Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung eines nationalen Gedenktags für die Opfer terroristischer Gewalt ist eine richtige Entscheidung und ein kraftvolles Zeichen der Empathie und des Mitgefühls. Wir müssen nicht nur an die Opfer terroristischer Taten denken, sondern die zertrümmerte Welt auch aus ihren Augen sehen und uns fragen: Was hat diese Terrortat mit den Opfern und ihren Angehörigen gemacht? Hat der Staat genügend getan, um sie zu schützen, und hat er sie im Nachhinein, nach der Tat, genügend und hinreichend betreut? Ich durfte in zwei Untersuchungsausschüssen in diesem Haus Mitglied sein, zum einen im NSU-II-Untersuchungsausschuss und zum anderen im Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Zu den bedrückendsten Begegnungen gehörte die Zusammenkunft der Ausschussmitglieder mit den Opfern und ihren Angehörigen nach der Debatte hier im Plenum. Die Angehörigen der Opfer haben uns gesagt, dass sie sich vom Staat komplett im Stich gelassen gefühlt haben. Ein Angehöriger eines Opfers hat als Allererstes eine Rechnung von der Pathologie bekommen. Andere mussten wochenlang auf einen Termin bei der Traumaambulanz warten. Uns ist entgegengehalten worden: Der Staat hat versagt, uns und unsere Liebsten zu schützen, und er hat ein zweites Mal versagt, bei der Betreuung unseres Schmerzes und unserer Lebenslage. – Deswegen muss von diesem Gedenktag das wichtige Signal ausgehen, dass der Staat gelernt hat und dass er die Opfer niemals alleine lassen darf. Die Verbesserung im Opferschutz sollte keine Frage parteipolitischer Debatten sein, sondern eines klugen Handelns und einer entschlossenen Politik. Es ist gut, dass der Deutsche Bundestag in der letzten Wahlperiode eine Reform des Sozialen Entschädigungsrechts auf den Weg gebracht hat; es wird erst 2024 gänzlich in Kraft treten. Aber viele wichtige Regelungen sind vorgezogen worden: bei den Härtefallleistungen und alle Regelungen in Bezug auf die psychologische Betreuung. Denn das, was Angehörige von Terroropfern brauchen, ist eine richtige Betreuung, dass der Staat sie an die Hand nimmt, dass sie ihren Schmerz überwinden können. Das sind wir ganz konkret den Angehörigen schuldig. Wir müssen aber auch weiterhin bereit sein, die wesentlichen Fragen zu beantworten, die sich rund um terroristische Bedrohungen stellen. Wir müssen noch besser werden bei der Frage der Prävention und der Deradikalisierung. Kein Mensch wird als Terrorist, als Rechtsextremer, als Antisemit geboren. Menschen werden dazu. Die Frage ist, warum Menschen dazu werden und was der Staat tun kann, um präventiv tätig zu werden. Wir müssen weiterhin unsere Sicherheitsbehörden im Blick haben und sie stärken im Hinblick auf Befugnisse und Ermittlungen, aber auch in der ganz konkreten Konfliktsituation nach einem terroristischen Angriff. Es ist für keinen Rettungssanitäter und für keinen Polizeibeamten leicht, mit den Opfern umzugehen, schlimme Nachrichten zu überbringen. Auch hier haben Polizei und Rettungskräfte unsere Solidarität verdient. Wir müssen – das ist mein letzter Gedanke – auch die Opferverbände stärken, die sich in Selbsthilfe organisieren und zusammenschließen. Ich bin dem neuen Opferbeauftragten dankbar für das, was er mit großer Empathie heute vorgetragen hat. Lassen Sie uns die Angelegenheiten des Opferschutzes in diesem Haus gemeinsam debattieren. Es geht hier um die Selbstverteidigung des Staates, nicht nur gegen terroristische Bedrohung; vielmehr geht es auch um die Bewahrung und den Erhalt der Würde der Opfer, darum, dass ihr Andenken aufrechterhalten wird und dass der Staat auch aus diesen Taten lernt, um sie, wie ich eingangs sagte, mit den Augen der Betroffenen zu sehen. Herzlichen Dank.