Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsdebatte, die in dieser Sitzungswoche stattgefunden hat, wurde in weiten Teilen, auch medial, von der Migrationsdebatte überlagert, die wir aktuell führen. Und ich nehme schon wahr, dass sich der Diskurs, den wir hier führen, in letzter Zeit, aber insbesondere in den letzten Tagen massiv nach rechts verschoben hat, und das macht mir ehrlicherweise Sorgen. – Ja, dass Sie daran ein Interesse haben, das leuchtet mir ein. Ich sehe das ein bisschen anders. Ich finde, wir alle – und da nehme ich weder unsere Koalition noch meine eigene Partei komplett aus der Verantwortung – täten gut daran, uns mal die Frage zu stellen: Können wir bestimmte Formulierungen noch verantworten, oder sorgen die nicht eigentlich dafür, dass die Feinde unserer Demokratie stärker werden, woran wir alle kein Interesse haben können? – Ich richte mich da überhaupt nicht an Sie; denn bei Ihnen wundert mich ehrlicherweise überhaupt nichts mehr. Ich möchte mich da insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen der Union richten. Um mal damit anzufangen, wie es positiv laufen kann, und um Sie dafür zu loben: Ich finde, wir hatten hier gestern einen sehr guten inhaltlichen Schlagabtausch in der Debatte rund um den Etat des Familienministeriums. Es ist ja klar, dass wir da in der Sache unterschiedliche Auffassungen haben; das ist überhaupt nicht der Punkt. Es ist auch Ihr Job, den Finger da in die Wunde zu legen, wo Sie es machen können. Wenn ich mich an die Redebeiträge von Herrn Lehrieder, Frau Bär und Herrn Tebroke erinnere, dann waren das gute inhaltliche Impulse, und Sie haben es auch geschafft, uns für Dinge zu loben, die Sie gut finden. So wünsche ich mir das. Ich weiß: Es ist bald erneut Landtagswahl. Und ja, ich habe hier auch schon mal im Vorfeld einer Landtagswahl in Hessen eine Rede zum Haushalt gehalten, in der ich die eine oder andere Sache ein Stück weit mehr zugespitzt habe, als ich das normalerweise getan hätte. Das ist alles überhaupt nicht der Punkt. Aber wenn ich mir anschaue, was Sie gerade in den Fokus Ihrer Kommunikation stellen, wenn ich mir anschaue, dass das individuelle Recht auf Asyl massiv infrage gestellt wird, wenn ich mir anschaue, dass Sie, Herr Merz, vom Kontrollverlust an den deutschen Außengrenzen sprechen, dann frage ich mich: Geht es nicht auch ein oder zwei Nummern kleiner? Ich befürchte, dass Sie mit dieser Kommunikation den Leuten helfen, denen Sie eigentlich überhaupt nicht helfen wollen. Ich möchte Sie wirklich dazu anhalten – es ist ja bald Wochenende; das bietet die Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen –, mal darüber nachzudenken: Können Sie das in dieser Form noch verantworten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union? Ich habe mich deshalb dafür entschieden, in den Fokus meiner Rede mal ein paar Dinge zu stellen, die für Zusammenhalt, für Integration, für die Demokratie in unserem Land stehen. Wir haben in diesem Haushalt beispielsweise wieder wundervolle Programme zur Demokratieförderung stehen. – Ja, das kennen wir schon alles. Ich weiß, was da jetzt von Ihnen kommt. Das überrascht mich nicht. Da geht es nämlich nicht darum, dass, wie Sie immer behaupten, Antifaberufsdemonstranten bezahlt werden oder so ein Unsinn. Für das Programm „Demokratie leben!“ beispielsweise stehen im Haushalt wieder 182 Millionen Euro drin. Damit werden unter anderem die lokalen Partnerschaften für Demokratie gefördert, bei denen Kinder und Jugendliche demokratische Beteiligung erlernen. Wir haben im Bundesinnenministerium ein Programm; das nennt sich „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Ich weiß, dass das auch der Ministerin ein ganz besonders großes Anliegen ist. Das ist im Regierungsentwurf noch mal um 5 Millionen Euro auf 17 Millionen Euro aufgestockt worden; das ist genau richtig so. Wir haben im Arbeitsministerium das wundervolle Programm „Unsere Arbeit: Unsere Vielfalt“, in dem 7 Millionen Euro stecken. Wir haben das entgegen der Planung jetzt noch mal um ein Jahr verlängert. Die Bundeszentrale für politische Bildung bekommt laut Entwurf auch 6 Millionen Euro mehr und damit über 100 Millionen Euro. Damit stärken wir die politische Bildung. Das Startchancen-Programm erhält 10 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren – für genau die Schulen, die es am dringendsten brauchen. Die Respekt Coaches, die Demokratieförderung an Schulen betreiben, die Jugendmigrationsdienste, bei denen wir ein außerschulisches Angebot an junge Migranten machen und so übrigens gerade Radikalisierungsprozessen präventiv entgegenwirken – all das ist mit 90 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt. Ich glaube, das sind die Dinge, über die wir mehr reden sollten in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich habe es vorhin schon angedeutet: Es werden derzeit immer wieder auch Grundgesetzänderungen von Ihnen ins Spiel gebracht, übrigens nicht nur im Hinblick auf das Grundrecht auf Asyl. Ich habe beispielsweise ein Zitat von Herrn Spahn im Kopf, der gesagt hat: Um Bürgergeldempfängern massiv Leistungen zu streichen, müsste man sich auch überlegen, ans Grundgesetz ranzugehen. – Ich habe da einen anderen Vorschlag: Wir wollen – so haben wir es im Koalitionsvertrag stehen – Kinderrechte ins Grundgesetz schreiben. Dafür haben wir ohne Sie leider keine Mehrheit, aber vielleicht macht es Sinn, dass wir mal gemeinsam darüber nachdenken – Sie unterhalten sich derzeit ja so gern mit uns –: Wie schaffen wir es, wenn wir schon Grundgesetzänderungen vornehmen, diese so zu machen, dass wir den Menschen nicht Rechte entziehen, dass wir sie nicht fernhalten von Beteiligung, sondern ihnen mehr Beteiligung ermöglichen? Das ist ganz wichtig für die Zuversicht, die wir brauchen, auch in dieser Haushaltsdebatte. Ich wünsche mir, dass Zuversicht der Geist ist, von dem diese Debatte geprägt sein wird. Ich freue mich auf die anstehenden Verhandlungen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.