Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geschätzter Herr Minister! Die Landtagswahl in Thüringen – viele haben es ausdrücklich so formuliert – war eine Zäsur. Warum war sie eine Zäsur? Sie war eine Zäsur, weil erstmals eine extremistische Partei, eine verfassungsfeindliche Partei mehr als ein Drittel der Stimmen bekommen hat. Das ist im 75. Geburtsjahr unseres Grundgesetzes ein sehr einschneidendes Erlebnis. Das Wahlergebnis fiel deutlich höher aus als das für die Sozialistische Reichspartei Anfang der 50er-Jahre, die bei einer Landtagswahl mal rund 11 Prozent erreicht hat. Sie ist ja dann später verboten worden. Warum ist das relevant? Das ist relevant, weil dadurch eine Gefahr für den Rechtsstaat entsteht. Sie entsteht dadurch, dass die sogenannte Sperrminorität erreicht wird. Eine Partei, die im Parlament mehr als ein Drittel der Stimmen hat, hat erheblichen Einfluss. Sie kann verhindern, dass die Verfassung geändert wird, und sie hat erheblichen Einfluss auf die Richterwahl. Mit Zweidrittelmehrheit werden die Richterinnen und Richter für das Verfassungsgericht gewählt. Und es braucht die Zweidrittelmehrheit, um das Verfahren der Richterernennung über den Richterwahlausschuss in Gang zu setzen. Das kann also jetzt blockiert werden. Das heißt, es entsteht eine erhebliche Gefahr für den Rechtsstaat in der Form, dass künftig Bürgerinnen und Bürger nicht mehr zu ihrem Recht kommen, weil Extremisten, weil Parteien, die nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen, mehr als ein Drittel der Stimmen in einem deutschen Parlament haben. Worin liegt die Gefahr im Weiteren? Das ist sehr deutlich: Die AfD will erreichen, dass ihr genehme Richter eingesetzt werden. Was will sie damit tun? Sie will die Justiz einsetzen, um politische Gegner zu verfolgen. Nein. Herr Brandner – auch Herr Jacobi hat es ja eben gesagt – spricht ja hier immer von der Entpolitisierung der Justiz. Man fragt sich ja immer: Was soll das sein? Ich habe es schon mehrfach erläutert. Herr Brandner hat es auf dem letzten AfD-Bundesparteitag auch ausdrücklich gesagt: Es geht darum – genau mit diesem Versprechen an die Delegierten ist er auch in den Bundesvorstand gewählt worden –, dass in dem Moment, wo die AfD das Sagen hat, die politischen Gegner vor Gericht gestellt und entsprechend verfolgt werden. Das ist das Instrument, was wir aus Diktaturen kennen: dass die Justiz eingesetzt wird, um politische Gegner mundtot zu machen. Und genau das ist das erklärte Ziel der AfD. Genau das hat Herr Brandner auf dem letzten Bundesparteitag ausführlich erläutert. Deswegen ist es in der Tat eine verpasste Chance, dass das wirklich sehr wertvolle Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs nicht Früchte getragen hat. Im Rahmen dieses Projektes haben Expertinnen und Experten zusammengetragen: Was kann man tun, solange es noch möglich ist? Leider haben sich im dortigen Landtag nicht die nötigen Mehrheiten zusammengefunden, um das auch zu machen. Aber das zeigt natürlich, dass es in 15 von 16 Bundesländern höchste Eisenbahn ist, dass man sich die Verfassung anschaut und überlegt: Wo ist unser Rechtsstaat angreifbar? Wo können künftig Extremisten Einfluss nehmen und verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Recht kommen? Sich das anzuschauen, kann ich nur dringend empfehlen. Da gibt es sehr gute Ausarbeitungen von der Justizministerkonferenz für alle Bundesländer. Das ist eine wichtige Aufgabe. Ich begrüße, dass der Verfassungsblog jetzt das Projekt Bundesrepublik aufgesetzt hat, im Rahmen dessen wir jetzt auch noch einmal sorgfältiger hingucken: Was müssen wir, was können wir auf Bundesebene tun, um den Rechtsstaat vor Extremisten, vor Verfassungsfeinden zu schützen? Dazu gehört auch der Pakt für den Rechtsstaat, den wir hier diskutiert haben. Ich habe am Anfang der Wahlperiode hier an diesem Pult gestanden und mich sehr kritisch geäußert zu der Umsetzung des Pakts für den Rechtsstaat. Ich muss sagen: Ich bin sehr zufrieden. Ich glaube, dass dieses Projekt genau an der richtigen Stelle ansetzt, dass der Bund diejenigen Digitalisierungsprojekte fördert und finanziert, bei denen die Länder gemeinsam handeln sollten. Das ist genau die richtige Funktion. Auf Landesebene habe ich eine solche Koordination immer vermisst. Es ist gut, dass das jetzt passiert. Wir haben auch andere Baustellen. Wir müssen zum Beispiel sicherstellen, dass Extremisten künftig nicht im Bereich der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sowie Schöffen Einfluss nehmen können. Das wird von Kommunalparlamenten auf den Weg gebracht. Auch dort ist die Zweidrittelmehrheit erforderlich. Wenn Extremisten, wie sie hier sitzen, dort das Sagen haben, ist das gefährlich. Aber das Gute ist – Herr Krings, ich fand, dass Sie die Diskussionskultur in der Rechtspolitik nicht richtig abgebildet haben –: Bei vielen Fragen sind wir uns ja tatsächlich sehr einig. Und ich finde gut, dass wir Gemeinsamkeiten gefunden haben, um die zentralen Sicherungen für das Bundesverfassungsgericht durchzusetzen. Herzlichen Dank dafür.