Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen wurde von Deutschland und Namibia gemeinsam initiiert und vorangebracht. Wir begrüßen auch aus historischen Gründen diese Zusammenarbeit, weil es einen Staat des Globalen Westens mit einem des Globalen Südens zusammengebracht hat, um diese Themen zu diskutieren. Wenn wir über 75 Jahre Vereinte Nationen sprechen, dann hat, wie ich finde, Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte nichts von seiner Aktualität verloren: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Ich sage das deswegen, weil es hier in Deutschland, aber auch in vielen anderen Teilen der Welt Bestrebungen gibt, genau diesen Satz nicht mehr zu befolgen. Dieser Satz muss Richtschnur unserer Politik sein. Wir wissen, dass die internationale Ordnung kein Nullsummenspiel ist. Es ist nicht so, dass ich nur gewinnen kann, wenn der andere verliert. Internationale Ordnung bedeutet vielmehr, dass man gemeinsam die Probleme lösen muss, die man nur auf globaler Ebene lösen kann. Das betrifft demnächst das Thema „künstliche Intelligenz“, den Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel, aber auch den Kampf um Wohlstand, den Kampf gegen Hunger und für eine bessere Entwicklung in allen Teilen der Welt. Dazu ist die Reform der Vereinten Nationen notwendig, vor allem, weil sich eingeschlichen hat, dass einige Organisationen innerhalb der UN nicht mehr funktionieren, der Sicherheitsrat ganz oben. Denn es hat sich gezeigt, dass das Vetorecht nicht mehr im Sinne der Vereinten Nationen ausgeübt wurde, sondern zum Schutz der eigenen Völkerrechtsverletzungen. Das muss abgestellt und gebrandmarkt werden. Wir brauchen eine Neuorientierung des Sicherheitsrates, gar keine Frage. Wir müssen über die Rolle Südamerikas – Brasilien –, Indiens, der afrikanischen Staaten und über eine ausgewogene Verteilung in diesem Gremium sprechen, um damit die Welt insgesamt abzubilden. Und wir müssen in Bezug auf die Organisationen auch über den UN-Menschenrechtsrat sprechen. In diesen Rat kommt man übrigens, ohne dass eine Prüfung der Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land erfolgt, sodass tatsächlich Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten, in diesem Menschenrechtsrat vertreten waren. Das hat zu einer völlig dysfunktionalen Einstellung geführt. Israel ist in den letzten 18 Jahren 108-mal vom UN-Menschenrechtsrat verurteilt worden, Syrien, Nordkorea und der Iran zusammen weniger oft. Wir dürfen nicht bereit sein, diese Schieflage im UN-Menschenrechtsrat weiter zu akzeptieren. Ja, wir müssen auch über das Abstimmungsverhalten Deutschlands in der UN-Generalversammlung in jüngster Zeit sprechen. So wichtig es war – und so richtig übrigens –, den Zukunftsgipfel voranzubringen, so besorgt bin ich auch über unser Abstimmungsverhalten in Bezug auf Israel. Erst letzte Woche gab es in der Generalversammlung eine Resolution über ein Waffenembargo gegen Israel. Deutschland hat sich enthalten. Das hat den israelischen Außenminister Israel Katz veranlasst, in der „Welt“ folgende Zeilen zu schreiben – ich zitiere –: Ich finde, Deutschland hätte mehr Mut und mehr Einsatz für die Belange Israels in der Generalversammlung zeigen sollen und zeigen müssen. Wir müssen, meine Damen und Herren, auch über das Völkerrecht sprechen, weil Völkerrecht gebrochen wird, auch durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Gerade weil der UN-Sicherheitsrat blockiert ist, wird es nicht, wie bei Ruanda oder bei Jugoslawien, zu einem UN-Tribunal kommen, welches diese Kriegsverbrechen aburteilt. Ich meine aber, dass der Anspruch bestehen muss, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit und auch das Verbrechen der Aggression abgeurteilt werden müssen, damit das Primat des Rechts in der Völkergemeinschaft bestehen bleibt. Lassen Sie uns gemeinsam diese Fragen angehen! Das wird nicht von heute auf morgen gehen; aber wir brauchen starke Vereinte Nationen, weil wir wissen, dass wir nur diese eine Welt haben. Herzlichen Dank.