Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Buschmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Zu Beginn der Debatte heute Morgen um 9 Uhr saß ich hier und habe gedacht: Das fängt ruhig an. – Herr Krings, Sie haben es geschafft, dass mein Puls jetzt bestimmt auf 180 ist. Am 7. September 1949 fand die konstituierende Sitzung des ersten Deutschen Bundestages in der Turnhalle der ehemaligen Pädagogischen Akademie in Bonn statt. Den Jahrestag haben wir am Dienstag im Rahmen einer Feierstunde gewürdigt. Wir feiern 75 Jahre Grundgesetz, und das steht auch im Briefkopf des Bundesministeriums der Justiz, dessen Einzelplan wir heute in erster Lesung debattieren. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz in Bonn verkündet. Artikel 1 bis 19 sind die sogenannten Grundrechte; sie regeln die grundlegenden Rechte von einzelnen Personen gegenüber dem Staat. Unser Rechtsstaat funktioniert, auch wenn den Menschen von Demokratiegegnern gern etwas anderes erzählt wird. Warum erwähne ich das im Rahmen der Haushaltsberatungen? Ich erwähne das, weil sowohl in der Finanzdebatte als auch in der Generaldebatte sowie in fast allen anderen Einzelplanberatungen die Opposition immer wieder auf die Themen Migration und Asylrecht hingelenkt hat. Artikel 20 regelt verfassungsrechtliche Grundprinzipien: Demokratie, Bundesstaat, Gewaltenteilung und Rechtsstaat. Von besonderer Bedeutung für die Demokratie ist das Recht auf die verfassungsgemäße Bildung und effektive Ausübung der Opposition. Das haben wir diese Woche live erlebt. Dabei war die Debatte um Migration und Asylrecht leider oft weit entfernt von verfassungsgemäßen Vorschlägen. Ob das effektive Oppositionspolitik ist, stelle ich infrage. Im Rahmen der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 müssen wir auch hinnehmen, dass aus der AfD bei den Beratungen zum Einzelplan 25 – Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen – gefordert wurde, das Bauministerium aufzulösen und dafür ein Remigrationsministerium einzurichten. Für diese Äußerung habe ich mich fremdgeschämt. Das Recht auf Meinungsfreiheit umfasst aber nicht den Anspruch, dass andere diese Meinungen unwidersprochen hinnehmen müssen; und das tun wir auch nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir berufen uns nämlich auf das Grundgesetz, insbesondere auf Artikel 16a, in dem es heißt: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Wie viele Menschen in Deutschland und auch hier im Bundestag haben einen Migrationshintergrund und wären von einer Rückführung, Ausweisung oder von Remigration betroffen? 1955 wurde das erste Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik und Italien unterzeichnet, das es ermöglichte, Arbeitskräfte aus Italien legal zu beschäftigen. Fast 4 Millionen Italiener kamen seitdem nach Deutschland, Hunderttausende blieben. Es folgten Abkommen mit Spanien und Griechenland, mit der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien. Heute hat rund ein Viertel der Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund, und sie haben oft auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Sollen die alle wieder ausreisen? 1993 wurde das Grundrecht auf Asyl eingeführt. 3,3 Millionen Geflüchtete leben derzeit in Deutschland. Auch die CDU/CSU und das BSW machen die Geflüchteten für steigende Kriminalität und soziale Konflikte in unserem Land verantwortlich. Und da gerade die Ampel regiert, wird dieses Problem allein der aktuellen Regierung angelastet. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, weltweit sind 120 Millionen Menschen auf der Flucht. Glauben Sie wirklich, dass wir Migration verhindern können, wenn wir die Errungenschaften unseres Rechtsstaats aufgeben und das Grundgesetz außer Kraft setzen? Glauben Sie wirklich, dass wir nur die Grenzen schließen müssten und damit wären die Probleme in unserem Land wie fehlende bezahlbare Wohnungen, steigende Neben- und Lebenshaltungskosten, zu wenige Kitaplätze, Fachkräftemangel, Kriminalität usw. gelöst? Das ist doch Augenwischerei, ganz ehrlich. Irgendwann werden Sie den Wählerinnen und Wählern erklären müssen, dass Ihre Vorschläge so gar nicht gemeint waren. Migranten auszuweisen, das wird diesen sozialen Aufgaben nicht gerecht. Wir müssen weiter unseren Rechtsstaat stärken. Insgesamt steigt daher der Etat des Einzelplans 07 leicht an auf über 1 Milliarde Euro. Beim Bundesamt für Justiz werden die Einnahmen durch Gebührenerhöhungen um 30 Millionen Euro und beim Deutschen Patent- und Markenamt um 20 Millionen Euro aufgestockt. 70 Prozent der Haushaltsausgaben entfallen allein auf die Personalkosten. Dazu zählen das Ministerium, der Bundesgerichtshof, der Generalbundesanwalt, das Bundesverwaltungsgericht, der Bundesfinanzhof, das Bundespatentgericht, das Bundesamt für Justiz und das Deutsche Patent- und Markenamt. Für HateAid sind 600 000 Euro und für das Anne-Frank-Zentrum 625 000 Euro im Regierungsentwurf ausgewiesen, sodass wir im parlamentarischen Verfahren diesmal nicht intervenieren müssen. Ich denke, meine Kollegen und Kolleginnen werden das im Einzelnen noch näher ausführen. Die Stiftung Forum Recht, eine parlamentarische Stiftung, bekommt 3,5 Millionen Euro bei derzeitiger Planung von 25 Stellen. Wir stehen weiter zu diesem Parlamentsprojekt, das den Menschen in der Bundesrepublik den Rechtsstaat näherbringen soll. Kreative Projekte wie die „Jungen Verfassungsgespräche“ und Schulbesuche sprechen genau die Menschen an, die offen sind für Fragen rund um den Rechtsstaat. Wir erwarten jetzt aber eine zügige Entscheidung im Hinblick auf die Bauprojekte in Karlsruhe und Leipzig durch das BMF. Ich möchte Herrn Minister Lindner den Hinweis mit auf den Weg geben, dass die Errichtung der Stiftung eine politische Entscheidung des Parlaments war und ist und es nicht dem Finanzministerium obliegt, diese Entscheidung infrage zu stellen. Letztendlich sollte uns das Ministerium sagen, ob es das Geld dafür zur Verfügung stellt oder nicht. Das Land Sachsen, die Stadt Leipzig und die Universität Leipzig warten dringend auf unsere Entscheidung, weil dort ein Gemeinschaftsbau entstehen soll. Das muss jetzt im Ministerium geklärt werden. Dort wird schon seit längerer Zeit der Raumbedarf ausgerechnet und die Angemessenheit der Stellen diskutiert. Das geht das Ministerium – mit Verlaub gesagt – nichts an, weil es eine politische Entscheidung ist. Sie können sagen: „Ja, das Geld gibt es“, oder: „Das Geld gibt es nicht.“ Ich bin sehr gespannt auf die parlamentarischen Beratungen des Bundeshaushalts und die begleitenden Entscheidungen. Um zum Anfang meiner Rede zurückzukehren: Mein Puls hat sich jetzt etwas gesenkt. Aber ich muss mich doch ganz heftig gegen den Vorwurf wehren, dass das Amt des Justizministers im Rahmen eines Schrottwichtelns an diesen Minister gegangen ist. Das hat mit meinem Rechtsstaatsverständnis – und sicherlich auch mit dem der Union – in keiner Weise etwas zu tun. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.