Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja schön, Herr Kollege Vogel, dass Sie über Wirtschaftswachstum gesprochen haben; bisher ist diese Ampelregierung eigentlich nur durch Bürokratiewachstum in diesem Land aufgefallen. Die Ampelkoalition widerlegt auch beim Bürokratieentlastungsgesetz ein uraltes Sprichwort: Was lange währt, wird bei Ihnen leider nicht gut. Lange haben Sie sich Zeit gelassen zwischen den Meseberger Ankündigungen und dem heutigen Gesetzesbeschluss. Und wer noch gehofft hat: „Die nutzen die Zeit jetzt wirklich, um mal einen großen Wurf zu wagen“, der sieht sich bitter enttäuscht. Was als Entlastungspaket angekündigt wurde, ist eigentlich nicht mal mehr ein Päckchen; das ist vielleicht noch ein dünner Luftpostbrief. Schon die Bezeichnung Ihres mageren Entlastungsgesetzes ist irreführend. Sie sprechen hier vom „BEG IV“ und wollen damit wohl suggerieren, Sie hätten vorher schon was gemacht – na ja! Die Wahrheit ist: Alle erfolgreichen bisherigen Bürokratieentlastungsgesetze und -programme in diesem Jahrhundert kamen auf Initiative von CDU und CSU zustande. Schon unser erstes Programm hatte ein zwölfmal höheres Volumen, also über 12 Milliarden Euro, als Ihr Bürokratieentlastungsgesetz, das das erste und einzige der Ampel sein wird. Das hat auch einen Grund: Wir sind damals das Problem mit ganz neuer Methodik, ganz grundsätzlich und strukturell angegangen. Und was haben Sie gemacht? Sie verlieren sich bei diesem Gesetz im Klein-Klein, und Sie haben letztlich kapituliert vor den Egoismen der Fachressorts. Unter Ihrer Regierung ist der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft auf einem historischen Höchststand angelangt. Das sage nicht ich; das sagt Ihnen Ihr eigener Normenkontrollrat, also der der Bundesregierung. Statt der versprochenen Entlastung erleben wir Sitzungswoche für Sitzungswoche eine Zunahme an Vorschriften, an Dokumentationspflichten, die unsere Unternehmen lähmen und Innovationen bremsen. Meine Damen und Herren, die Ampelparteien übertreffen sich gegenseitig im Erfinden neuer Regeln, die dann natürlich voller Misstrauen auch minutiös überwacht werden müssen. Und wenn der eine das Heizungsgesetz bekommt, dann will der andere sein Tariftreuegesetz. Bei Ihnen heißt es nicht: „One in, one out“, sondern: „One for you, one for me“. Ihr Gesetz soll laut Regierungsangaben eine Entlastung von unter 1 Milliarde Euro pro Jahr bringen. Darauf sind Sie so stolz, dass Sie es hier in der Primetime der Sitzungswoche debattieren lassen. Ein anderes Gesetz haben Sie heute hingegen schamhaft auf einen Tagesordnungspunkt weit nach Mitternacht geschoben. Ich spreche von der Beratung zur Umsetzung der CSRD-Richtlinie, also der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Allein dieses eine Gesetz bringt der Wirtschaft Mehrbelastungen von einmalig 850 Millionen Euro und Jahr für Jahr von 1,6 Milliarden Euro, also im ersten Jahr seiner Geltung schon mal locker das Doppelte der gesamten BEG-Entlastung. Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Hinweis, das sei alles Europas Schuld! Ich weiß nicht, ob Sie das wissen: In den europäischen Räten ist nicht die deutsche Opposition vertreten. Da sitzen Vertreter dieser Ampelregierung, und die haben dem Ganzen zugestimmt, meine Damen und Herren. Seit drei Jahren schüttet diese Ampel einen Eimer nach dem anderen ins Bürokratiefass, und jetzt wollen Sie auch noch von uns Lob dafür, dass Sie versuchen, mal wieder ein paar Teelöffel rauszuholen. Das geht so nicht, meine Damen und Herren. Beim Blick in Ihr Gesetz fällt auf, dass unter Ihren ganzen kleinteiligen Maßnahmen eine einzige hervorsticht, die für weit über die Hälfte des gesamten Entlastungsvolumens herhalten soll; das ist die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Steuerbelege. Dabei sind Ihre Annahmen zu den Einsparungen durch dieses Gesetz, wie ich finde, sehr gewagt; man könnte auch sagen: äußerst realitätsfern. Durch die immer mehr genutzte elektronische Rechnungslegung bauen sich diese Aufbewahrungskosten ja schon von selbst ab – glücklicherweise. Die Zahl der erwarteten Einsparung mag im ersten Jahr also noch stimmen. In zwei oder drei Jahren ist das schon total unrealistisch, wenn Sie hier Mietkosten für Aktenräume in die Rechnung einbeziehen. Mag alles gut gerechnet sein; aber ich glaube, so funktioniert Bürokratieabbau nicht. Vor allem aber ist Ihnen wohl erst vor wenigen Tagen aufgefallen, dass es schon widersprüchlich ist, wenn einerseits die strafrechtlichen Verjährungsfristen jüngst im Licht des Cum-ex-Skandals verlängert wurden, aber andererseits die Verfolgbarkeit von Steuerstraftaten jetzt erschwert werden soll. Ich sage aber auch dazu: Wir halten es für vertretbar, wenn Sie das nun mit einem partiell späteren Inkrafttreten der Regelung sozusagen in letzter Minute noch zu retten versuchen. Aber Sie sollten sich auch nicht wundern, wenn Vereine wie Finanzwende und viele andere vor der Straffreiheit für Steuerbetrüger warnen. Ich sage es Ihnen ganz klar: Eine Koalition, die mit allen Mitteln versucht, einen Untersuchungsausschuss zu den Verstrickungen von Olaf Scholz in das Cum-ex-Thema zu stoppen, gerät eben ganz schnell in den Verdacht, dass sie auch sonst Dinge in diesem Zusammenhang zu verbergen hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bürokratieabbau setzt Vertrauen voraus: Vertrauen der Regierung in die Bürger und Vertrauen der Bürger in eine Regierung. Nach drei Jahren Ampel ist beides akute Mangelware. Ihnen fehlt der Mut, den Menschen zu vertrauen. In unserem Entschließungsantrag listen wir mehr als ein Dutzend Punkte auf, die echte und spürbare Entlastungen bringen würden: von A wie Arbeitszeiterfassung bis Z wie digitale Zeugnisse. Sie machen hier nur einen verzagten Schritt – anders als in vielen anderen Fällen immerhin in die richtige Richtung. Aber: Obwohl Sie als Regierung eigentlich nichts mehr zu verlieren haben, fehlt Ihnen der Mut zu echtem Bürokratieabbau.