Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Debatten hier lauscht, dann hat man ja manchmal das Gefühl, wir leben in einem sehr furchtbaren Land. Deswegen will ich das zu Beginn hier mal sehr klar für mich und, ich denke, auch für die SPD sagen: Deutschland ist ein starkes Land. Ich bin dankbar, dass ich in diesem Land leben kann. Wir sind 84 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft dieser Welt. Das zeigt doch, was dieses Land alles kann, das zeigt, was die Menschen hier in diesem Land können, wenn wir zusammenstehen, wenn wir gemeinsam anpacken, wenn jede und jeder mithilft. Ja, wir sind in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten; da darf man nicht drumherum reden. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns auch aus dieser Situation wieder herausarbeiten können, wenn wir jetzt konsequent handeln, wenn wir gemeinsam die Grundlage für einen neuen Aufschwung legen, den wir in diesem Land schaffen wollen. Ich bin dem Bundeskanzler dankbar dafür, dass er heute deutlich gemacht hat: Er kämpft um jeden Industriearbeitsplatz, er kämpft um jeden Industriestandort in diesem Land. Dieser Kampf wird gemeinsam mit den Unternehmen, mit den Verbänden, mit den Gewerkschaften geführt. Die Botschaft an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land war heute klar und unmissverständlich: Hier steht ein sozialdemokratischer Bundeskanzler, auf den sich die Beschäftigten verlassen können. Lieber Herr Bundeskanzler, Sie haben unsere volle Unterstützung auf diesem Weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir machen Politik in historischen Zeiten: in Zeiten des Umbruchs, in Zeiten von Krieg und Frieden, in Zeiten, in denen es auch um die Neubegründung unseres Wohlstandsmodells geht, in denen es um die Sicherung unserer Lebensgrundlagen angesichts der Klimakrise geht, in denen es um unsere Rolle in der Welt geht, die sich rasant verändert. Und ja, es geht auch um die Verteidigung unserer Demokratie. Diese Umbruchphase geht nicht spurlos an unserem Land vorbei. Das alles ist viel auf einmal, und das kann auch manchmal verdammt anstrengend sein. Ich sage Ihnen nur auch – und das sieht man heute –: Man kann sehr unterschiedlich mit diesen Herausforderungen umgehen. Die einen stecken den Kopf in den Sand und hoffen, dass alles an einem vorbeizieht, die anderen suchen billig Sündenböcke und bieten einfache, aber unehrliche Antworten. Wieder andere reden unser Land schlecht und reden den Abstieg herbei. Hier sitzen welche, die sogar hoffen, dass dieses Land zerfällt, weil sie hoffen, davon politisch zu profitieren. Aber ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir dürfen uns nicht an dieser Schwarzmalerei beteiligen. Wir brauchen einen realistischen Blick auf dieses Land. Und ja, dieses Land steht vor Problemen und Herausforderungen; es sind aber auch Chancen und Potenziale da. Was wir vor allem brauchen, sind Mut und Tatkraft. Es geht in den kommenden Monaten um Arbeitsplätze. Es geht um Wirtschaft, es geht um Wachstum. Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers war dafür ein richtiger Schritt. Es geht jetzt darum, die Spitzen der Industriegewerkschaften von wichtigen Industrieunternehmen zusammenzuholen und an einem Ziel zu arbeiten: an einem kraftvollen Industriepakt für Deutschland, einem Pakt für Wachstum in diesem Land. Dieser Industriepakt muss dieses Land nach vorne bringen. Und ich sage für uns als SPD auch sehr deutlich: Weder Ideologie noch Klein-Klein noch fehlendes Geld dürfen diesen Industriepakt stoppen. Es geht jetzt um die richtigen Prioritäten in unserem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. Made in Germany muss auch in Zukunft weltweite Maßstäbe setzen, und dafür werden wir die politisch richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Als Vorsitzender der SPD sage ich Ihnen: Wenn ich mit diesen klugen Experten in Talkshows sitze und höre, dass sie ganz selbstverständlich darüber schwadronieren, dass Industriearbeitsplätze in diesem Land verschwinden – es sei doch ganz normal, dass die Chemieindustrie, die Glasindustrie oder die Stahlindustrie gehe –, dann sage ich: Das dürfen wir niemals akzeptieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen ist es richtig, dass wir um jeden Industriearbeitsplatz in diesem Land kämpfen. Es sind regionale Strukturen, es sind Familientraditionen, es sind Beschäftigte, um die es dort geht und über die in diesen Sendungen manchmal in sehr kalter Sprache geredet wird. Ein Aufschwung in diesem Land geht nur mit den Beschäftigten, mit den Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern in diesem Land, mit denen, die jeden Tag aufstehen, die fleißig sind, die sich nebenbei noch um die Kinder, um die eigenen Eltern oder das Ehrenamt kümmern. Das sind diejenigen, die dieses Land am Laufen halten, und die gehören in den Mittelpunkt unserer Politik. Es geht um Respekt. Es geht darum, dass Leistung gesehen wird. Und wenn ich bei Respekt und Leistung bin, Herr Merz, dann möchte ich auch ein paar Dinge zu Ihnen und zur Union sagen. Ich hätte mir gewünscht, mich jetzt an Dingen abarbeiten zu können, die Sie in 15 Minuten hier gesagt haben. – Aber da war nichts. – Sie