Ich glaube, wir brauchen uns gar nicht rauszureden. Wir wissen, wie es geht. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Können Sie sich vorstellen, nicht mal Ihren eigenen Namen schreiben zu können? Von Bildung ausgeschlossen zu sein? Dass Sie nicht lesen und schreiben lernen durften? Versuchen Sie es doch einmal. Und stellen Sie sich weiter vor: Sie müssen in ein fremdes Land fliehen und sind umgeben von einer neuen Sprache und Kultur. Sie sehen nur unverständliche Worte auf Schildern und in Formularen. Sie verstehen nichts und können keine Gespräche führen. Trotz Ihres Willens, zu lernen und dazuzugehören, sind Sie isoliert. Diese Erfahrung machen Tausende Menschen, die nach Deutschland kommen. Ihre Geschichten sind geprägt von Mut, Entbehrungen und dem starken Willen, Teil unserer Gesellschaft zu sein. Und diese Geschichten müssen auch hier im Plenum erzählt und gehört werden, auch wenn es Ihnen nicht passt. Sie können ja gerne rausgehen. In meiner langjährigen ehrenamtlichen Integrationsarbeit habe ich viele solcher Menschen, insbesondere Frauen, kennengelernt. Ich kann Ihnen sagen: Diese Frauen haben Großartiges geleistet, oft im Verborgenen. Sie haben den ganzen Laden zu Hause geschmissen, gingen nebenbei oft noch arbeiten, haben ihre Kinder großgezogen und so die Grundlage für das Wohlergehen ihrer Familien geschaffen. Gleichzeitig haben sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Wohlstand unseres Landes gestärkt. Statt ihre Leistungen zu würdigen, instrumentalisiert die AfD diese Menschen in perfider Weise; wir haben es gerade in Ihrer Rede leider noch mal hören müssen. Für ihre Hetze auf allen Kanälen braucht sie ihre Feindbilder und Sündenböcke. Dies schafft nicht mehr Wohnraum, nicht mehr Bildung, und es stärkt auch nicht den Zusammenhalt. Und trotzdem: Immer wieder attackiert die AfD Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge, Menschen mit Behinderungen, queere Menschen und heute also auch noch die Analphabeten. Mal schauen, was Sie noch aus Ihrer Mottenkiste rausholen. Das ist nicht nur schändlich und menschenverachtend, sondern auch ein Angriff auf die Werte unserer Gesellschaft. Wir stellen uns klar der Hetze entgegen. Wir sind solidarisch mit den Betroffenen. Wir arbeiten gemeinsam für den Zusammenhalt in unserem Land. Wir wollen Menschen das Recht auf Bildung und Teilhabe ermöglichen. Nur so schaffen wir eine starke, gerechte und offene Gesellschaft. Die Integrationskurse des Bundes sind dafür ein zentrales Instrument. Hier lernen die Menschen die deutsche Sprache sowie unsere Kultur und Werte. Dass es diese Kurse gibt, ist ein Erfolg der deutschen Migrationspolitik. Und ja, es ist auch wichtig, dass es Alphabetisierungskurse für Analphabeten gibt; denn wir wollen, dass alle Menschen ihre Potenziale entfalten können. Und viele entfalten ihre Potenziale, wie die Antwort der Bundesregierung zeigt – sofern Sie sie natürlich gelesen haben. Über 118 000 Analphabeten lernten im Kurs Lesen und Schreiben und bestanden den Sprachtest. Das ist ein Erfolg! Das muss auch mal erwähnt werden. Dass unser Integrationskurssystem funktioniert, ist vor allem den vielen Sprachlehrerinnen und Sprachlehrern zu verdanken. Sie leisten Tag für Tag unglaubliche Arbeit, und dafür möchte ich ihnen hier ganz herzlich danken. Sehr geehrte Damen und Herren, Sprache ist der Schlüssel zu Teilhabe und Selbstständigkeit – auch im Arbeitsleben. Eine gelungene Integration bietet daher Chancen, von denen wir alle profitieren können. Angesichts des enormen Fach- und Arbeitskräftemangels sind wir sogar darauf angewiesen. Wir müssen alle Potenziale nutzen und Menschen die Möglichkeit geben, hier zu arbeiten. Sprechen Sie mit Unternehmerinnen, mit Gastronomen, mit Ärztinnen, mit Handwerkern. Es fehlt an allen Ecken in dieser Republik. Das zu leugnen, schadet Deutschland. Die Integrationskurse – und, ja, auch die Alphabetisierungskurse – tragen dazu bei, dass Menschen in unserem Arbeitsmarkt Fuß fassen können und damit zu unserem Wohlstand beitragen. Genau das ist im Interesse unseres Landes. Ich stehe heute hier und spreche zu Ihnen in einer Sprache, die mir früher selbst fremd war. Und ich kann Ihnen sagen: Sprache ist der Schlüssel zu neuen Möglichkeiten, zur Teilhabe und zu einem gemeinsamen Miteinander. Sorgen wir dafür, dass möglichst viele Menschen unsere Sprache lernen können! Wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, ihre Potenziale zu entfalten, bereichern wir unsere Gesellschaft. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir uns von den Rechtsradikalen nicht blenden! In der Vielfalt liegt die Stärke – und nur gemeinsam können wir die Herausforderungen von morgen meistern. Herzlichen Dank.