Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute einen Antrag der Union mit dem Titel „Belange der Menschen mit Behinderung finanziell stärken“. Dagegen kann man erst mal nichts haben. Doch statt über die große gesellschaftliche Frage zu debattieren, wie wir Menschen mit Behinderung mehr Teilhabe ermöglichen, wollen Sie hier leider nur über kleine technische Details diskutieren. Sie schaffen es dabei gerade mal, drei magere Stichpunkte aufs Papier zu bringen. Punkt eins: Umsatzsteuerbefreiung für das Persönliche Budget. Menschen mit Behinderung bekommen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch Sach- und Dienstleistungen. Sie können aber anstatt dieser Leistungen das Geld auch als sogenanntes Persönliches Budget ausgezahlt bekommen. Das können sie dann selbstbestimmt für Aufwendungen zur Deckung ihres persönlichen Hilfebedarfs ausgeben. Sehr gut! Nach einem Urteil des Finanzgerichts Hessen unterliegen nun die Leistungen, die aus diesem Persönlichen Budget gezahlt werden, der Umsatzsteuer. Ich finde, da haben Sie auch einen Punkt. Wir werden das aufnehmen und noch mal prüfen. Punkt zwei betrifft das Kindergeld. Die Union fordert, dass das Kindergeld teilweise auch ohne Nachweise in Anspruch genommen werden kann. Ein Beispiel: Wer nach dem 18. Lebensjahr Kindergeld beziehen will, muss den Nachweis erbringen, dass er oder sie auch anspruchsberechtigt ist. Kinder mit Behinderung sind oftmals über das 25. Lebensjahr hinaus anspruchsberechtigt. Das ist erst mal positiv. Die Union unterstellt nun, dass es regelmäßig zu Unterbrechungen bei der Auszahlung des Kindergeldes käme, nämlich während die Familienkasse angeblich so lange diese Nachweise prüft. Einen Nachweis, dass dies flächendeckend so sei, bleiben Sie hier aber schuldig. Ehrlicherweise finde ich es auch etwas wohlfeil, dass es Ihnen an einem Tag gar nicht genug Kontrollen, Prüfungen und Maßnahmen für Sozialhilfeempfänger geben kann, während Sie an einem anderen Tag fordern, dass Leistungen vom Staat einfach ohne Nachweise ausgezahlt werden können. Das ist die Inkonsequenz der Union in der Opposition, die sich für den scheinbar schnellen Stimmungsgewinn entscheidet, anstatt konsequente Politik zu machen. Sollte es dort tatsächlich Probleme geben, müssen wir das lösen; das stimmt. Sie müssten aber auch Zahlen zu Ihrem Antrag vorlegen. Als Politiker hätte ich schon erwartet, dass Sie in der Opposition die Regierung auch mal danach fragen, ob es denn diese Fälle gibt und, wenn ja, welche Lösungen es geben kann. Ich erwarte von der größten Oppositionsfraktion einfach, dass sie sich etwas mehr Arbeit macht, als hier nur drei Stichpunkte zu Papier zu bringen. Schlussendlich behandelt Ihr Antrag noch die Kraftfahrzeugsteuer. Sie fordern, dass auch Pkws steuerbefreit sein sollen, wenn Haushaltsmitglieder das Fahrzeug nutzen und dabei nicht die behinderte Person befördern. Da habe ich eine gute Nachricht: Das ist bereits so, wenn die Fahrten zur Haushaltsführung der behinderten Person dienen. Und jetzt mal ganz ehrlich und unter uns: Kein Hauptzollamt kann prüfen, welche Fahrten das tatsächlich sind. Aber auch hier sind wir bereit, diesen Punkt aufzunehmen und nochmals zu prüfen und das Gesetz gegebenenfalls zu ändern. Ich finde bloß, dass der Antrag etwas wenig Fleisch am Knochen hat, und deswegen können wir ihm auch nicht zustimmen. Wie gesagt, etwas mehr Arbeit und ein bisschen mehr Inhalt in einen solchen Antrag zu packen, stünde der größten Oppositionsfraktion ganz gut zu Gesicht. Nichtsdestotrotz freut es mich natürlich, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung ist. – Jetzt komme ich darauf. Passen Sie auf! Noch besser hätte ich es gefunden, wenn die größte Oppositionsfraktion, die Union, die Koalition unterstützt hätte, wenn es zum Beispiel um die Förderung des inklusiven Arbeitsmarkts geht. Der inklusive Arbeitsmarkt ist nämlich zentral, wenn wir wirklich Teilhabe von allen Menschen ermöglichen wollen. Für die Sozialdemokratie war schon immer klar: Arbeit ist mehr als Broterwerb. Arbeit stiftet Identität. Und deshalb bin ich