Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich ernsthaft mit der Finanz- und Steuerpolitik befassen will, dann kann man das Thema nicht wie Sie, Herr Dürr, mit einem Punkt, dem Soli, abtun, sondern es muss auch um andere, um weitere Punkte gehen, um drei wesentliche Dinge: Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in der Breite, Impulse für Arbeitsplätze und unsere Wirtschaft und eine solide Finanzierung dieser herausfordernden Vorhaben. Was aber machen die FDP und die Merz-CDU in ihren Wahlprogrammen? Kurz zusammengefasst: eine knallharte Umverteilung von der Mitte der Gesellschaft, von den Menschen, die täglich arbeiten gehen, zu den Reichsten in diesem Land. Sie reißen dabei ein riesiges Loch in den Staatshaushalt: bei der CDU/CSU von bis zu 100 Milliarden Euro, bei Ihnen sogar von 188 Milliarden Euro. Das ist eine völlig unseriöse Finanzpolitik, sozial ungerecht und schlecht für dieses Land, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das zeigt doch nur eins, Herr Dürr: Sie können entweder nicht mit Geld umgehen, oder Sie unterschlagen den Bürgerinnen und Bürgern ganz bewusst die massiven Kürzungen, mit denen Sie diese riesige Lücke im Haushalt schließen wollen: bei der Rente, beim Kindergeld oder bei den notwendigen Investitionen für Arbeitsplätze und Wirtschaft. Das ist mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht zu machen. Die Berechnungen zu den Wahlprogrammen von CDU/CSU und FDP kommen übrigens nicht von mir. Sie kommen beispielsweise vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft, also keiner sozialdemokratischen Vorfeldorganisation. Kommen wir mal zur Einkommensteuer. Die SPD hat klargemacht: 95 Prozent der Menschen wollen wir entlasten; die höchsten Einkommen, vor allem das oberste Prozent, wollen wir zur Gegenfinanzierung heranziehen. Verräterisch war da doch schon die Reaktion von Friedrich Merz: Das würde die Leistungsträger belasten. Übrigens, bei dem einen Prozent sind es 23 000 Euro brutto im Monat, um das mal den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen. Und jetzt stehen im CDU-Programm Mindereinnahmen von 30,5 Milliarden Euro. Aber wo kommt das an? Berechnungen zeigen: Bei der arbeitenden Mitte kommen gerade mal 10 Prozent davon an. An die reichsten 30 Prozent gehen 80 Prozent, an die reichsten 10 Prozent 40 Prozent der Entlastungen. Wir wollen, dass die Handwerkerin, der Industriemechaniker, die Busfahrerin und der Pfleger mehr im Geldbeutel haben; denn das sind die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger dieser Gesellschaft. Die Merz-CDU kümmert sich um das eine Prozent. Gleiches gilt übrigens bei der Streichung des Rest-Solidaritätszuschlags. Für 90 Prozent der Menschen in diesem Land haben wir den Soli mit dem damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz schon gestrichen. Wenn man nun den Rest-Soli auch noch wegnimmt: Wer profitiert dann von den 12,5 Milliarden Euro? 62 Prozent würden beim reichsten einen Prozent bleiben. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den generellen Unternehmensteuersenkungen, die FDP und CDU/CSU fordern. Fazit des Ökonomen Jens Südekum zuletzt bei „Markus Lanz“: Das Programm der Union – und ich ergänze: auch das der FDP – ist „auf Sand gebaut“. Wir brauchen aber das Gegenteil: ein solides, ein festes Fundament für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft. Und das wollen Olaf Scholz und die Sozialdemokratie. Die CDU/CSU und auch die FDP verstecken ihre Umverteilungen von unten und von der Mitte nach ganz oben ja immer unter dem Deckmantel der Wirtschaftsförderung; Herr Dürr hat das gerade ja auch getan. Aber was braucht die Wirtschaft denn wirklich? Sie haben wieder eine Studie mit einem Ranking genannt, in dem Deutschland in der Wettbewerbsfähigkeit absinkt. Sie erwähnen aber nie, in welchen Kategorien Deutschland zurückgefallen ist. Am stärksten zurückgefallen sind wir in den Bereichen Haltungen und Werte, in denen unter anderem die niedrige Beschäftigungsquote von Frauen als negativer Faktor für den Standort eine Rolle spielt. Wir sind zurückgefallen bei technologischer und allgemeiner Infrastruktur, aber nicht bei den Steuern. Es ist kontrafaktisch, was Sie hier vortragen, Herr Dürr, und das wissen Sie auch. Ich darf Ihnen aus der OECD-Wachstumsprognose für Deutschland zitieren: „Ein … Grund für das relativ schwache Wachstum … ist die im Vergleich zu anderen Ländern der Eurozone“ – damals noch unter dem Finanzminister Lindner – „restriktivere“ – zurückhaltendere – „Fiskalpolitik.“ Unter anderem die „Wiedereinsetzung der Schuldenbremse“ führte 2024 zu einer „starken Reduzierung der öffentlichen Ausgaben“, und das ist schädlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in herausfordernden Zeiten für Gesellschaft und Wirtschaft wollen und müssen wir starke fiskalische Impulse zur Stärkung unserer Wirtschaft setzen. Herr Lindner hat genau das verhindert. Er war nicht Teil der Lösung; er war ein wesentlicher Teil des Problems für Deutschland und Deutschlands Wirtschaft. Wir wollen und müssen jetzt das tun, was der Internationale Währungsfonds, was die OECD, was Wirtschaftsverbände wie der BDI genauso wie Gewerkschaften und die Wirtschaftsweisen fordern: Wir brauchen massiv mehr private wie öffentliche Investitionen, und zwar nicht mit der Gießkanne, sondern gezielte steuerliche Anreize für Investitionen in die Modernisierung unserer Wirtschaft, mit der Investitionsprämie, mit Abschreibungsmöglichkeiten. Herr Dürr, im Steuerfortentwicklungsgesetz waren übrigens 8 Milliarden Euro genau solcher Entlastungen für die Wirtschaft vorgesehen. Sie und die CDU/CSU haben sie aus diesem Gesetz herausgenommen. Sie schaden damit dem Wirtschaftsstandort Deutschland, Herr Dürr; das muss man auch ganz deutlich sagen. – Nein, wir hätten genau diesen Teil drin lassen können. Das wollten wir auch; Sie haben es verhindert. 600 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren brauchen wir an öffentlichen Investitionen in den Breitbandausbau genauso wie in Straßen und Brücken – da muss jeder nur auf den Zustand der Straßen und Brücken in diesem Land schauen –, in die Bahn, in bezahlbare Wohnungen, in Krankenhäuser, in Kitas und in Schulen. Das alles dient der notwendigen Modernisierung unseres Landes und gleichzeitig der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft für gutbezahlte, tarifgebundene Arbeitsplätze. Dazu braucht es eine solide Finanzierung und eine gerechte Steuerpolitik, keine Umverteilung von der Mitte zu den Reichsten, wie es CDU/CSU und FDP wollen. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.