- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Rechtsstaat lebt vom Vertrauen seiner Bürger und muss ihnen daher in ihrer Lebensrealität begegnen. Die Menschen erwarten einen einfachen, niedrigschwelligen Zugang zur Justiz und zügige Entscheidungen in ihren Streitfällen. Eine leistungsfähige Zivilgerichtsbarkeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil für das Funktionieren unseres Rechtsstaats.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben den Reformstau der vergangenen Jahre bereits abbauen können. Dank des Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik sind Videoverhandlungen zunehmend fester Bestandteil des gerichtlichen Alltags. Mit dem Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckungen lassen sich Zwangsvollstreckungsmaßnahmen künftig in mehr Fällen elektronisch beantragen. Außerdem wollen wir zeitnah ein umfassendes Onlineverfahren im Zivilprozess erproben, und wir fördern die Digitalisierung der Justiz weiter, etwa durch die Entwicklung einer bundesweiten Justiz-Cloud.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Maßnahmen sind entscheidend, um unsere Justiz zukunftsorientiert und bürgerfreundlich zu gestalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Mit der Verabschiedung des heute vorliegenden Gesetzentwurfs gehen wir ein weiteres dringendes Thema an: die Bewältigung von Massenverfahren. Die Belastung der deutschen Justiz durch diese Verfahren nimmt seit Jahren zu. Im Zusammenhang mit dem Dieselskandal gingen allein 2018 rund 10 000 Zivilklagen gegen Autohersteller ein, im Rekordjahr 2019 waren es etwa 40 000, in den darauffolgenden Jahren gab es ähnlich hohe Zahlen. An manchen Gerichten wie dem Landgericht Stuttgart wurden bis zu 8 700 Dieselverfahren verhandelt. Auch in anderen Bereichen treten Massenverfahren vermehrt auf. Diese Massenverfahren belasten nicht nur unsere Richter und bringen sie an ihre Belastungsgrenzen, sondern wirken sich auch auf die Leistungsfähigkeit unserer Justiz und damit auf unseren Rechtsstaat aus. Je mehr Zeit für ein Massenverfahren aufgebracht werden muss, desto weniger Ressourcen stehen für andere Verfahren, bei denen Bürger auf eine zügige Entscheidung angewiesen sind, zur Verfügung.
Deshalb führen wir ein Leitentscheidungsverfahren beim Bundesgerichtshof ein.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Was aber gerade nicht hilft bei den Problemen!)
Künftig können zentrale Rechtsfragen, die sich aus massenhaften Klagen zu gleichgelagerten Sachverhalten ergeben, zügig höchstrichterlich geklärt werden, auch in den Fällen der Revisionsrücknahme oder der sonstigen Erledigung der Revision. Bestimmt der BGH ein Verfahren zum Leitentscheidungsverfahren, haben auch die Instanzgerichte die Möglichkeit, bei ihnen anhängige Parallelverfahren auszusetzen.
Beifall der Abg. Sonja Eichwede [SPD])
Dabei bleibt die Dispositionsmaxime gewahrt. Vor einer Aussetzung werden die Parteien angehört; widerspricht eine Partei der Aussetzung und liegen hierfür triftige Gründe vor, darf die Aussetzung nicht erfolgen. Die Leitentscheidung bietet Orientierung. Betroffene und die Öffentlichkeit erhalten künftig Klarheit darüber, wie die Rechtsfragen entschieden worden wären. Dies sorgt für Rechtssicherheit und wird die Gerichte von weiteren Klagen entlasten.
Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD
Das gerade nicht!)
Meine Damen und Herren, das Leitentscheidungsverfahren ist ein wichtiger, auch von der Praxis gewünschter erster Baustein zur Bewältigung von Massenverfahren. Diese Idee ist nicht aus der Hüfte geschossen, sondern gründlich durchdacht und sorgfältig entwickelt.
Ja! Monatelang!)
Sie entstammt einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, die unter der Federführung des BMJ und des Landes Nordrhein-Westfalen tagte.
Das klingt ja vernünftig!)
Mit dem vorgeschlagenen Verfahren schaffen wir einen ersten wichtigen, von der Praxis gewünschten Baustein, um Massenverfahren besser zu bewältigen. Recht und Verfahren müssen jedoch kontinuierlich weiterentwickelt werden. Der Diskussion über weitere Ergänzungen und wohlkonzipierte Ansätze stehen wir offen gegenüber. Ein Verfahren, das dazu führt, dass der BGH durch zahlreiche Vorlagen übermäßig in seiner Funktionsfähigkeit belastet wird, was zur Verzögerung bei sogenannten Vorabentscheidungen führt und die Dauer anderer Revisionsverfahren deutlich verlängern könnte, schafft jedoch keine Abhilfe.
Meine Damen und Herren, mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir die Grundlage für eine effiziente Bewältigung von Massenverfahren und stärken damit zugleich unseren Rechtsstaat.
Vielen Dank.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat Dr. Martin Plum für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)