Wir haben immer wieder dafür gesorgt, dass die inflationsbedingten Steuererhöhungen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es nicht verhehlen: Ich habe mich auf die Debatte wirklich gefreut, lieber Markus. Ich habe drei Jahre lang darauf gewartet, dass wir endlich mal auch von diesem Pult aus mit der FDP in die steuerpolitische Auseinandersetzung gehen können, wobei ich ja nicht genau weiß, ob ihr euch noch zu eurem Programm, das ihr heute vorgestellt habt, bekennt oder ob es doch wieder nur von einem Praktikanten war. Aber ich nehme das mal so hin. Ich meine, man weiß ja auch nicht, ob man nach dem Februar noch Zeit hat, das hier mit euch zu diskutieren. Deswegen: Ich freue mich wirklich, die Debatte heute zu führen. Ich muss sagen: Herr Dürr, dieser Leistungsbegriff liegt mir doch schwer im Magen. Wir haben am Montag Christian Lindner gehört, der hier in der Debatte zur Vertrauensfrage schon von Neid gesprochen hat im Zusammenhang mit dem steuerpolitischen Programm der SPD, aber auch der Grünen. Heute haben Sie über Leistung gesprochen. Ich habe ein bisschen den Eindruck: Leistung bemisst sich bei Ihnen, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen von der Union rein am Einkommen oder am Vermögen. Ich finde, die echten Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in dieser Gesellschaft sind diejenigen, die tagsüber Arbeit zu leisten haben, die wirklich jeden Morgen aufstehen und für wenig Geld Arbeit an der Gesellschaft leisten und die nicht müde werden, auch wenn sie am Ende des Monats nicht mehr viel auf dem Konto haben, sondern jeden Cent umdrehen müssen. Das sind die wahren Leistungsträgerinnen und Leistungsträger. Und zur Neiddebatte. Ich bekenne mich ja dazu: Natürlich wollen wir zum Beispiel den Soli in eine Zukunftsabgabe überführen. Natürlich wollen wir auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer reformieren, sodass die ganzen Ausnahmen endlich mal eliminiert werden und Leute in Deutschland wirklich mehr Erbschaftsteuer zahlen. Wir wollen auch die Vermögensteuer wieder aktivieren. Aber wir tun das ja nicht aus Neid oder aus Missgunst, sondern wir tun das einzig und allein aus dem Anspruch heraus, den diese Republik sich bei ihrer Konstituierung selber gegeben hat, nämlich dass die stärksten Schultern, die, die wirklich am meisten zu leisten imstande sind, auch die stärkste Last tragen, und nicht diejenigen in der Mitte der Gesellschaft, die täglich arbeiten gehen. Und diese Entwicklung – Herr Dürr, ich kann Ihnen das nicht ersparen – ist ja sogar noch schlimmer geworden: Die höchsten Vermögen in dieser Gesellschaft sind weiter angewachsen, während die Leute, die jeden Tag arbeiten gehen, wirklich am meisten unter diesen Krisen in den letzten Jahren und Jahrzehnten gelitten haben. In den letzten 15 Jahren ist die Vermögensungleichheit in Deutschland um 20 Prozent angewachsen. Wir haben mittlerweile die größte Konzentration von Vermögen in Europa, die drittgrößte unter allen OECD-Staaten, und Sie stellen sich hierhin und sagen: Wir wollen keine Neiddiskussion. Leistung muss sich lohnen. Es geht doch darum, dass die Lasten in dieser Gesellschaft endlich gerecht verteilt werden und nicht zwei Familien in Deutschland über die Hälfte des gesamten Wohlstandes haben. Wenn 20 Prozent in dieser Gesellschaft gar kein Vermögen mehr haben und mehr als die Hälfte unseres Wohlstandes in dieser Gesellschaft nicht mehr erarbeitet, sondern in Privatvermögen einfach nur noch vererbt oder verschenkt wird, dann ist doch spätestens der Zeitpunkt da, an dem auch Sie sich dieser Diskussion stellen müssen. Die Kolleginnen und Kollegen der Union tun das mittlerweile – ich habe von einigen gute Ansätze gehört – und sagen, dass wir über diese steuerpolitischen Reformen sprechen müssen. Ich sehe Herrn Tebroke, der gerade nickt. Ich weiß auch, dass sogar Herr Merz im Team Laschet 2021 mal von einer dosierten Erhöhung der Erbschaftsteuer gesprochen hat. Deswegen: Lassen Sie uns darüber ins Gespräch kommen und nicht solche Debatten wie heute hier führen! Was mich aber wirklich