Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Aktuellen Stunde und den Hiobsbotschaften, die uns jeden Tag aus der Ukraine erreichen, geht es mir wie Ihnen: Wir alle sind betroffen; das klang schon ein bisschen durch. Ich nenne hier ausdrücklich die Angriffe auf die Atomkraftwerke: ein Tabubruch ohnegleichen. Dann gab es heute – es wurde schon erwähnt, als könnte man es nicht besser timen – ein erneutes Erdbeben vor der Küste von Fukushima. Und wir diskutieren hier heute die Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fühle mich echt wie im falschen Film. Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt: Soll ich mich wundern oder nicht? Also, soll ich mich wundern, weil es ein wiederholter Antrag ist? Das wurde schon gesagt. Soll ich mich wundern, weil die Argumente eigentlich hinlänglich ausgetauscht sind? Ober soll ich mich nicht wundern, weil die Standardantwort der AfD auf sämtliche Energieprobleme immer nur Atomkraft heißt? Mehr fällt Ihnen offensichtlich nicht ein. Deswegen wundert es mich im Ergebnis dann doch nicht, dass dieser Antrag hier heute auf dem Tisch liegt. Ich habe ihn trotzdem aufmerksam gelesen. Sie stützen Ihren Antrag auf drei steile Thesen: „Die Kernkraftwerke tragen zur sicheren und unabhängigen Energieversorgung bei“, Laufzeitverlängerungen seien über viele Jahre möglich, und schließlich – ganz wichtig –: „Mit der Laufzeitverlängerung können ganz konkret Erdgaslieferungen ersetzt werden.“ – Das können wir leicht widerlegen – manches wurde schon dazu gesagt –, aber dazu müssen wir uns zunächst mal mit der Versorgungssituation auseinandersetzen. Immerhin 4 Gigawatt – das entspricht 5 Prozent unseres jährlichen Strombedarfs oder Leistungsbedarfs – kommen aus diesen drei verbliebenen Kernkraftwerken. 5 Prozent, diese Zahl merken wir uns für den Moment. Zu Kohle und Öl hat Herr Dr. Kraft immerhin ausgeführt, dass wir das werden ersetzen können, dass diese Abhängigkeit zwar nicht schön, aber belastbar zu lösen ist. Das hat er anerkannt. Also konzentrieren wir uns auf das Thema Gas. Wofür brauchen wir Gas? Im Wesentlichen brauchen wir Gas – das wurde schon gesagt – zur Wärmeerzeugung, nur etwa 15 Prozent zur Stromerzeugung. Wo läuft dieses Gas hin? Zum großen Teil läuft auch das noch in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Das heißt, auch hier landet noch ein Teil in der Wärmeerzeugung. Also weder bei der Strom- noch bei der Wärmeerzeugung würde Atomkraft einen Beitrag leisten. Das heißt, wir können die gegenwärtige Situation damit nicht lösen. Es kommt noch eines hinzu: Die Turbinengaskraftwerke, die wir haben, sind für die Spitzenlast gedacht, weil sie schnell anfahren; innerhalb weniger Minuten sind sie am Netz, manchmal sogar in unter einer Minute. Atomkraftwerke sind für die Grundlast gedacht. Das heißt, Sie wollen hier ein Spitzenlastkraftwerk durch ein Grundlastkraftwerk ersetzen. Das wird technisch überhaupt nicht funktionieren. Weder bei der Wärme noch beim Strom ist Ihr Ansatz tauglich. Zur Beschaffung der Brennstäbe ist schon einiges gesagt worden; ich will das nicht zu sehr vertiefen. Zum Übergang wäre tatsächlich ein Streckbetrieb möglich. Der Nachteil eines solchen Streckbetriebs, wenn ich ihn denn mit den ausgelaugten Brennstäben, die im Moment vorhanden sind, mache, bis die neuen da sind, ist: Daraus entsteht nicht mehr Strom. Die Stromerzeugung wird nur auf längere Zeit gestreckt. Damit haben wir dann allerdings auch nicht wirklich etwas gewonnen. Auch auf die Abhängigkeit von Russland, von Kasachstan bei Uran ist hingewiesen worden; in der Förderung steckt Russland ebenfalls mit drin. Das heißt, Sie tauschen die eine Abhängigkeit durch die andere aus. Welchen Sinn das ergeben soll, erschließt sich mir nicht. Ein paar Worte noch zur Störanfälligkeit; auch darauf ist schon hingewiesen worden. Es ist aber ganz wichtig. Es sind ja keine neuen Meiler, um die es geht, sondern es geht um alte. Es ist so, dass von der installierten Leistung der AKWs in der Vergangenheit nur ungefähr 70 Prozent tatsächlich angekommen sind. Der Rest ging verloren: durch Wartungsarbeiten, durch Stillstand, Notabschaltungen, was weiß ich. Es sind alte Meiler, das heißt, diese Quote wird sich höchstwahrscheinlich noch erhöhen. Der Kollege Blankenburg hat auf die Wartungsnotwendigkeiten hingewiesen. Von den drei Meilern, um die es geht, wird im Schnitt mindestens einer stillstehen, wahrscheinlich sogar zwei, und dafür setzen Sie einen Riesenapparat in Gang. Das steht in überhaupt keinem Verhältnis. Noch ein paar Worte zur Wirtschaftlichkeit. Ich will das nicht mit Zahlen hinterlegen; das hat der Kollege Heilmann, finde ich, ausführlich und gut getan. Vielleicht nur noch mal zu den Kosten und Risiken im weitesten Sinne. Es ist darauf hingewiesen worden: Die Betreiber sind nur bereit, einen Weiterbetrieb durchzuführen, wenn der Staat die komplette Verantwortung, das komplette Risiko übernimmt. Neue Genehmigungen wären fällig, an verschiedenen Stellen eine Aufrüstung auf den aktuellen Stand der Technik, eine komplett neue Personalplanung wäre zu erstellen, da die jetzige natürlich auf das Auslaufen der Meiler angelegt ist. Es wäre gegebenenfalls neues Personal zu akquirieren; denn das vorhandene hat ja andere Pläne, hat Abfindungen bekommen. Auf die Kosten für den neu anfallenden Atommüll ist auch schon hingewiesen worden. Das heißt, die Wirtschaftlichkeit ist überhaupt nicht gegeben. Die Betreiber wollen am Atomausstieg Ende 2022 festhalten. Dazu gibt es etliche Zitate. Ich muss und kann die hier auch aus Zeitgründen nicht mehr vortragen. Eine letzte Bemerkung: Die Ampel hat mit dem Osterpaket und den nachfolgenden Gesetzen die mit Abstand bessere Lösung parat. Es geht nämlich darum, auf die Erneuerbaren umzusteigen. Hierzu sind die Argumente schon hinlänglich ausgetauscht. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, betrachte ich Ihren Ansatz als widerlegt; denn die Grundannahmen, auf die Sie sich stützen, treffen schlichtweg nicht zu. Danke schön.