leben. Ich finde, es ist höchste Zeit, dass wir handeln. Wir im Ausschuss sind uns da sehr einig.
Vielen Dank.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der Linken)