- Bundestagsanalysen
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten um den Solidaritätszuschlag finden hier im Hohen Haus so zuverlässig statt, wie in den Radiostationen vor Weihnachten „Last Christmas“ gespielt wird. Bisher war die AfD-Fraktion diejenige, von der diese Anträge kamen. Jetzt, nach Ende der Koalition, kann die FDP quasi befreit aufspielen und ihr Ceterum censeo zum Besten geben: Solidaritätszuschlagbefreiungsgesetz.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP hat recht. Der Soli muss weg.
Macht’s halt!)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen alle miteinander die Frage beantworten, wie wir diesen Staat finanzieren. Da kommt meine Fraktion zu einer anderen Antwort als die FDP, die AfD oder die Union. Wir sind nicht der Meinung, dass besonders diejenigen steuerlich entlastet werden sollten, die am meisten verdienen. Wir wollen die steuerlichen Entlastungen auf diejenigen konzentrieren, die zwar hart arbeiten, aber wenig verdienen.
Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
– Zu den Unternehmen komme ich später, Herr Dürr, keine Sorge.
Entgegen dem, was Carsten Linnemann verbreitet, nehmen wir sehr viel Leistungsbereitschaft in unserem Land wahr.
Zuruf des Abg. Olav Gutting [CDU/CSU])
Menschen, die unser Land am Laufen halten, in der Nachtschicht, im Krankenhaus oder in der Produktion, in der Backstube, am Wochenende am Steuer der Busse oder der Züge.
In der Bundesregierung fehlt die Leistungsbereitschaft!)
– Ich glaube, wer aus der CSU kommt, sollte über Leistungsbereitschaft schweigen.
Beifall des Abg. Thomas Lutze [SPD])
An vielen anderen Orten in unserem Land leisten Menschen viel, ohne dafür viel zu bekommen. Und all diese Menschen haben von der Abschaffung des Solidaritätszuschlags gar nichts. Deshalb wollen wir den Solidaritätszuschlag in den regulären Einkommensteuertarif überführen. Diese Reform würde nicht nur mehr Transparenz schaffen, sondern auch zu einem gerechteren und effizienteren Steuersystem beitragen. Sie würde verfassungsrechtliche Unsicherheiten beseitigen. Aber natürlich würde diese Maßnahme alleine die bestehenden Probleme unseres Steuer- und Abgabensystems nicht beheben. Deshalb wollen wir gezielt steuerliche Entlastungen umsetzen, damit Menschen mit geringen und mittleren Einkommen am Ende mehr haben.
Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Die Arbeitnehmerpauschbeträge in der Einkommensteuer wollen wir deutlich anheben.
Dann hätten Sie es halt gemacht! Sie sind in der Regierung!)
Das baut auch endlich Bürokratie ab, weil dann die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gar keine Belege mehr sammeln muss.
Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Wir können gerade Bürgerinnen und Bürger mit niedrigen Einkommen auch durch Steuergutschriften unbürokratisch entlasten und damit zugleich die Arbeitsanreize im Bürgergeld erhöhen. Alleinerziehende können mit gezielten Steuergutschriften ebenfalls besser unterstützt werden. Die sind bei der Preisentwicklung von der Inflation oft besonders betroffen.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gottschalk?
Nein!)
Nein.
Beifall des Abg. Sascha Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir wollen den Grundfreibetrag erhöhen, damit kleine Einkommen steuerlich entlastet werden.
Aber Sie sind doch an der Regierung!)
– Wir haben keine Mehrheit. Das wissen Sie genau.
Zurufe der Abg. Olav Gutting [CDU/CSU] und Alexander Hoffmann [CDU/CSU])
Und natürlich wollen wir was für unsere Unternehmen tun, damit sie wieder mehr in unserem Land investieren. Mit einer 10-prozentigen Zulage bekommen unsere Unternehmen ein einfaches, sehr wirkungsvolles Instrument an die Hand. Das bestätigen uns viele Ökonomen.
Beifall des Abg. Sascha Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Ökonomen haben diese Woche auch vorgelegt, welche Auswirkungen die Steuerpläne der Parteien auf die öffentlichen Haushalte haben. Da sehen wir das Problem, dass jetzt im Wahlkampf viel ins Schaufenster gestellt wird. Die Union tritt mit Steuersenkungen in Höhe von über 100 Milliarden Euro an.
Gott sei Dank!)
Die FDP toppt das noch deutlich. Gleichzeitig erzählen Sie, dass die Schuldenbremse, so wie sie heute in der Verfassung steht, unantastbar sein soll oder sogar in die Ewigkeitsgarantie der Verfassung aufgenommen werden soll.
Letzte Woche wurden in Stockholm und in Oslo die Nobelpreise vergeben.
Aber nicht für die Grünen!)
Und der aktuelle Nobelpreisträger in den Wirtschaftswissenschaften, der am MIT forschende Daron Acemoğlu, blickt ganz anders auf die Schuldenbremse. Ich darf aus einem Interview in der „FAZ“ zitieren:
„Ja, das größte Problem, das Deutschland hat, ist die bröckelnde Infrastruktur. Ich habe das gesehen, als ich zuletzt in Deutschland war, das ist wirklich ein Bruch, verglichen mit dem besseren Zustand vor zehn oder 20 Jahren. Sich in einer Phase wie jetzt selbst die Hände zu binden macht keinen Sinn. Fiskalische Disziplin ist wichtig, und Deutschland sollte nicht grundsätzlich darauf verzichten. Aber solche strengen Grenzen sind nicht nützlich.“
Beifall des Abg. Sascha Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich würde mir sehr wünschen, dass wir in diesem Wahlkampf darüber sprechen, wie wir unser Land wirklich wieder nach vorne bringen können.
„Wieder nach vorn“!)
Dabei helfen uns ideologische Debatten keinen Deut weiter.
Wir haben große Investitionsbedarfe, und selbst wenn wir die Schuldenbremse reformieren, werden wir uns nicht unmittelbar im Paradies wiederfinden. Wir brauchen Gerechtigkeit in unserem Steuersystem. Wir müssen unseren Staat finanzieren. Wir brauchen Investitionen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Herzlichen Dank.
Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Johannes Steiniger, CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU
Jetzt kommt Niveau in die Debatte!)