stolz darauf, dass wir vor einem Jahr die Teilhabe am Arbeitsmarkt gesetzlich gestärkt haben – völlig ohne die Unionsfraktion. Nun gilt nämlich endlich: Wenn Arbeitgeber keinen Menschen mit Behinderung einstellen wollen, dann müssen sie die sogenannte Ausgleichsabgabe zahlen. Damit ermöglichen wir es, Menschen, die eine Behinderung haben, besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist ein Erfolg dieser Koalition, und das trägt eben dazu bei, dass Menschen mit Behinderung besser in das Leben kommen. Lassen Sie mich diese Debatte auch nutzen, um noch etwas Grundsätzliches zum Umgang mit Menschen mit Behinderung in dieser Gesellschaft zu sagen. Denn während hier im Hause die Union, die Ampelparteien und auch die Gruppe Die Linke dieses Thema debattieren, um Lösungen ringen und Argumente austauschen, gibt es eine Gruppe, die das gar nicht interessiert – das BSW, das fast nie anwesend ist –, und es gibt eine Fraktion, die eine offene und inklusive Gesellschaft vollkommen ablehnt. Diese Partei hat viele Rechtsextreme in ihren Reihen, und nun, nach diesen Wahlerfolgen, versteckt die AfD nicht mal mehr ihren Hass auf Menschen mit Behinderung. – Wenn Sie jetzt so laut werden: Ich kann gerichtsfest behaupten und sagen: Björn Höcke ist ein Nazi. Das sollte Ihnen zu denken geben. Vielleicht können Sie dagegen klagen, und dann gewinne ich auch wieder bei Gericht. Denn dieser Björn Höcke sagt zur Inklusion: Das ist ein „Ideologieprojekt“ und ein „Belastungsfaktor“. Ihr korrupter Spitzenkandidat Maximilian Krah sagt: Die Menschen mit Behinderung sind „Idioten“. Verehrte Damen und Herren, das ist die Sprache der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das ist der Hass und die ideologische Grundlage für Gewalt, die Menschen mit Behinderung immer noch widerfahren. Und deshalb ist völlig klar – – Ja, gerne. Ich weiß jetzt nicht, was das soll, dass Sie hier mit Artikeln um sich werfen, von denen Sie keine Ahnung haben; aber egal. Ich antworte gerne auf die Zwischenbemerkung. Das ist es ja eben. Es geht dieser Partei gar nicht um Inklusion, wie Frau Huy uns hier vormachen wollte. Es fängt bei den Menschen mit Behinderung an. Diese Partei möchte zuerst diese Menschengruppe aus der Gesellschaft ausgliedern, dann andere und dann die Menschen mit Migrationshintergrund. Sie will diese millionenfach abschieben und tanzt zu lustigen Songs. Das ist eben die Gefahr, die von dieser Partei ausgeht, und der stellen wir uns vollkommen entgegen. – Danke für die Frage. Wie schon gesagt, wir als Demokratinnen und Demokraten stehen an der Seite – – Natürlich, gern. Danke für die Frage. – Ich habe Ihnen gerade zwei, drei Beispiele genannt. Kollegin Rüffer hat auch noch mal gesagt, was der Spitzenkandidat – nicht irgendein Politiker in einem Kommunalparlament, nein, der Spitzenkandidat – der AfD in Thüringen im MDR-„Sommerinterview“ zu behinderten Menschen gesagt hat. Und jetzt will ich von Ihnen wissen – aber Sie dürfen leider nicht mehr antworten –, wie Sie das finden, wenn Sie auch ein behindertes Kind haben. Dann müssten Sie ja laut schreien und sagen: Nein, wir brauchen Inklusion, wir brauchen Sonderschulen, aber wir brauchen eben auch Kinder mit Behinderungen in normalen Schulen, damit das normalisiert wird! – Das haben Sie eben nicht getan. Sie sind einfach ein Mitläufer; Sie können sich setzen. – Vielen Dank. Als Demokratinnen und Demokraten stehen wir an der Seite von Menschen, die ausgegrenzt werden – auch von dieser Partei. Wir stehen an der Seite derjenigen, die sich vielleicht nach den Landtagswahlen im Osten auch fragen: Welche Zukunft habe ich denn noch in meiner Heimat? Wir senden die klare Botschaft: Wir stehen zusammen. Denn in diesem Land gehören alle dazu: Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationsgeschichte und mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Die einen mögen es „Solidarität“ und die anderen „Mitmenschlichkeit“ nennen. Wir stehen zusammen. Dafür lohnt es sich, einzustehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür lohnt es sich auch, die Brandmauer zu erhalten.