Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag! Sie entscheiden heute über das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Das ist eine wirklich euphemistische Umschreibung – leider eines politischen Blindfluges. Wir alle wissen, wir haben enorme Herausforderungen in unserem Gesundheitssystem, und wir sind uns darüber einig, dass es eine Reform der Krankenhausvergütung braucht. Es geht um viel: Es geht um Geld, um Strukturen, um Arbeitsplätze, um Versorgungsqualität. Keine Frage! Aber es geht hier vor allem um Menschen. Es geht um junge Eltern, die eine Geburtsstation für die Geburt des Kindes brauchen. Es geht um das junge Mädchen, das eine Blinddarmentzündung hat, um den Vater, der einen Herzinfarkt hat, die Oma, die die Treppenstufen heruntergestürzt ist. Es geht um Menschen. Es geht um Menschen, die richtig versorgt werden müssen, und die brauchen, je nachdem, entweder eine Spezialklinik oder ein Krankenhaus der Grundversorgung, und Letzteres in ihrer Nähe. Das müssen wir sicherstellen, und das sind wir den Menschen auch schuldig. Um das bei so einer weitreichenden Reform zu gewährleisten, muss diese Reform auch Antworten auf die akuten Probleme der Krankenhäuser liefern. Das tut diese Reform nicht, Herr Bundesminister Lauterbach. Natürlich. Vielen Dank für die Frage und damit auch für eine Verlängerung meiner Redezeit. – Natürlich geht es auch um Strukturen; aber da haben sich viele Krankenhäuser längst auf den Weg gemacht. Das Problem, das wir haben – und das haben wir vor allem in Bayern, aber nicht nur –, ist, dass wir gerade einen kalten Strukturwandel haben. Sie als Bund sind für die Betriebskosten zuständig, und Sie lassen die Krankenhäuser hängen. Lieber Herr Ullmann, weil Sie gerade angesprochen haben, dass Sie aus Bayern, auch aus Unterfranken sind: Seltsamerweise finde ich Sie dort nirgendwo, in keiner Besprechung, wenn ich vor Mitarbeitenden stehe, weil ihr Krankenhaus geschlossen hat, die darüber diskutieren und dagegen demonstrieren. Da stehe ich, nicht Sie. Ich muss mit Rettungsdienstlern sprechen, die sich fragen, ob die Notfallversorgung überhaupt noch aufrechterhalten werden kann oder nicht. Ich würde mir einfach wünschen, dass ich Sie auch dort mal persönlich sehe und nicht nur hier im großen Saal, wenn darüber gesprochen wird, was theoretisch zu tun ist. Ich komme wieder zu dem Entwurf. Der jetzt vorliegende Entwurf wird – davon bin ich überzeugt, weil sich da schon einiges abgezeichnet hat – zu inakzeptablen Verwerfungen bei der Krankenhausversorgung führen, und zwar nicht nur in Bayern. Zentrale Forderungen der Bundesländer wurden bis zum heutigen Tag eben nicht aufgegriffen, und das, obwohl Sie, Herr Bundesminister Lauterbach, angekündigt hatten, wenn sich die Länder auf gemeinsame Positionen zum damaligen Arbeitsentwurf des KHVVG einigen würden, würden diese Vorschläge im Kabinettsentwurf berücksichtigt werden. Die Länder haben daraufhin binnen kürzester Frist eine geeinigte 16 : 0-Position erarbeitet und dem Bundesgesundheitsministerium übersandt. Ergebnis war: Der Kabinettsentwurf blieb völlig unverändert; die Länderforderungen fanden keinerlei Niederschlag. Sie sprechen allerorts von guten, konstruktiven Gesprächen mit den Ländern. Mit wem haben Sie die eigentlich geführt? Spätestens als die von Ihnen versprochene Zustimmungspflicht des Bundesrats zum KHVVG fiel, war Ihre Agenda doch klar: Sie wollen einfach keine Mitbestimmung der Bundesländer. Bei der Forderung nach mehr Gestaltungsfreiheit für die Länder geht es nicht darum, notwendige Strukturanpassungen zu vermeiden oder gar Abstriche von der Versorgungsqualität zu machen – im Gegenteil: Es geht um Ausnahmemöglichkeiten von den bundesweiten Vorgaben, wenn das unter Versorgungsaspekten notwendig ist, gerade für die ländlichen Räume. Und das wissen wir doch vor Ort am besten. Es geht um die Zulässigkeit von Kooperationen, damit die Qualitätsvorgaben im Zusammenwirken der Kliniken in der Region erfüllt werden können, und es geht um die Sicherung der spezialisierten Fachkliniken, die für die Versorgung sehr, sehr wichtig sind. Ein hochkomplexes System mit vielfältigen Vorgaben kann nicht funktionieren, wenn es kein ausgleichendes Korrektiv gibt, das Verwerfungen im Einzelfall vermeidet. Ich erkenne durchaus an – und das will ich auch sagen –, dass die Ampelkoalition gegenüber dem Kabinettsbeschluss im Gesetzentwurf einige Forderungen der Länder aufgenommen hat. Zum Beispiel sind Sie der Anregung aus Bayern nachgekommen, dass eine Ausnahme von der kartellrechtlichen Fusionskontrolle gemacht werden kann. Das ist extrem wichtig. – Ja, genau, das lobe ich ja auch, dass Sie das machen. – Denn nur so können Zusammenschlüsse von Krankenhäusern entstehen. Gewährleisten wir das nicht, dann endet der Prozess der Umstrukturierung für manche Krankenhäuser, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, noch bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Von daher ist das sehr, sehr gut. Doch ändert das nichts an der grundsätzlichen Kritik der Bundesländer, dass eine Schablone von Berlin aus nicht einfach übers ganze Land drübergelegt werden kann. Was im Stadtstaat Hamburg funktioniert, funktioniert nicht unbedingt in der Oberpfalz in Bayern. Das ist so! Wir wissen immer noch am besten, wie das bei uns vor Ort funktioniert. Vor allem die Versorgung im ländlichen Bereich ist ernsthaft gefährdet, wenn Anpassungen nicht möglich sind. Als Fazit bleibt: Die gesetzlichen Regelungen sind einfach zu starr. Wir sehen das an den Kinderkliniken; wir haben Ihnen da die einzelnen Punkte genannt und auch praktikable Anpassungsmöglichkeiten. Nein, jetzt würde ich gerne meine Rede zu Ende führen. – Das betrifft auch die Definition der Fachkrankenhäuser: Sie ist einfach zu eng, das ist nicht praxisgerecht. Einen praxistauglichen Änderungsvorschlag haben wir vorgelegt. Das Fazit bleibt: Die gesetzliche Regelung ist zu starr. Ohne ausreichende Rücksicht auf die regionalen Gegebenheiten sind sie zu fest. Die wirtschaftlichen Probleme der Krankenhäuser werden durch das Gesetz aber immer noch nicht gelöst. Das ist ein Blindflug ohne Auswirkungsanalyse, dem Sie zustimmen. Im Ergebnis droht in vielen Regionen eine Verschlechterung der Patientenversorgung. Das können wir nicht wollen. Große Reformen entstehen nur im breiten Schulterschluss mit den Beteiligten; davon bin ich überzeugt. Ich empfehle dringend, diesen noch mal zu suchen und keine Reform mit dem eisernen Besen durchzukehren. Vielen Dank.