Spät, aber dann doch kraftvoll hat die Bundesregierung reagiert. Herr Bundeskanzler, wir haben hier manche Diskussion auch vor Ihrer Regierungserklärung geführt, die dann in der Tat eine, wie Sie gesagt haben, Zeitenwende eingeleitet hat. Aber es stellt sich jetzt die Frage: Haben wir das verstanden? Machen wir in dem Sinne Politik – als Europäer, als NATO-Mitglied, als Bundesrepublik Deutschland und auch als Deutscher Bundestag? Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wagener hat es vollkommen richtig gesagt: Wir erleben nach wie vor einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Die russischen Truppen legen das Land in Schutt und Asche, führen einen brutalen Kampf, auch gegen die Zivilbevölkerung. Insbesondere Frauen, Kinder und Alte leiden darunter. Das ist eine humanitäre Katastrophe vor unseren Augen. Es werden Söldnertruppen eingesetzt, die keine richtigen Kombattanten sind. Zudem wird Kriegsvölkerrecht verletzt. Diejenigen, die dort sind, berichten von der Hölle auf Erden. Und deswegen stellt sich in der Tat die Frage – die Grundaussage, Herr Kollege Wagener, teile ich –: Wo steht Deutschland? In dieser Situation muss Deutschland an der Seite der freien, demokratischen, souveränen Ukraine stehen. Da ist unser Platz und nirgendwo anders. Ich möchte mit der Formalie beginnen. Morgen spricht Präsident Selenskyj wahrscheinlich in diesem Haus. Es würde mich freuen, wenn das technisch gelingt und wenn es ihm körperlich möglich ist. Es wird eine Ehre für uns alle sein. Danach aber sollen wir nach Ihrem Willen eine Diskussion über die Impfpflicht führen, während heute beide Häuser des US-Kongresses zusammengesessen, dem Präsidenten zugehört und dann auch darüber debattiert haben und während auch das australische Parlament dem Präsidenten zugehört und über die Sache debattiert hat. Ich liebe das Wort nicht, aber ich empfinde Fremdscham für das, was die Ampel hier macht, nämlich dass wir morgen nicht sofort im Anschluss an die Rede von Präsident Selenskyi eine Debatte zur Situation in der Ukraine miteinander führen. Auch wenn Sie erfreulicherweise seitens der Regierung – sogar der Bundeskanzler – anwesend sind, wissen Sie ganz genau, dass das morgen die richtige Zeit für eine Debatte gewesen wäre, übrigens auch in Erfüllung Ihrer Berichtspflicht als Bundesregierung gegenüber dem Parlament. In der letzten Wahlperiode brauchte die Bundeskanzlerin nur mal in die Nähe von Brüssel zu kommen, dann hat Herr Buschmann als PGF der FDP schon verlangt, dass es eine Regierungserklärung gibt. Wo bleibt Ihre Bereitschaft, gegenüber dem Parlament Rechenschaft abzulegen? Das erwarten wir von Ihnen! Das gilt erst recht, nachdem andere Länder zeigen, dass sie dazu in der Lage sind. Herr Wagener, Sie haben gesagt, wir müssten jetzt alles tun. Wer ist es denn, der nicht bereit ist, über weitere Sanktionen zu reden? Wir haben gesagt: Nord Stream 1 kommt in die Diskussion. Wer lehnt das denn ab, Herr Wagener? Das ist doch Ihr grüner Wirtschaftsminister, der das ausschließt. Dann machen Sie doch mehr! Die Waffenlieferungen sind ehrlich gesagt ein schwerer Schritt für Sie gewesen. Wir erkennen das an. – Nein, das muss man in der Tat sagen. Das ist Ihnen schwergefallen. Sie haben das spät gemacht; es sind offensichtlich auch noch nicht alle angekommen. Es gibt den dringenden Wunsch der Ukraine, dass mehr geliefert wird. – Und wenn, Frau Künast, die Waffenlieferungen, die bisher erfolgt sind, nicht nur reine Gewissensberuhigung für Sie gewesen sein sollen, sondern wenn Sie ernsthaft einen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit der freien Ukraine leisten wollten und weiter leisten wollen – darauf kommt es an –, dann müssen Sie jetzt auch zu weiteren Waffenlieferungen bereit sein. Wir liefern weniger als Dänemark! Und ich bin ein Freund Dänemarks. Das ist doch auch wieder so eine Sache, wo man sich schämen muss, dass wir nicht zu mehr in der Lage sind. Herr Bundeskanzler, in der Rede haben Sie gesagt: Wir brauchen eine stärkere Bundeswehr, und wir stellen 100 Milliarden Euro in einem Sondervermögen bereit, um die Bundeswehr zu stärken. – Es ist von Ihnen und vom Finanzminister an die Union appelliert worden, dass wir das unterstützen sollen, wozu – das hat Friedrich Merz gesagt – wir dem Grunde nach bereit sind. Nur: Ich muss auch hier mal daran erinnern – – – Frau Kollegin Haßelmann, eines will ich Ihnen klar sagen, und das habe ich auch schon an dem Sonntag in der Plenarsitzung gesagt: Dass wir hier einen Blankoscheck ausstellen und verfassungsrechtlich die Aufnahme weiterer Schulden in dieser großen Höhe ermöglichen, werden Sie nicht erleben. Wir erwarten, dass wir an der Abfassung des Gesetzestextes betreffend die Grundgesetzänderung und an der Verwendung dieser Mittel – übrigens nur für die Bundeswehr – beteiligt werden. Das mögen Sie gewährleisten. Und wenn das gewährleistet ist, werden wir zustimmen. Aber eine Beteiligung der Unionsfraktion daran – und das wäre gute parlamentarische Sitte gewesen – hat es nicht gegeben. Wer mit uns gemeinsam die Verfassung ändern will, muss anders mit uns umgehen; der muss uns in die Diskussion mit einbeziehen. Das ist jetzt Ihre politische und parlamentarische Aufgabe in den nächsten Wochen, wenn die Operation gelingen soll. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.