Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Russlands Angriffskrieg auf ein Nachbarland ist ein Rückruf in die raue Welt der Realpolitik. Das ukrainische Volk zahlt den Preis für den russischen Völkerrechtsbruch, für die Illusion der eigenen Führung und für die falschen Versprechungen des Westens. Es war ein verhängnisvoller Fehler, die Ukraine mit den unerfüllbaren Versprechen einer Mitgliedschaft in NATO und EU in eine aussichtslose Konfrontation und eine gefährliche Zerreißprobe zu locken. Klüger wäre es gewesen, auf Henry Kissinger zu hören, der schon 2014 richtig festgestellt hat – ich zitiere –: „… um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine niemandes Vorposten sein.“ Dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine rote Linie darstellt, deren Überschreiten Russland nicht hinnehmen würde wie die vorangegangenen NATO-Osterweiterungsrunden, liegt seit fast zwei Jahrzehnten klar auf dem Tisch. Unzählige Gelegenheiten wurden seither versäumt, einen Status gesicherter Neutralität für die Ukraine auszuhandeln, der den Sicherheitsinteressen aller Rechnung getragen und der Ukraine ermöglicht hätte, vom Zankapfel zu einer Brücke zwischen Ost und West zu werden. Stattdessen haben die Hardliner, gefangen in einer völlig überkommenen Logik des Kalten Krieges, starr an der Beitrittsperspektive für die Ukraine festgehalten und dabei überheblich Russland den Großmachtstatus abgesprochen. Das ist das historische Versagen des Westens: die Kränkung Russlands. Es ändert nichts an der Verwerflichkeit des russischen Einmarschs, aber das Verständnis aller Ursachen ist Voraussetzung für die Suche nach Lösungen. Deutschland hat in seinem gegenwärtigen Zustand nichts aufzubieten, um den Worten auch Taten folgen zu lassen. Sanktionen, die den eigenen Bürgern am Ende mehr Schaden zufügen als denen, die damit gemeint sind, werden dem Krieg in der Ukraine kein Ende setzen können. Sie sind letztendlich Alibi- und Sanktionspolitik, so wie das Anstrahlen des Brandenburger Tores in den ukrainischen Nationalfarben. Die gescheiterte Energiewende, sehr geehrte Damen und Herren, hat uns in eine fatale einseitige Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen geführt, die kurzfristig, wenn überhaupt, nur zu astronomischen Kosten gelöst werden kann. Wer erklärt, wir seien bereit, dafür auch einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen, muss auch sagen: Es ist die Bevölkerung, die diesen Preis zu zahlen hat. Es hat im Übrigen auch Gründe, dass die USA nicht daran denken, auf ihre beträchtlichen Ölimporte aus Russland zu verzichten. Sicherheitspolitisch ist Deutschland ebenfalls ein Leichtgewicht geworden. „Und die Bundeswehr … steht … blank da“, gesteht sogar der Inspekteur des Heeres in selten gewordener Offenheit ein. Eine heruntergewirtschaftete Armee und eine marginalisierte Rüstungsindustrie, das ist das Erbe von 16 Jahren Angela Merkel, Herr Merz. Wer soll uns noch ernst nehmen, wenn wir uns wirtschaftlich und militärisch das Rückgrat brechen und uns statt mit realen Problemen mit Gender-Gaga und ideologischen Experimenten beschäftigen? Das ist grober Unfug. Wir müssen den Weckruf der Realpolitik hören. Wir brauchen Energiepolitik, die den Fokus auf Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit legt. Der Schlüssel dazu sind weder noch mehr Windräder noch Flüssiggas aus den USA, sondern der Wiedereinstieg in die friedliche Nutzung der Kernenergie. Wie denn auch sonst? Wir brauchen eine Bundeswehr, die die Fähigkeit zur Landesverteidigung zurückgewinnt. Das erfordert nicht allein mehr Geld, sondern vor allem eine strategische Wende, sehr geehrte Damen und Herren. Und wir brauchen geopolitische Nüchternheit statt feministischer Außenpolitik. Haltung und schöne Worte sind kein Ersatz für Realpolitik. Auch nach diesem Krieg werden wir mit Russland immer noch auf einem Kontinent leben. Die Herausforderung, eine europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die das Ost-West-Blockdenken überwindet, ist nicht vom Tisch, aber sie ist schwieriger geworden. Deutschland kann und sollte hier eine wichtige Rolle als ehrlicher Makler spielen. Voraussetzung ist, dass wir die richtigen Konsequenzen ziehen und verlorenes Vertrauen, Souveränität und Handlungsfreiheit wieder aufbauen und uns bloß nicht unreflektiert in einen Krieg hineinziehen lassen, sehr geehrte Damen und Herren. Ich bedanke mich.