Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung versteht nicht, warum wir Frauen in diesem Land weiter kriminalisieren. Wir müssen nur einmal in die USA blicken; da ist es ein wahlkampfentscheidendes Thema. Gerade für Frauen haben wir in den nächsten Monaten noch viel vor. Alles gut. Sehr gerne lasse ich die natürlich zu. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! – Sie schreien da jetzt gerade. Also, für alle, die das jetzt nicht mitbekommen haben: Aus der AfD-Fraktion gab es jetzt sehr viele Zwischenrufe, weil ich nur die Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen begrüßt habe. Mit diesen Zwischenrufen machen Sie, glaube ich, für sich selbst klar, dass Sie sich nicht zu den demokratischen Fraktionen zählen. Das ist, glaube ich, das Selbstentlarvendste, was Sie tun konnten. Ich bin überzeugt, dass der Justizhaushalt einer der wichtigsten Einzelpläne in diesem Haushalt ist. Er ist ein Garant dafür, dass die Gewaltenteilung in diesem Land aufrechterhalten bleibt. Er ist ein Bollwerk gegen Demokratiefeindinnen und -feinde. In Zeiten, in denen die Umfragewerte für Parteien, die es nicht gut mit den Menschen in diesem Land meinen, hoch sind, in Zeiten, in denen Hass und Hetze im Netz häufig folgenlos stehen bleiben, in Zeiten, in denen die AfD Thüringen, die als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, eine Wahl gewinnt, ist der Zugang zum Recht und damit auch die Gewährleistung der Wahrung unserer Grundrechte zentrale Aufgabe der demokratischen Parteien im Bund, aber auch in den Ländern. Nein. Die Unabhängigkeit der Justiz ist dabei ein fragiles Konstrukt, das auf Vertrauen und einem gemeinsamen Verständnis von Gerechtigkeit und Freiheit aufgebaut ist. Häufig fällt sie als Erstes, wenn antidemokratische, autoritär-populistische Kräfte an die Macht kommen. Umso wichtiger ist es, dass wir nun gemeinsam mit den demokratischen Fraktionen unser Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz absichern wollen. – Das Zweite, das in solchen Situationen fällt, sind übrigens die Frauenrechte. Dies zeigt auch, dass es im Bereich der Rechtspolitik – wir wollen eben zum Beispiel das Verfassungsgericht im Grundgesetz absichern – und im Bereich der Justiz nicht nur um Geld geht. Die Rechtspolitik ist eines der wenigen Felder, in denen es nicht nur um das Materielle, sondern vor allem auch um das Materiell-Rechtliche geht. Und so sind die Gesetze, die wir im rechtspolitischen Bereich beschlossen haben und noch beschließen werden, ebenfalls ein Bollwerk gegen den Faschismus, da wir das tun, was wir als Gesetzgeber eben machen: Wir gestalten das Recht so, dass es gesellschaftlichen Realitäten entspricht. Die Rechtspolitik sorgt dafür, dass wir fortschrittlich und mutig in die Zukunft blicken können. Ein paar Beispiele: Wir haben im April dieses Jahres das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet und damit eine jahrzehntelange Diskriminierung von Transpersonen durch das menschenunwürdige Transsexuellengesetz beendet. Und, Herr Krings, wir haben Cannabis legalisiert und damit endlich einen fortschrittlichen Weg in der Drogenpolitik eingeschlagen. Wir haben auch dafür gesorgt, dass ungewollt Schwangere in einer der schwersten Situationen ihres Lebens weniger Steine in den Weg gelegt bekommen, indem wir den § 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen und Gehsteigbelästigungen verboten haben. Und was wir als SPD-Bundestagsfraktion auch noch machen wollen, ist selbstverständlich, den § 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Darauf antworte ich natürlich gerne. – Meines Wissens – aber nageln Sie mich jetzt nicht auf die Zahl fest – entscheiden sich in Deutschland knapp 100 000 Frauen pro Jahr dafür, ihre Schwangerschaft zu beenden. Sie haben gerade ganz wunderbar dargelegt, dass unter den Bedingungen des § 218a der § 218 tatbestandslos ist. Das ist etwas, was es im deutschen Strafrecht sonst eigentlich nicht gibt. Die Debatte, die sich dahinter eigentlich verbirgt, ist, ob der § 218 Teil eines Schutzkonzepts für das ungeborene Leben ist. Jetzt haben Sie gerade gefragt: Wie viele Abbrüche gibt es denn? Das sind 100 000. Zudem muss man feststellen, dass der § 218 nicht dazu beiträgt, Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern. Was wir aber feststellen können, ist, dass er Frauen stigmatisiert, die sich für einen Abbruch entscheiden. Und vor allem – das ist auch die Rückmeldung aus der Praxis, von den Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen – führt er dazu, dass sich viele dafür entscheiden, diesen Eingriff nicht durchführen zu lassen. Deswegen führt der § 218 auf jeden Fall zu einer Unterversorgung in Deutschland. Gerade für Frauen haben wir – neben dem § 218 – in den nächsten Monaten noch viel vor. Es ist unser Ziel, die Gewalt gegen Frauen in diesem Land zu beenden und betroffene Frauen besser zu schützen und zu unterstützen. Denn Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft und eine Bedrohung für die innere Sicherheit. Unser Ziel als SPD-Bundestagsfraktion ist es daher, die Istanbul-Konvention vollständig umzusetzen. Es ist ganz besonders Artikel 31, der noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist, ein Artikel, der vor allem die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft betrifft: Frauen und ihre Kinder in Familien, die Gewalt erfahren haben. Es geht konkret darum, dass wir es bis heute zulassen, dass Frauen und Kinder bei häuslicher Gewalt in sorge- und umgangsrechtlichen Fragen immer wieder retraumatisiert werden. Sie werden auch kurz nach der Trennung zum Umgang mit dem Täter gezwungen, in einer Zeit, in der die Gefahr für Femizide besonders hoch ist und sowohl die Frau als auch die Kinder erst mal zur Ruhe kommen müssen. Diese Praxis muss ein Ende haben. Okay. Lieber Herr Müller, dazu liegen mir keine Zahlen vor. Deswegen kann ich es nicht sagen. Aber die Frage war ja auch: Warum spreche ich von einer Kriminalisierung? Und dazu kann ich Ihnen schon etwas sagen, weil sich eine Frau erst mal grundsätzlich strafbar macht, außer sie erfüllt gewisse Bedingungen. Und deswegen sprechen wir von einer Kriminalisierung. Jetzt komme ich aber zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ zurück. Wir müssen als Gesetzgeber unserer rechtsstaatlichen Pflicht nachkommen und es auch Betroffenen von digitaler Gewalt ermöglichen, sich effektiv vor Gericht zur Wehr zu setzen. Deswegen darf der digitale Raum kein rechtsfreier Raum sein. Deshalb werden wir in naher Zukunft hier auch über ein digitales Gewaltschutzgesetz beraten. In diesem Zusammenhang freut es mich ganz besonders, dass wir im Justizhaushalt HateAid mit 600 000 Euro fördern. Es ist wichtig, dass Menschen zu ihrem Recht kommen. Das materielle Recht und die Umstände führen gerade noch nicht dazu, dass das gelingt. Deshalb ist es gut, dass wir auch Finanzmittel im Justizhaushalt dafür verwenden können, Betroffenen besser zu ihrem Recht zu verhelfen, da das materielle Recht, wie gesagt, den Schutz noch nicht ausreichend gewährleisten kann. In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen für diesen Haushalt und für die zukünftigen Vorhaben im Bereich der Rechtspolitik. Vielen Dank.