Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausgangspunkt für das wichtige Thema, über das wir heute sprechen, ist der Digital Services Act, der am 16. November 2022 mit der, wie ich finde, sehr guten Intention an den Start gegangen ist, dass man diesen Flickenteppich an digitaler Regulierung, den man in verschiedenen Ländern Europas hat, endlich vereinheitlicht; denn wir sehen doch, dass Digitalisierung und das Internet nicht an staatlichen Grenzen haltmachen. Deswegen ist das ein grundsätzlich sinnvoller Gedanke. Grundsätzlich sinnvoll ist auch, wenn man erkennt, dass wir natürlich in den sozialen Medien und im Internet ein Rechtsdurchsetzungsproblem haben, kein Problem der Schaffung von neuem Recht, sondern ein Problem der Durchsetzung von geltendem Recht. Da geht es um strafrechtlich relevante Äußerungsdelikte. Was dazu nicht passt, ist wiederum, wenn die zuständige Bundesnetzagentur am 1. Oktober, als der erste sogenannte Trusted Flagger an den Start geht, in einer mittlerweile geänderten Pressemitteilung äußert – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: Ich kann es ehrlicherweise nicht mehr hören, dass seit einigen Jahren in der öffentlichen Debatte und auch hier im Parlament strafrechtlich Relevantes sowie Illegales immer öfter mit allgemeintauglichen Begriffen wie „Hass“, „Hetze“ und „Fake News“ vermischt wird. Das ist inakzeptabel, und das geht auch nicht von der Bundesnetzagentur. Das dürfen wir nicht hinnehmen, wenn Herr Müller so damit umgeht, gerade im Bereich der Meinungsfreiheit, die so sensibel ist, wie wir es in der öffentlichen Debatte immer wieder erkennen. Wenn nach Allensbach-Umfragen immer mehr Menschen das Gefühl haben – mittlerweile fast die Hälfte –, dass ihre Meinungsfreiheit im Alltag beschränkt ist, dann muss Herr Müller hier sorgfältiger arbeiten, und er kann nicht mit solchen fehlerhaften Äußerungen in der Öffentlichkeit den Nährboden für Nachfragen und für Sorgen schaffen, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt wird. Das ist inakzeptabel. Übrigens ist auch nicht jede Kritik unberechtigt, nur weil sie von Leuten kommt, die einem nicht gefallen. Man sollte nicht gleich immer mit einem Reflex reagieren, dass das eine böse Kampagne sei, sondern hier hatte die Kritik an dieser Pressemitteilung schlicht und ergreifend recht. Wir haben aber dennoch das eine oder andere Problem. Dass auch die AfD, die sich ja hier jetzt als Verfechterin der Meinungsfreiheit hinstellt, diejenigen angreift, die dafür zuständig sind, als Trusted Flagger prioritär illegale Inhalte zu melden, darum geht es. Das haben wir übrigens auch als Renew-Fraktion im Europaparlament durchgesetzt, dass es eben nicht um Hass und Desinformation geht, sondern nur um illegale Inhalte. Sie sind aber diejenigen, die übrigens sehr häufig, wenn Sie uns als kritikempfindliche Herrscher bezeichnen, selbst Strafanzeige an ganz vielen Stellen erstatten, so zu Instagram-Storys – das haben Sie im Oktober gemacht –, Sie erstatten Anzeige wegen Beleidigung auch im Oktober, im Juli, Sie erstatten Anzeige gegen Habeck im September, von Storch erstattet Anzeige im Mai; und auch 2020 – Herr Brandner, das ist das Letzte, was ich gefunden habe – haben Sie Anzeige wegen Äußerungsdelikten erstattet. Das ist Ihr gutes Recht. Aber nach Ihrer Logik wären Sie die größten Untrusted Flagger hier im Parlament, die selbst sehr gerne melden und anzeigen, und dann sollten Sie nicht mit dieser Doppelmoral kommen. Meinungsfreiheit bedeutet nicht Widerspruchsfreiheit, und Meinungsfreiheit bedeutet auch nicht, dass man regelmäßig Shitstorms und Kampagnen organisiert und sich dann wundert, wenn Gegenwind kommt und wenn strafrechtlich relevante Inhalte gemeldet und dann endlich auch unterbunden werden. Das ist Ihr gutes Recht. Klagen Sie nicht bei anderen an, wenn die ihr Recht wahrnehmen! Ich möchte noch kurz etwas zu der Meldestelle, zu dem Trusted Flagger „REspect!“ sagen; denn auch ich habe große Sorge, was die Vermutungen und die Verdächtigungen in Bezug auf Hamasnähe und andere Dinge angeht. Ich will für die FDP-Fraktion sagen: Das ist völlig inakzeptabel, und Herr Müller muss lückenlos aufklären und notfalls von seinem Recht, das ihm der DSA zugesteht – Artikel 22 –, auch jemandem den Titel des Trusted Flaggers wieder abzuerkennen, Gebrauch machen; denn solche Leute sollten nicht als Trusted Flagger – genauso wenig wie die AfD übrigens – eingetragen sein. Neutralität – auch das haben wir durchgesetzt – ist im DSA festgelegt, und genau solche Neutralität muss auch angewandt werden. Insofern glaube ich, dass wir, was die Durchsetzung von meinungsfreiheitsgefährdenden Äußerungsdelikten wie Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede angeht, einen Fortschritt haben, der aber auch vernünftig durchgesetzt werden muss. Wir werden sehr genau beachten und kontrollieren, ob das auch passiert, und nicht mit Doppelmoral und Mimosenhaftigkeit agieren. Vielen Dank.