Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In keiner großen Volkswirtschaft der Welt leistet der Außenhandel einen so hohen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt und zur Sicherung von Arbeitsplätzen wie in Deutschland. Keine große Volkswirtschaft der Welt ist so auf Fachkräftezuwanderung angewiesen wie Deutschland – nicht China, Indien oder Japan. Nein, hier in Deutschland brauchen wir Fach- und Arbeitskräfte aus der Welt für unseren Wohlstand und unser Wachstum. Wenn es aber so ist, dass unsere Geschäftspartner und unsere zukünftigen Fachkräfte überall auf der Welt zu Hause sind, dann sollten wir alles dafür tun, dass wir eine weltoffene Gesellschaft bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Weltoffenheit, Toleranz und freier Handel sind die Fundamente, auf denen unser Wohlstand gründet. Ausgrenzung, Herabwürdigung und Euroskepsis passen nicht dazu. Die antragstellende Fraktion und die sie tragende Partei täten gut daran, ihre Haltung in diesen Fragen grundsätzlich zu überdenken. Die Weltwirtschaft wächst dieses Jahr um 3 Prozent, die Wirtschaft in China um 5 Prozent, in den USA um 3 Prozent, in Europa um 1 Prozent, in Deutschland um 0 Prozent. Die Wachstumsschwäche ist Ausdruck mangelnder oder schwindender Wettbewerbsfähigkeit; das besagt auch der Draghi-Bericht. Die Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Deutschland passen leider häufig nicht mehr. Mittelständische Unternehmen beklagen hohe Subventionen für die großen Unternehmen bei gleichzeitig überhöhten Unternehmensteuern für die erfolgreichen Unternehmen. Mittelständische Unternehmen beklagen steigende Sozialversicherungsbeiträge. Nächstes Jahr kommen wir auf den Höchststand der letzten Jahre; ab 2028 droht ein Allzeithoch von bis zu 45 Prozent. Beides – überhöhte Steuern und steigende Sozialversicherungsbeiträge – ist ein Exportprogramm für Investitionen und Arbeitsplätze, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das müssen wir ändern. Die Rahmenbedingungen passen nicht mehr. Drei Beispiele aus der Praxis: Neulich sprach ich mit einer mittelständischen Unternehmerin aus Brandenburg, die 100 Millionen Euro investiert. Sie erzählte, sie habe dreieinhalb Jahre auf die Baugenehmigung gewartet – nicht dreieinhalb Wochen, nicht dreieinhalb Monate, nein, dreieinhalb Jahre. Das geht gar nicht. Behörden haben keinen Investitionsverhinderungsauftrag, liebe Kolleginnen und Kollegen; Behörden müssen Partner und Dienstleister für die Wirtschaft sein. Nehmen Sie den Bäckermeister aus dem Sauerland. Der erzählte: Heute sagt die Arbeitsschutzbehörde: Der Boden in der Backstube ist zu glatt. Da könnte es zu Arbeitsunfällen kommen. – Morgen sagt die Lebensmittelüberwachungsbehörde: Der Boden in der Backstube ist zu rau. Da könnten sich Keime bilden. – Er fragt: Herr Cronenberg, was soll ich tun? Ich kann nicht im Monatsrhythmus die Beschaffenheit des Bodens ändern. – Was ist das für eine Verlässlichkeit? Es ist kein Wunder, wenn dieser Bäckermeister seinen Kindern abrät, den Betrieb zu übernehmen. Politik hat keinen Nachfolgeverhinderungsauftrag, sondern Politik muss Regeln setzen – wenige Regeln setzen, die dann auch eingehalten werden können. Wie soll sich der schwäbische Maschinenbauer fühlen, der seit Monaten auf seine Exportgenehmigungen wartet, weil niemand entscheidet? Ohne Entscheidungen springen aber seine Kunden ab. Schlimmstenfalls fragen sie in Zukunft gar nicht mehr an. Verzagtheit und eine Kultur des Misstrauens müssen verschwinden aus unseren Amtsstuben. Wir brauchen ein anderes Mindset: ein Mindset, das geprägt ist von Zuversicht, Tempo und Freiheitsvertrauen. Der Worst Case ist eben nicht die drohende Dienstaufsichtsbeschwerde oder das Vertragsverletzungsverfahren; der Worst Case ist, wenn Bürger und Betriebe ihr Vertrauen in den Staat verlieren. Ohne Vertrauen keine Investitionen, ohne Investitionen keine Arbeitsplätze und ohne Arbeitsplätze keine soziale Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht darum, zentrale Versprechen der sozialen Marktwirtschaft wieder einzulösen: Wohlstand für alle und Aufstieg durch Leistung.