Es ist unser Privileg, hier im Parlament über diese Lage reden zu dürfen. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kiew ist von Berlin so weit entfernt wie Rom. Ich glaube, auch das ist es, was es mit uns allen und mit den Menschen im Land macht. Es ist eine unfassbare Tragödie. Unsere Gedanken sind dort. Die Trauer über die Toten dieses sinnlosen Krieges ist schon jetzt groß: bei den Familien, bei den Angehörigen, bei den Freundinnen und Freunden, bei den Menschen, die auf der Flucht sind, in großer Angst um ihre Zukunft und ihre Sicherheit. Wir alle wissen – wir können uns in die Lage versetzen –, was die Menschen dort gerade durchleben. Und das macht die Tragik und die Dramatik aus, meine Damen und Herren. Ich bin fassungslos, wenn ich die Bilder von zerstörten Wohnhäusern sehe, von Menschen, die den Schutz in U-Bahn-Stationen suchen. – Die Menschen hier am Brandenburger Tor haben Freunde in der Ukraine, sind in Sorge um ihre Angehörigen in der Ukraine. – Diese Menschen wollen eigentlich alle etwas ganz Einfaches, etwas Selbstverständliches, nämlich frei und selbstbestimmt leben wie wir alle. Ich frage mich wirklich jeden Tag: Was täte ich, wie ginge es mir, wie ginge es meiner Familie, wenn ich sehe, dass sich junge Menschen bewaffnen lassen, weil sie denken, sie müssten jetzt auch als Bürgerinnen und Bürger des Landes, der Ukraine, ihr Land verteidigen und für Freiheit kämpfen? Und darum geht es, meine Damen und Herren, und nicht um Franz Josef Strauß, verdammt noch mal. Das ist doch völlig verfehlt in dieser Debatte! Es herrschen Wut, Entsetzen, Verzweiflung über diesen barbarischen, unmenschlichen Krieg. Es gibt Ungewissheit und viele Fragen, weil seit dem 24. Februar die Welt nicht mehr die gleiche ist. Und das spüren die Menschen im Land. Das sage ich auch in Ihre Richtung, Herr Merz: Wie können Sie Menschen so lächerlich machen, die an Lichterketten und Mahnwachen teilnehmen, wie auch heute wieder überall im Land? Aber andere Menschen, Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, haben vielleicht nur diese eine Ausdrucksform wie die Teilnahme an einer Lichterkette, um ihre Verzweiflung, ihre Besorgnis und ihre Solidarität mit der Ukraine, Herr Botschafter, auszudrücken. Ich rate Ihnen: Sagen Sie so etwas nie wieder! Wir haben eine Verantwortung, meine Damen und Herren, und die nehmen wir wahr, als nationales Parlament, europäisch und im transatlantischen Bündnis. Ja, viele Gewissheiten, die ich habe, die meine Fraktion hat, die alle demokratischen Kräfte in diesem Land haben, sind vielleicht nicht mehr die Gewissheiten wie noch gestern oder vor dem 24. Februar. Und wir alle wissen: Es verlangt uns wirklich viel ab. Wir werden über vieles diskutieren müssen. Die Welt ist eine andere. Wir müssen über den Schutz und die Aufnahme von geflüchteten Menschen reden, und zwar ohne Wenn und Aber. Denn auch das heißt Europa: Zusammenstehen für humanitäre Hilfe und den Schutz der Menschen. Das ist das, was wir ihnen entgegenbringen können. Die Türen sind auf. Chrupalla und andere sind weit weg. Sie sind außerhalb dieses demokratischen Diskurses an dieser Stelle. Die Türen in Europa sind offen für die Menschen angesichts eines solchen eklatanten Bruchs des Völkerrechts; denn wir alle könnten in der gleichen Situation sein. Und das wissen wir und spüren wir, und es gibt eine Bereitschaft bei den Bürgerinnen und Bürgern dafür, das mitzutragen, offen dafür zu sein. Und das ist gut. Wir müssen über die Frage der Ernährungssicherung reden. Wir müssen über die Energieversorgung reden. Und ja, wir werden auch über den Verteidigungsetat und die Fragen, was notwendig ist, reden. Aber der Ort der Entscheidung und der Debatte ist hier im Parlament, meine Damen und Herren. Da bin ich ganz sicher. Ich danke an dieser Stelle für die klare Haltung und die Vorbereitungen der Bundesregierung für die Umsetzung des harten Sanktionspakets. Auch die zielgenaue Abkopplung von SWIFT war notwendig. Dass dies die russische Zentralbank trifft, wird enorme Auswirkungen haben. Und ich bin wie meine Fraktion der Auffassung, dass an der Stelle die Frage der Waffenlieferungen und des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine sehr, sehr große Bedeutung hat. Deshalb war auch dieser Schritt notwendig und wichtig in dieser schwierigen Situation. Danke.