haben nichts gesagt in 15 Minuten. Sie bewerben sich ja gerade für höhere Aufgaben in diesem Land. Aber ich sage Ihnen: Mit Besserwisserei, mit Nörgeln und Meckern kommt man da, glaube ich, nicht hin. Es wäre schön gewesen, wenn man mal gehört hätte, was Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind, wo Sie hinwollen. Sie haben das Thema Migration angesprochen. Der letzte substanzielle Vorschlag, der von Ihnen kam, war, die Notlage auszurufen. Das musste zwei Tage später wieder von Ihren eigenen Leuten eingesammelt werden. Es macht ja nur Sinn, über etwas zu diskutieren, wenn es ernsthafte Vorschläge gibt und nicht nur über Überschriften geredet werden soll, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will Ihnen das auch mit Blick auf das Thema Ukraine sagen. Ich meine, da jetzt billig den Konflikt zu suchen, dazu gehört schon einiges. Der Bundeskanzler hat hier sehr klar gesagt, wie der Weg der Bundesregierung aussieht. Und es darf eigentlich bei denjenigen, die sich ernsthaft damit beschäftigen, keinen Zweifel geben, dass wir glasklar, unmissverständlich und auch immer weiter an der Seite der Ukraine stehen. Aber abzutauchen – das sage ich Ihnen, Herr Merz –, in einer Phase, wo Wahlkampf in Ostdeutschland ist, und nichts zu sagen, das war doch billig an der Stelle. Ich habe heute bei Ihren Worten nur eins gedacht: Gott sei Dank ist Olaf Scholz unser Bundeskanzler in diesem Jahr! Herr Merz, heute haben Sie keine Vorschläge gemacht; aber in den letzten Wochen konnte man in Talkshows das eine oder andere hören. Lassen Sie mich deshalb auf ein paar Dinge eingehen, die Sie in den letzten Wochen gesagt haben. Sie wollen mehr Respekt für Besserverdiener, und die oberen 1 Prozent sind in Ihren Augen die wahren Leistungsträger. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, für die SPD kann ich Ihnen klar sagen: Leistung bemisst sich nicht am Einkommen. Respekt bemisst sich nicht am Einkommen. Jemand, der morgens im Dunkeln ins Krankenhaus fährt, jemand, der hart auf der Baustelle buckelt, jemand, der den Rücken kaputt hat und sich trotzdem fragt, wie er weiter arbeiten kann, unsere Soldatinnen und Soldaten, diejenigen, die Bus fahren, die Lkw fahren, die Alleinerziehenden, die in diesem Land täglich arbeiten und zwischen Familie und Job hin- und hergerissen sind – das sind die wahren Leistungsträger in dieser Gesellschaft. Für die machen wir Politik, Herr Merz. Sie machen für die anderen Politik. Da besteht ein deutlicher Unterschied. Ich sage Ihnen hier auch sehr klar: Ihr Programm bei der CDU/CSU hält für diese Leistungsträger nichts bereit. Immer, wenn Sie hier im Bundestag für die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abstimmen konnten, haben Sie sich anders entschieden: als es um den Mindestlohn ging, um die Tarifbindung, um das Streikrecht, auch als es um die Frage ging, ob wir die Rente stabilisieren. Sie wollen sogar ein späteres Renteneintrittsalter. Also immer dann, wenn es darauf ankam, haben Sie sich gegen die arbeitende Mitte in diesem Land entschieden. Das ist die wahre Politik der Merz-CDU, liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen erlebe ich ein Gejaule über unser Steuerkonzept; das ist wirklich bemerkenswert. Wir wollen 95 Prozent der Menschen entlasten. Die, die hart arbeiten, für die das Leben teurer geworden ist, die weniger Geld in der Tasche haben, rücken wir in den Mittelpunkt. Und was sagt Ihr Generalsekretär? Carsten Linnemann sagt: Das trifft die kleinen Handwerker. – Ich kenne diese kleinen Handwerker nicht, die bei den oberen 1 Prozent sind. Das sind ehrliche Menschen, die hart arbeiten. Die rücken wir in den Mittelpunkt. Aber das, was Sie machen, ist Populismus an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. Und dann kann ich lesen: Sie wollen Markt statt Staat. Wir wollen investieren, Sie wollen privatisieren. Wenn man Ihre Reden hört, dann stellt man fest, dass da eine Verächtlichkeit über den Staat mitschwingt. Sie wollen, dass sich der Staat raushält, dass er sich zurückzieht. Aber ich frage Sie: Wer setzt eigentlich den Rahmen dafür, dass in diesem Land Schulen gebaut werden? Wer saniert die Universitäten? Wer bezahlt die Lehrerinnen und Lehrer? Wer baut Straßen, Schienen, Sport- und Spielplätze? Wer investiert in Polizeidienststellen? Und wer sorgt eigentlich dafür, dass auch im ländlichen Raum eine gute Infrastruktur vorhanden ist? Das ist ein Staat, der sich kümmert, liebe Genossinnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Staat, der funktioniert, ein Staat, in dem Menschen arbeiten. Herr Merz, fragen Sie doch mal die Ministerpräsidenten von CDU und CSU; die sind weiter als Sie. Da der Kollege Dobrindt gleich nach mir spricht, kann er ja mal damit starten, sich für all das zu entschuldigen, was er den Bahnfahrern in diesem Land angetan hat, indem dort eine falsche Politik gemacht wurde. Lieber Herr Merz, die Menschen in unserem Land haben Respekt verdient. Sie brauchen mehr Sicherheit, sie brauchen eine stabile Rente, sie brauchen höhere Löhne. Sie brauchen eine Infrastruktur in diesem Land, die funktioniert. Aber sie brauchen garantiert keinen Kanzlerkandidaten der Union, der auf sie herabblickt. Vielen Dank.