Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushaltsentwurf liefert gute Ansätze für die weiteren Beratungen. Die EEG-Umlage bleibt finanziert aus dem Haushalt. So senken wir weiterhin die Stromkosten für Unternehmen und für Bürgerinnen und Bürger. Wir finanzieren weiterhin die Wärmewende, den natürlichen Klimaschutz und unterstützen die Industrie bei der Transformation zur Klimaneutralität durch Klimaschutzverträge. Familien werden stärker unterstützt – durch Kindergeld, Kindersofortzuschlag und Kinderfreibetrag. Wir finanzieren Erzieher/-innen in Kitas. Und wir haben mit der Wachstumsinitiative ein großes Paket, um die Konjunkturdelle zu überwinden. Klima, Kinder, Konjunktur – daran werden wir jetzt im Haushaltsverfahren konkret arbeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schlussrunde ist traditionell eine Gelegenheit, um die Woche Revue passieren zu lassen. An dieser Stelle möchte ich deswegen etwas grundsätzlicher werden. Wir stehen alle noch unter dem Eindruck des schrecklichen Terroranschlags von Solingen. Mein Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen. Ich bin sehr dankbar für die vielen Helfer/-innen, Rettungskräfte und Polizisten vor Ort. Ihnen allen gilt unser großer Dank! Was wir aber nicht machen sollten, ist, innere Sicherheit, also die Bekämpfung islamistischen Terrors, mit Migration zu vermischen. Was ich in den Debatten in dieser Woche hier im Bundestag über Migration und Menschen auf der Flucht gehört habe, erschreckt mich. Mit welcher Hartherzigkeit, mit welcher Kälte hier über Menschen in Not geredet wurde, über Menschen, die vielfach vor islamistischem Terror und Krieg fliehen, das macht mich traurig, und das macht mich wütend. Mit welcher Geschwindigkeit, mit welcher Erbarmungslosigkeit hier menschenrechtliche, zivilisatorische Errungenschaften infrage gestellt werden, das macht mir persönlich Angst. Viele in diesem Haus, nicht nur die Rechtsextremen oder das Kremlbündnis, sondern auch Politiker aus demokratischen Parteien, überschlagen sich mit immer mehr irrationalen und schäbigen Forderungen. Ich will das nicht akzeptieren, und ich finde, wir als demokratische, werteorientierte Abgeordnete dürfen das nicht akzeptieren. Dieses Jahr feiern wir 75 Jahre Grundgesetz. Der erste Satz lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Viele Mütter und Väter des Grundgesetzes waren Christen. Für sie war handlungsleitend: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Und sie formulierten das Grundgesetz angesichts des Horrors des Nationalsozialismus. Die Verankerung des Grundrechts auf Asyl im Grundgesetz ist eine zentrale Lehre aus den Verbrechen Nazideutschlands und eine Verpflichtung zu einer menschlichen Gesellschaft. Gestern schrieb mir ein Bürger aus meinem Wahlkreis in Hannover eine E-Mail. Er fragte mich, ob ich mitbekäme, dass wir gerade erneut auf einen Lichtenhagen-Moment zulaufen. Er meinte damit das Pogrom von 1992 in Rostock-Lichtenhagen, wo tagelang ein terroristischer Mob deutscher Bürger Menschen in einem Asylbewerberheim mit Molotowcocktails attackierte. Die Polizei schritt damals nicht ein. Infolgedessen wurde das Grundrecht auf Asyl im Grundgesetz brutal beschnitten. Die Mail des Bürgers aus Hannover endete mit „Mit verzweifelten Grüßen“. Seinem Namen nach ist er wahrscheinlich kein weißer Mensch. Das ist das, was diese Debatte bei vielen Menschen auslöst: Angst, große Angst. Menschen, die nicht weiß sind, haben Angst – auch mit deutscher Staatsbürgerschaft. Ich wünsche mir, dass wir ihre Ängste und ihre Sorgen endlich ernst nehmen. Ich wünsche mir auch, dass wir die vielen Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger hier in Deutschland und unserer Nachbarn in Europa ernst nehmen. Die zentrale Idee Europas ist nicht die Abschottung, nicht das Gegeneinander von Nationen, nicht jeder gegen jeden, sondern das Fallen der Schlagbäume, offene Binnengrenzen in einem vereinten Europa. Das ist ein zentrales Friedensversprechen in Europa, und das dürfen wir jetzt nicht aufs Spiel setzen. Ich verstehe auch nicht, warum man in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage massive Grenzkontrollen anordnen will. Für uns als vernetzte europäische Volkswirtschaft, die auf Austausch und ein gutes Verhältnis zu seinen europäischen Partnern angewiesen ist, ist das ein großes Wirtschaftsrisiko und damit auch ein großes Haushaltsrisiko. Ich verstehe es einfach nicht. Und welche Pflegekraft, welche IT-Spezialistin, welcher Bauingenieur soll aus dem Ausland zu uns kommen angesichts der rassistischen Debatten in Deutschland, die er oder sie verfolgen muss? Ich hoffe, dass sie die Debatten diese Woche im Bundestag nicht gesehen haben. Wie wir Debatten über Migration, Flucht und Asyl führen, ist angesichts des riesigen Arbeits- und Fachkräftemangels eine große Wirtschaftsgefährdung. Ich habe einen Wunsch für uns alle für die nächsten Wochen. Ich wünsche mir mehr Besonnenheit in den Debatten und dass wir Ängste in Deutschland ernst nehmen, alle Ängste, auch die der Menschen, die von Rassismus, Ausgrenzung und Hass betroffen sind. Lassen Sie uns ehrlich über konkrete Probleme reden! Lassen Sie uns ehrlich über konkrete Lösungen reden, aber nicht über Scheinlösungen und Rechtsbrüche. Lassen Sie uns alle innehalten und uns an unsere Verantwortung als Abgeordnete und als Menschen erinnern und ihrer gerecht werden. Vielen Dank.