am meisten stört, ist die Neiddiskussion, die Sie anfangen. Die hat mit der Debatte heute zu tun, mit Ihrem Leistungsbegriff, aber sie hat auch mit den Ausführungen zu tun, wie Sie das Ganze finanzieren wollen. Sie gucken nur nach unten. Sie spielen die Ärmsten gegen die Armen aus. Sie spielen Bürgergeldempfänger gegen Geflüchtete aus, Aufstocker gegen Rentner, Leute, die Mindestlohn beziehen, gegen diejenigen, die wenig verdienen. Das ist das große Problem in dieser Gesellschaft: dass Sie eine Neiddebatte nach unten verlagern, obwohl sie mit dem Blick nach oben stattfinden könnte. Wir wollen eine solche Neiddebatte nicht, aber so könnte sie stattfinden, so wäre es angemessen. Sie müssen sich mal überlegen: Sie und auch die Union machen Programme mit 80 Milliarden, 90 Milliarden Euro Entlastung und wollen das mit Einsparungen bei Geflüchteten, also bei der Migration, und beim Bürgergeld gegenfinanzieren. Machen Sie sich mal ehrlich: Einsparungen bei dem, was im Grundgesetz steht, der Grundsicherung, bei dem, was an Menschenwürde noch übrig bleiben soll in diesem Sozialstaat, werden keine Programme in Höhe von 90 Milliarden Euro finanzieren. Wir sprechen da vielleicht von 4 Milliarden bis 5 Milliarden Euro. Wenn Sie alles zurückdrehen würden, was wir gemeinsam in dieser Bundesregierung an Beschlüssen gefasst haben, dann wären wir vielleicht bei 10 Milliarden Euro. Damit werden Ihre Steuergeschenke für die da oben niemals zu finanzieren sein. Das werden wir auch nicht zulassen, lieber Herr Dürr. – Freut mich, dass ich Sie nach Ihrem Redebeitrag noch mal motivieren konnte. Herr Dürr, vielleicht drei Punkte dazu: Der erste Punkt. Ich habe es hundertmal erklärt, aber anscheinend hat es immer noch nicht gewirkt. Deswegen erkläre ich es gerne noch hundertmal. Der zweite Punkt ist: Nach meiner Einschätzung haben wir dieses Gesetz gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingebracht und wollten es auch zur Abstimmung bringen. Übrigens haben wir nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den zurückliegenden Jahren – unter Beteiligung der SPD – immer wieder die kalte Progression ausgeglichen. Dafür haben wir in der letzten Regierung und in dieser Regierung Verantwortung getragen, und wir werden es auch zukünftig tun, Herr Dürr. Der dritte Punkt. Diese Neiddebatte richtet sich ja wirklich gegen diejenigen, die da unten vielleicht zum Mindestlohn arbeiten müssen, den wir Gott sei Dank erhöht haben, oder die vielleicht Bürgergeld beziehen müssen, was sie nicht freiwillig tun. Die meisten Menschen sind übrigens auch nicht arbeitsunwillig, sondern vielleicht Aufstockerinnen und Aufstocker oder Alleinerziehende, die das in Anspruch nehmen müssen. Diese Neiddebatte vergiftet den politischen Diskurs, und deswegen muss sie abgelehnt werden. Ein Letztes noch. Ich hätte mich gefreut, wenn der Kollege Lindner da wäre. Sie sind ja heute auch nur mit sieben Leuten zu der Debatte über Ihren eigenen Gesetzentwurf erschienen. Der Kollege Lindner hat ja davon gesprochen, dass er von Olaf Scholz auf die Straße gesetzt worden ist und er sich auf der Straße wohlfühlen würde. Ich finde, auch das gehört in diesem Parlament vielleicht eingeordnet. Liebe Bürgerinnen und Bürger, natürlich sitzt Herr Lindner nicht auf der Straße. Er sitzt selbstverständlich als Mitglied des Deutschen Bundestages in diesem Parlament und bekommt jeden Monat circa 11 000 Euro an Steuergeldern überwiesen. Ich finde, es ist eine absolute Unverschämtheit, wenn er in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt – er kokettierte damit bei der Spendengala –, seine private Situation würde nicht mehr hergeben und Ähnliches. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit den Leuten gegenüber, die diesen Winter wirklich auf der Straße sitzen. Das lassen wir ihm auch nicht durchgehen. Es gab ja einige Kommentierungen, – – dass er ja mittlerweile fast schon Street Credibility bekommen hat. – Letzter Satz. „Vom Bordstein bis zur Skyline“ war bei ihm leider nur – – „Von der Wilhelmstraße bis zur Paul-Löbe-Allee“. Vielen Dank.