Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf der Tribüne! Das Thema unserer heutigen Diskussion lautet wieder: Wer versteht die Ostdeutschen? Ich beklage eigentlich seit Langem, dass offensichtlich niemand, zumindest niemand von den Regierenden, dazu imstande ist. Wenn wir jährlich die Berichte der Bundesregierung oder jetzt auch des Beauftragten diskutieren oder wenn wir – nach unserer Einschätzung – unschöne Wahlergebnisse haben, dann gibt es immer denselben Reflex: Wir müssen es den Menschen einfach nur noch besser erklären; die haben es noch nicht verstanden. Das ist die erste Schlussfolgerung. Die zweite ist: Wir brauchen noch mehr Sozialstaat. Wir brauchen noch mehr Geld, und wir brauchen noch mehr Förderung; denn die kriegen das ja alleine nicht gebacken. Das ist im Wesentlichen der Kern des Problems. So liest es sich leider auch schon auf den ersten Seiten des Vorwortes unseres Staatsministers in dem Bericht, der hier heute diskutiert wird. Wenn es da um das Thema Wirtschaft geht, heißt es: Ganz großartig! Wir haben hier Großkonzerne angesiedelt, die übrigens auch noch eine gute Wirtschaftspolitik machen, indem sie die grünen Zukunftstechnologien etablieren. – Ja, aber, Herr Schneider, was ist denn mit dem Mittelstand? Ostdeutschland ist weitestgehend mittelständisch geprägt. Wir haben viele kleine Unternehmer, wir haben viele Soloselbstständige, wir haben viele Gewerbetreibende. Was ist mit dem Handwerk? Kein Wort davon! Es geht ja noch weiter. Wie schaffen wir Arbeitsplätze? Abgesehen davon bin ich der Auffassung, dass Politik keine Arbeitsplätze schafft, sondern lediglich die Rahmenbedingungen dafür setzt. Die Antwort der Bundesregierung lautet: Wir brauchen im Osten mehr Bundesbehörden, weil wir damit nämlich Arbeitsplätze schaffen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo entsteht denn die Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft? Wo wird denn das Geld verdient? Wer ist denn hier produktiv? Nichts gegen unsere Beamtinnen und Beamten, gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Wir brauchen sie; die machen eine wichtige Arbeit. Aber noch einmal: Wo entsteht der Wohlstand dieses Landes? Ich würde sagen: genau in den Bereichen, die hier nicht erwähnt werden. Das Drama vollzieht sich ja noch weiter. Dann geht es um die Analyse des ostdeutschen Wahlverhaltens. Da heißt es, die Ergebnisse der Landtagswahlen, die wir jetzt hatten und die eben so ausgingen, wie sie ausgingen, lägen an dem Unmut über die Lebensumstände vor Ort, und die Menschen würden sich als Bürger zweiter Klasse fühlen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie mal durch die neuen Bundesländer fahren, werden Sie sehen: Die Straßen sind saniert, die Menschen haben sich ihr Haus gebaut, und sie sind in der Regel auch in Arbeit. Also, diese Einschätzung stimmt schon einmal nicht. Dann geht es um das Thema AfD; ich nenne es jetzt einfach mal beim Namen. Da sagt der Staatsminister: Wir brauchen einen lauten Widerspruch der Mehrheit unserer freiheitlichen Gesellschaft. – Aber, Herr Staatsminister, Sie sind doch Politiker der SPD. Haben Sie denn nur den Anspruch, Ihre Klientel zu vertreten? Haben Sie nur den Anspruch, in Ihrer eigenen Bubble unterwegs zu sein? Oder haben Sie möglicherweise den Anspruch, eine Politik für alle Menschen in diesem Land zu machen, möglicherweise auch in den Wettbewerb mit der politischen Konkurrenz zu treten und vielleicht auch Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen, so wie wir das zum Beispiel machen? Dann sagen Sie: Na ja, gut, Demokratie ist nicht nur Protest, liebe Bürgerinnen und Bürger, sondern es bedeutet auch Mitmachen. – Ja, aber Sie sind die Bundesregierung. Sie sind diejenigen, die hier die Verantwortung tragen für das, was in diesem Land läuft, und für das, was in diesem Land nicht läuft. Sie können nicht die Schuld bei den Bürgerinnen und Bürgern abladen. Dann geht es um die Investoren. Man sieht große Probleme im Osten, ein schwieriges Wahlverhalten. Die Investoren würden nicht kommen; denn sie würden ja nicht dort investieren, wo es – ich zitiere – „unberechenbare Extremisten“ gebe, die dort Politik machen. Gut, nach meiner Kenntnis hat sich Intel aus Sachsen-Anhalt nicht wegen Extremisten zurückgezogen. Und nach meiner Kenntnis hat sich auch Alstom nicht wegen Extremisten aus Görlitz zurückgezogen, sondern weil die Wettbewerbsbedingungen im europäischen Ausland einfach besser sind. Mein Vorschlag ist, genau an dieser Stelle anzusetzen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Ich empfehle uns allen, dieser Botschaft ein Stück weit Folge zu leisten. Dann klappt es auch wieder mit der Politik. Vielen Dank.