Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Was führen wir hier eigentlich heute schon wieder für eine Debatte? Insgesamt muss ich mich über die Debatte in unserer Gesellschaft aktuell sehr wundern. Ich finde, wir müssen mal genau draufgucken: Was ist in den letzten Wochen passiert? Es ist ein furchtbares islamistisches Attentat verübt worden, eine furchtbare Tat. Aber anstatt darüber zu sprechen, wie wir Islamismus effektiv bekämpfen können, sprechen wir schon wieder über Migration und Asyl, so als wäre das unser Problem. Die AfD läuft mal wieder zur Hochform auf, holt zu menschlichen Tiefschlägen aus und legt – übrigens reichlich spät, erst gestern Abend – einen Antrag mit dem Titel „Brot, Bett und Seife“ vor. Allen Asylbewerbern soll hier jetzt das Leben so mies wie möglich gestaltet werden. So weit ist das von Ihnen ja jetzt nichts Neues. Ich möchte aber mal darüber sprechen, was eigentlich das islamistische Attentat von Solingen mit den von der AfD geforderten Asylrechtsverschärfungen zu tun hat. Dafür möchte ich Sie alle mal zwei Jahre mit zurücknehmen, zum 7. Dezember 2022. Am 7. Dezember 2022 fanden bundesweite Razzien statt, und eine gefährliche Terrorzelle wurde ausgehoben. 25 Personen wurden festgenommen. Sie hatten konkrete Anschlagspläne für mehrere Orte in der Bundesrepublik. Ihr Waffenarsenal umfasste 382 Schusswaffen, 347 Stichwaffen und mehr als 148 000 Munitionsteile. 500 000 Euro waren für die Beschaffung weiterer Waffen bereitgestellt. Die Rede ist von einer Gruppe von Reichsbürgern rund um Heinrich Prinz Reuß. Prinz Reuß stand an der Spitze der Umsturzpläne der Allianz. Ebenfalls im engeren Kreis dabei und deren Kandidatin als zukünftige „Justizministerin“: die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann. Die Razzia in Malsack-Winkemanns Haus förderte ein Selbstladegewehr und einen Revolver mit 6 955 Patronen und 21 Magazinen, dazu drei Taser und zwei Schlagstöcke zutage, einiges davon griffbereit in einer Tasche verpackt. Anschlagsziele der Allianz waren Bürgermeister/-innen bundesweit, der Deutsche Bundestag und Mitglieder der Bundesregierung. Was wäre vor zwei Jahren wohl die Reaktion gewesen, wenn ich mich damals hierhingestellt und gefordert hätte, der Herr Springer und die Mitglieder der AfD sollten bis auf Weiteres nur Brot, Bett und Seife erhalten, bis bewiesen ist, dass sie mit dem Terrornetzwerk nichts zu tun haben? Schließlich hätte ich sagen können, dass auch Sie, Herr Springer, und die Mitglieder der AfD Vertreter eines rechten Gedankengutes sind. Und schließlich war es ja auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, die Teil des Terrornetzwerks war. Ich brauche nicht viel Fantasie – und Sie bestätigen das ja gerade –, um mir vorzustellen, wie Sie reagiert hätten, Herr Springer. Sie hätten mir gesagt, dass ich wahrscheinlich spinne und wie vermessen und verfehlt es wäre, von der Terrorgruppe auf die AfD und von Frau Malsack-Winkemann auf den Herrn Springer zu schließen. Die einen hätten doch mit dem anderen nichts zu tun, und man könne doch von einer Person nicht auf alle schließen. Stimmt wahrscheinlich. Und daher habe ich auch nie gefordert, dass der Herr Springer oder alle AfD-Mitglieder nur Brot, Bett und Seife bekommen sollen; denn das wäre unsinnig, es wäre überzogen und nicht zielführend. Aber nach dem Attentat von Solingen tun Sie, die AfD, jetzt genau das. Das islamistische Attentat wurde von einem Geflüchteten begangen, ja. Aber was haben denn all die Menschen im Asylverfahren und Menschen mit Migrationsgeschichte damit gemeinsam? Die allerallerallermeisten haben damit genauso viel gemeinsam wie Sie und Frau Malsack-Winkemann, nämlich hoffentlich gar nichts. Und trotzdem stellen Sie alle Geflüchteten unter Generalverdacht und wollen sie bei Brot, Bett und Seife ihr Dasein fristen lassen. Das ist – mit Verlaub – vermessen, verfehlt, überzogen und nicht zielführend. Und ich möchte hinzufügen: Es ist auch nicht verfassungsgemäß. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen immer wieder klar bestätigt. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2022, Randnummer 56: