Glauben Sie bitte nicht, dass diese Herangehensweise nicht dazu führt, dass der Ast, auf dem Sie sitzen, droht abzubrechen! Lassen Sie uns doch einmal die Gelegenheit nutzen, darüber nachzudenken, wie die Lage ist! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In solchen Debatten, wie wir sie diese Woche geführt haben, verhandelt eine Gesellschaft, wer sie sein will, wohin sie gehen will, wie sie die Lage einschätzt. Das tut jede Fraktion für sich, das tun Regierung und Opposition und vermutlich jeder einzelne von uns. Die Fraktion rechts außen und eine Gruppe, die, aus meiner Sicht: fälschlicherweise, gerade links außen sitzt, haben sich auch in dieser Woche für die politische Lüge als Grundlage jeglicher Handlungen entschieden. Und die Frage ist: Wie reagieren eigentlich die anderen darauf? Wie reagieren wir als demokratische Parteien, als demokratische Fraktionen, als Menschen, die sich zwar aus unterschiedlichen, aber, wie ich sagen würde, jeweils hehren Motiven dafür entschieden haben, politisch aktiv zu werden, darauf, dass in dieser Gesellschaft etwas ins Rutschen gekommen ist? Mein Vorschlag wäre, dass wir diese Debatte in aller Ehrlichkeit führen und auch über diesen Haushalt, über all das, was im nächsten Jahr ansteht, in aller Ehrlichkeit reden. Das ist ein Anspruch an die Regierung – dazu komme ich gleich – und auch ein Anspruch an die demokratische Opposition. Ist es denn in der derzeitigen Lage, in der ja nicht nur Deutschland, sondern auch viele andere demokratische Gesellschaften vor einer Zerreißprobe stehen, wirklich ratsam, zu glauben, die Engführung aller Herausforderungen auf ein Thema, nämlich Migration, helfe uns aus dieser Lage heraus? Ist das wirklich klug? Ich glaube, nicht. Ist es wirklich klug, in einer Welt, in der die Feinde der Demokratie nicht nur von innen, sondern auch von außen auf uns einwirken, unser internationales Engagement infrage zu stellen oder zu diskreditieren, wie das in den letzten Wochen und Monaten immer wieder passiert ist? Ich glaube, nicht. Ist es klug, in einer ohnehin schon polarisierten Gesellschaft die Verächtlichmachung, den Angriff mit voller Härte immer an den Beginn jeder Strategie zu stellen, anstatt zu fragen, was wir in dieser Gesellschaft gemeinsam bewältigen und gemeinsam erreichen können? Ich glaube nicht. Wenn wir über diesen Haushalt reden, rate ich uns allen zu großer Ehrlichkeit. In gewisser Weise ist dieser Haushaltsentwurf der Regierung ein Zeichen des großen Vertrauens der Regierung in das Parlament. In der Tat gibt es noch einige Fragen zu klären. So, wie er jetzt vorliegt, kann und wird er am Ende nicht beschlossen werden. Aber was bedeutet das? – Ich versuche gerade, mit Ihnen eine Debatte darüber zu führen, wie wir dieses Land gemeinsam voranbringen können. Und von Ihnen kommt wieder nur Häme. Machen Sie das so, aber glauben Sie bitte nicht, dass Sie davon dauerhaft profitieren! Dieser Haushaltsentwurf ist nicht das Ende jeder Debatte. Dieser Haushaltsentwurf ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber dieser Haushaltsentwurf, meine Damen und Herren von der Union, ist doch ehrlicherweise auch nicht das größte Übel, das diese Welt und dieses Parlament jemals zu Gesicht bekommen hat oder zu Gesicht bekommen wird. Er ist Ausdruck von großen Problemen, die dieses Land hat. Er ist Ausdruck dessen, dass unsere Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft herausgefordert wird von Menschen überall auf der Welt, die es nicht gut mit uns meinen. Er ist Ausdruck dessen, dass wir, ja, noch immer in einer schwierigen Krisensituation leben, in die wir uns in der Vergangenheit selbst hineinmanövriert haben. Er ist Ausdruck dessen, zu versuchen, herauszukommen aus dieser Lage – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich möchte uns allen die Bitte mit auf den Weg geben – und ich schließe meine eigene Fraktion ein –, das nächste Jahr, aber erst einmal die nächsten Wochen und Monate zu nutzen, um zu schauen, was unter den gegebenen politischen Umständen einer Koalition, die aus drei sehr unterschiedlichen Parteien besteht, die sich aber gemeinsam dafür entschieden haben, Verantwortung zu übernehmen, möglich ist, und gleichzeitig die demokratische Debatte darüber zu führen, was an den politischen, an den haushaltspolitischen und an den grundsätzlichen demokratiepolitischen Rahmenbedingungen verändert werden kann, damit wir es denen, die ganz rechts und ganz links sitzen, nicht leicht machen.