Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein wichtiges Beispiel dafür, dass wir im Deutschen Bundestag auch bei der Verarbeitung unserer Geschichte Politik machen und Weichenstellungen vornehmen müssen. Der Nationalsozialismus und mit ihm Tausende von Menschen in unserem Land begingen unvorstellbare Verbrechen an jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Sie mordeten, sie plünderten ihr Hab und Gut, sie raubten ihre Kulturschätze, und sie zwangen sie zu Verkäufen, um ihr Leben zu retten. Der Nationalsozialismus – in ihm viele unserer Großväter und Großmütter und von einigen von Ihnen auch die Mütter und Väter – war ein Mordregime. Er war etwas, was in unserem Land niemals wiedergutzumachen ist. Vor diesem schrecklichen Hintergrund unserer Geschichte ist es wichtig, dass wir mit diesem Gesetzentwurf den Nachkommen der Opfer in Entschädigungsansprüchen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen. 80 Jahre nach dem Holocaust ist es sehr schwer, von mehr Gerechtigkeit zu sprechen; aber es ist unsere Pflicht, zu versuchen, diese herzustellen. Der vorliegende Entwurf baut auf den alliierten und den deutschen Rückerstattungs- und Vermögensgesetzen auf, mit denen allerdings keine umfassende Entschädigung gelang. Umso wichtiger war es daher, dass sich Deutschland 1998 zu den Washingtoner Prinzipien bekannte, nach denen Kulturgut, das jüdischen Bürgern entwendet wurde, zu identifizieren ist und für seine Erstattung eine ebenso gerechte wie faire Lösung zu suchen ist. Was im Prinzip unstreitig sein möchte, bringt uns im rechtlichen Bereich dennoch in ein Dilemma. Auf der einen Seite kennt unsere Rechtsordnung den Grundsatz der Verjährung, um Rechtsfrieden zu schaffen. Auf der anderen Seite können wir doch niemals, auch nicht 80 Jahre nach den Morden, das Unrecht hinnehmen, das Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus widerfahren ist. Dieses Dilemma müssen wir auflösen; denn bei diesem Unrecht, das hier in diesem Land von unseren Großmüttern, unseren Großvätern, unseren Müttern oder Vätern begangen worden ist, können wir nicht zu etwas kommen, was wir mit „Frieden“ betiteln. In der Abwägung dieser beiden Grundsätze ist es richtig, dass wir nach dem Gesetzentwurf weiter zurückgeben und entschädigen müssen und dass hier die Einrede der Verjährung nicht entgegengehalten werden kann. Der Gesetzentwurf geht damit in die richtige Richtung, und zwar in die Richtung, in die wir verpflichtet sind zu gehen. Es ist richtig, dass das Kulturgut in die Hände der rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden muss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit weisen wir in die richtige Richtung. Ich danke dem Justizministerium für den guten und wichtigen Gesetzentwurf 80 Jahre danach. Die weiteren rechtlichen Fragen, die sich durchaus stellen, werden wir natürlich im parlamentarischen Verfahren begutachten. Es ist wichtig, dass wir uns im Kulturbereich, im Deutschen Bundestag und im Justizbereich auch weiterhin mit der Geschichte und der Verantwortung, die wir tragen, auseinandersetzen. Vielen Dank.